Die neue KI-Verordnung – Auswirkungen auf das Urheberrecht

Am 13. März 2024 hat das Europäische Parlament nach Abschluss der Trilog-Verhandlungen mit großer Mehrheit (523 zu 46 Stimmen bei 49 Enthaltungen) die KI-Verordnung verabschiedet. Der Rat muss die Verordnung noch förmlich annehmen. Anschließend wird die Verordnung im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Sie tritt 20 Tage nach der Veröffentlichung in Kraft. Die Verordnung ist grundsätzlich 24 Monate nach ihrem Inkrafttreten anwendbar. Einige Bestimmungen gelten bereits vorher, andere erst später. Die konsolidierte Fassung der KI-Verordnung finden Sie hier.

Die KI-Verordnung wurde bereits im Gesetzgebungsverfahren kontrovers diskutiert. Ein wichtiges Thema ist der Schutz des Urheberrechts. KI-Modelle werden mit großen Mengen urheberrechtlich geschützter Inhalte (Texte, Bilder, Musik, Videos etc.) trainiert. Viele Rechteinhaber befürchten, dass der Urheberrechtsschutz ausgehöhlt wird, wenn sich KI-Unternehmen Inhalte aus dem Internet beschaffen, ohne die Rechteinhaber um Erlaubnis zu fragen und die Nutzung zu vergüten. Mit Spannung wurde daher erwartet, welche Regelungen die KI-Verordnung im Bereich des Urheberrechts enthalten wird. Hier ein erster Überblick:

Pflichten von Anbietern von General Purpose-Modellen

Sprachmodelle wie GPT-4 oder Claude-3 sind sog. General-Purpose-Modelle („KI-Modelle mit allgemeinem Verwendungszweck“). Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie allgemein verwendbar sind und in einer Vielzahl nachgelagerter Systeme oder Anwendungen integriert werden können (Art. 3 Nr. 63). Nachgelagerte Anwendungen in diesem Sinne sind z.B. Chatbots wie ChatGPT.

Anbieter von General Purpose-Modellen treffen u.a. folgende Pflichten:

  • Sie müssen eine technische Dokumentation ihres Modells erstellen (Art. 53 Abs. 1 lit. a). Diese Dokumentation muss die im Anhang XI der KI-Verordnung aufgeführten Einzelheiten des Trainings- und Testverfahrens und die Ergebnisse seiner Bewertung enthalten. Sie müssen sowohl dem Amt für künstliche Intelligenz als auch den nationalen Behörden auf Anfrage zugänglich gemacht werden. Die Kommission wird in eigener Befugnis delegierte Rechtsakte zur Anpassung der Anhänge erlassen, um die Anforderungen an den technischen Fortschritt anzupassen.
  • 53 Abs. 1 lit. b) sieht zudem eine Transparenzpflicht vor, die es anderen Anbietern ermöglicht, das Modell rechtskonform in ihre KI-Anwendung zu integrieren. Die Mindestanforderungen an die bereitzustellenden Daten finden sich in Anhang VII. Die Anbieter von risikoarmen Open-Source-Anwendungen sind gem. Art. 53 Abs. 2 von den genannten Dokumentations- und Transparenzpflichten.
  • Alle Anbieter unterliegen gem. Art. 53 Abs. 1 lit. c) der Pflicht, eine Strategie zu entwickeln, um die Einhaltung des Urheberrechts der Union zu gewährleisten. Insbesondere soll die Ermittlung und Einhaltung von Rechtsvorbehalten nach Art. 4 Abs. 3 der DSM-RL (EU-Richtlinie 2019/790, umgesetzt in § 44b UrhG) sichergestellt sein. Durch den Verweis auf die DSM-Richtlinie stellt die KI-Verordnung klar, dass der Gesetzgeber offensichtlich von der Anwendbarkeit der Text and Data Mining-Schranke auf das Training von generativen KI-Modelle ausgeht. Das Amt für künstliche Intelligenz überwacht die Einhaltung, ohne dabei jedoch Urheberechtsverletzungen Werk für Werk zu prüfen (ErwG 108).
  • 53 Abs. 1 lit. d) verlangt außerdem die Veröffentlichung einer detaillierten Zusammenfassung der für das Training verwendeten Inhalte. Hierdurch soll Rechteinhabern die Ausübung und Durchsetzung ihrer Rechte erleichtert werden. Das Amt für künstliche Intelligenz erstellt eine Vorlage. Anbieter aus Drittländern müssen gem. Art. 54 Abs. 2 lit. a) zur Wahrnehmung der genannten Pflichten einen Bevollmächtigten benennen, der in der Union niedergelassen ist.
  • Die Durchsetzung der Pflichten hat die Kommission dem Amt für künstliche Intelligenz übertragen (Art. 88 Abs. 1). Bei Verstößen gegen die Bestimmungen drohen den Anbietern Geldbußen bis zu 3 % ihres gesamten weltweiten Jahresumsatzes im vorangegangenen Geschäftsjahr oder 15 000 000 EUR (Art. 101 Abs. 1).

Aufsichtsstruktur

Bereits vor der Verabschiedung der Verordnung hat die Kommission am 24. Januar 2024 die Errichtung des Europäischen Amtes für künstliche Intelligenz beschlossen. Das in der Generaldirektion Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien angesiedelte Amt wird als Teil der Governance-Architektur eine zentrale Rolle bei der Umsetzung spielen. Derzeit werden rund 100 Stellen besetzt.

Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, innerhalb von 12 Monate nach Inkrafttreten weitere nationale Aufsichtsbehörden zu benennen oder einzurichten (Art. 70). In Deutschland sind hierfür neben den Datenschutzbehörden von Bund und Ländern auch die Bundesnetzagentur (BNetzA) und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnologie (BSI) im Gespräch.

Komplementiert wird die Aufsichtsstruktur durch einen Europäischen Ausschuss für künstliche Intelligenz. Der Ausschuss setzt sich aus einem Vertreter je Mitgliedstaat zusammen. Im Hinblick auf die oben genannten Anbieter soll er der Kommission und den Mitgliedstaaten zur Durchsetzung der Vorschriften beratend zur Seite stehen (Art. 66 lit. c)).

Offene Fragen

Die KI-Verordnung trifft im Ergebnis nur wenige Bestimmungen zum Urheberrecht – es handelt sich in erster Linie um ein produktsicherheitsrechtliches Regelwerk. ErwG 108 stellt klar, dass die Durchsetzung anderer Urheberrechtsvorschriften des Unionsrecht unberührt bleibt. Offen ist jedoch, wie sich das zum urheberrechtlichen Territorialitätsprinzip verhält. Nach dem Territorialitätsprinzip greift das Urheberrecht des Staates, in dem die urheberrechtlich relevante Handlung stattfindet. Wenn das Training eines KI-Modells außerhalb der EU stattfindet, z.B. in den USA, wäre danach ausländisches Recht anwendbar. Die KI-Verordnung verpflichtet Anbieter aber unabhängig von diesen urheberrechtlichen Kriterien dazu, eine Compliance-Strategie einzuführen, die sich auch mit dem Umgang mit Rechtsvorbehalten befasst – unter Androhung von Bußgeldern. Wie dies aufzulösen ist, ist offen. ErwG 106 könnte implizieren, dass die Anbieter – entgegen dem Territorialitätsprinzip – doch dem europäischen Rechtsregime der DSM-RL unterworfen sind und Nutzungsvorbehalte respektieren müssten, auch wenn sie nach dem einschlägigen ausländischen Recht nicht erforderlich wären.

(28. März 2024)