Schnelle Sperrung urheberrechtsverletzender Webseiten

Die neue „Clearingstelle Urheberrecht im Internet“ (CUII) hat ihre Arbeit aufgenommen. Internetzugangsanbieter haben auf ihre Empfehlung hin das erste illegale Streamingportal gesperrt.

I.          Hintergrund

Die CUII ist eine nicht-staatliche Stelle zur Durchsetzung sog. DNS-Sperren. Hinter der CUII stehen Verbände von Rechteinhabern (z. B. die Motion Picture Association, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, der Bundesverband Musikindustrie und die Deutsche Fußball Liga), einzelne Rechteinhaber (z. B. Sky Deutschland) sowie Internetzugangsanbieter (1&1, Telekom, Mobilcom, Telefónica und Vodafone). Grundlage ihrer „Empfehlungen“ sind ihr Verhaltenskodex und ihre Verfahrensordnung.

Die CUII soll DNS-Sperren gegen „Strukturell urheberrechtsverletzende Webseiten (SUW)“ schneller und effektiver durchsetzen. Ziel sind Webseiten, die zumindest auch auf Internetnutzer in Deutschland ausgerichtet sind und über die in „klar“ urheberrechtsverletzender Weise Inhalte öffentlich wiedergegeben werden. DNS-Sperren setzen bei der Zugänglichkeit von Webseiten an. Normalerweise übersetzen DNS-Server (DNS steht für Domain Name System) den vom Nutzer eingegebenen Namen der Webseite (z. B. raue.com) in eine IP-Adresse (z. B. 87.230.42.24) und leiten den Nutzer so auf die entsprechende Seite. DNS-Sperren verhindern das. Da ein Vorgehen gegen die oft im Ausland ansässigen Webseitenbetreiber selbst nicht zielführend ist, mussten die Rechteinhaber solche Sperren gegen die Internetzugangsanbieter bislang einzeln gerichtlich durchsetzen.

Das Bundeskartellamt hat keine Bedenken gegen die Einrichtung der CUII geäußert. Es hat zwar bei Einrichtungen privater Rechtsdurchsetzung sicherzustellen, dass es zu keinem kartellrechtswidrigen Boykott rechtmäßiger Wettbewerberangebote kommt. Rechtswidrige Angebote fallen allerdings nicht unter den Schutz des Kartellrechts.

II.         Verfahren

Das Verfahren vor der CUII gestaltet sich wie folgt: Über den Sperr-Antrag eines Rechteinhabers entscheiden die Mitglieder des dreiköpfigen Prüfungsausschusses, dem ein ehemaliger BGH-Richter vorsitzt. Deren einstimmig getroffene „Empfehlung“ überprüft die Bundesnetzagentur darauf, ob eine Sperrung mit den Vorgaben der Netzneutralität (VO (EU) 2015/2120) vereinbar ist. Das ist der Fall, wenn sie zur Durchsetzung von nationalen Rechtsvorschriften erforderlich ist. Bejaht sie das, sperren die Internetzugangsanbieter den Zugang zu der Webseite.

Verschiedene Mechanismen sichern die Rechte der Beteiligten. Der Rechteinhaber, die Internetzugangsanbieter sowie die Inhaber der betroffenen Webseiten können bei der CUII selbst Beschwerde gegen die Empfehlung einlegen. Die Internetzugangsanbieter sperren den Zugang zudem nicht, wenn eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung entgegensteht. Der betroffene Webseitenbetreiber könnte etwa gegen die Sperre eine einstweilige Verfügung erwirken. Daneben könnte er sich an die Bundesnetzagentur oder das Bundeskartellamt wenden, die jeweils klargestellt haben, die Entwicklung der Praxis abzuwarten und im Einzelfall einzugreifen.

III.        Voraussetzungen im Einzelnen

Einen zulässigen Antrag bei der CUII können nur „Rechteinhaber“ stellen. Nach dem Verhaltenskodex sind das nur die Rechteinhaber, die Partei des Verhaltenskodex sind, oder die Mitglied eines Verbands sind, der Partei des Verhaltenskodexes ist (eine Übersicht der Mitglieder lässt sich hier abrufen). Die CUII steht daher nicht jedem offen. Will ein Rechteinhaber mittels der CUII gegen eine SUW vorgehen, bleibt ihm allein, einem der Mitgliedsverbände beizutreten und – das ist zusätzliche Voraussetzung bei Anträgen einzelner Verbandsmitglieder – dessen Zustimmung zum Vorgehen gegen die Seite einzuholen.

Der Antrag ist begründet, wenn die Webseite „strukturell urheberrechtsverletzend“ ist. In ihrer ersten veröffentlichten „Empfehlung“  wendet die CUII dafür die in der Rechtsprechung des BGH und EuGH entwickelten Maßstäbe an. Danach prüft sie den Antrag an den Voraussetzungen von § 7 Abs. 4 TMG (analog), der seine unionsrechtlichen Grundlagen wiederum in Art. 8 Abs. 3 InfoSoc-RL sowie Art. 11 S. 3 Enforcement-RL findet. Danach gilt:

  • Der Rechteinhaber muss aktivlegitimiert sein, d. h. das auf der Seite wiedergegebene Werk muss urheberrechtlich geschützt sein und er gegenüber der CUII seine (abgeleitete) Rechteinhaberschaft darlegen.
  • Die Webseite muss auf den deutschen Markt ausgerichtet sein und bei den Wiedergaben muss es sich um „klare“ Urheberrechtsverletzungen handeln.
  • Der Rechteinhaber muss andere Abhilfemöglichkeiten ausgeschöpft haben, also vorrangig vergeblich gegen den Betreiber der Webseite oder deren Host-Provider vorgegangen sein.
  • Die Sperrung muss zumutbar und verhältnismäßig sein. Insbesondere dürfen dafür legale gegenüber den illegalen Inhalten nicht maßgeblich ins Gewicht fallen.

IV.       Bewertung

Es handelt sich bei der CUII um einen viel versprechenden Ansatz privater Rechtsdurchsetzung. Es bleibt abzuwarten, ob die CUII ihren Ansprüchen gerecht wird und schnelle und effektive Entscheidungen für die Rechteinhaber trifft. Angesichts verschiedener Sicherungsmechanismen und der Möglichkeit betroffener Seitenbetreiber, jederzeit die staatlichen Gerichte anzurufen, droht jedenfalls kaum ein – in der Netzwelt gefürchtetes – Overblocking. Grundsätzlich stellt sich vielmehr die Frage, wie effektiv DNS-Sperren überhaupt sind. Die von der ersten Sperrung betroffene Seite scheint jedenfalls zumindest über alternative Domains weiter abrufbar zu sein.

Das Raue-Team Geistiges Eigentum steht Ihnen für Rückfragen zur Clearingstelle gerne zur Verfügung.

(25. März 2021)