Update: Die neue Corona-Arbeits­schutzverordnung kommt – leicht entschärft

Heute Morgen haben wir über den Referentenentwurf zu einer Corona-Arbeitsschutzverordnung („Corona-ArbSchV“) und deren etwaigen Konsequenzen berichtet. Nun ging es schnell. Herr Heil hat in den letzten Stunden den Rotstift angesetzt und den Entwurf etwas entschärft. Von dieser neuen Fassung hat die Bundesregierung in ihrer heutigen Sitzung zustimmend Kenntnis genommen. Laut einer Aussage des Bundesarbeitsministers wird die Corona-ArbSchV voraussichtlich am kommenden Mittwoch in Kraft treten. In teilweiser Abweichung zum Referentenentwurf wird die Verordnung Folgendes vorsehen:

  • Das Abstellen auf einen Inzidenzwert des Infektionsgeschehens wurde vollkommen gestrichen. Die in der Verordnung vorgesehenen Maßnahmen gelten damit überall gleich.
  • Prüf-und Dokumentationspflichten des Arbeitgebers zum betrieblichen Infektionsschutz bleiben bestehen.
  • Personenkontakte im Betrieb, insbesondere die Nutzung von Räumlichkeiten durch mehrere Personen sind auf das betriebsnotwendige Minimum zu reduzieren. IT-Lösungen (Videokonferenzen etc.) sollen vorrangig vor persönlichen Zusammenkünften genutzt werden.
  • Die Pflicht des Arbeitgebers, medizinische Gesichtsmasken zu stellen und die korrespondierende Tragepflicht der Mitarbeiter wurden konkretisiert. Gefordert sind „medizinische Gesichtsmasken oder FFP2-Masken oder in der Anlage zur Verordnung bezeichnete vergleichbare Atemschutzmasken“. Sie sind zu tragen und zur Verfügung zu stellen, wenn die maximale Raumbelegung (10 qm pro Person) oder der Mindestabstand von 1,5 m nicht eingehalten werden können oder wenn bei der Tätigkeit mit erhöhtem Aerosolausstoß zu rechnen ist. Die Verordnung berechnet ihren Erfüllungsaufwand mit drei Masken pro Beschäftigtem pro Tag. Die Beschäftigten sind im An- und Ablegen des MNS beziehungsweise der Atemschutzmaske zu unterweisen, um eine Kontamination der Hände oder der Maske zu vermeiden. Der Arbeitgeber kann aber aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auch andere, ebenso wirksame Maßnahmen anstelle der Maskenpflicht treffen.
  • Das Verbot des gemeinschaftlichen Essens in Kantinen und die Verpflichtung zu Testangeboten wurden hingegen ersatzlos gestrichen.
  • Das politisch kontrovers diskutierte Kernstück der Corona-ArbSchV, die „Verpflichtung des Arbeitsgebers, allen Beschäftigten bei Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten Home-Office anzubieten, sofern keine zwingenden betrieblichen Gründe entgegenstehen“ blieb unverändert bestehen. Hierzu verweisen wir auf unseren Beitrag von heute Morgen. Es bleibt bei der beschriebenen Frage: Was sind entgegenstehende zwingende betriebliche Gründe? In einem Punkt scheint der Bundesarbeitsminister unsere heute Morgen vertretene Ansicht zu teilen. Verfügen Beschäftigte zu Hause nicht über die technischen Voraussetzungen für Home Office, so Heil laut der FAZ, sei bereits dies ein „valider betrieblicher Grund“, Home Office nicht zu ermöglichen. Der Arbeitgeber wird auf dem Umweg über die Corona-ArbSchV also nicht gezwungen, die technischen Voraussetzungen erst auf seine Kosten zu schaffen.
  • Es gilt weiterhin, dass vor der Einführung von Home Office in Betrieben mit Betriebsrat und Dienststellen eine mitbestimmte Regelung (soweit noch nicht vorhanden) erforderlich ist. Auffällig ist, dass die Verordnungsbegründung nun selbst davon ausgeht, dass der Arbeitnehmer aus der Verordnung „kein subjektives Klagerecht“, also selbst keinen Anspruch auf Home Office, hat. Der Arbeitnehmer soll sich stattdessen im Problemfall an die Arbeitsschutzbehörde der Länder oder die Unfallversicherungsträger wenden.

Der im Referentenentwurf noch vorgesehene Ordnungswidrigkeitenkatalog wurde ersatzlos gestrichen. Damit gilt erst recht, was wir bereits heute Morgen festgestellt haben: Die Corona-ArbSchV ist in erster Linie ein nachhaltiger Appell an Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Es bleibt zu hoffen, dass er nicht ungehört verhallt und einen Beitrag zum Infektionsschutz leistet. Es bleibt die Frage, ob es bei dem überschaubaren materiellen Gehalt der Corona-ArbSchV sinnvoll ist, Arbeitgeber mit zusätzlichen umfangreichen Prüf- und Dokumentationspflichten zu belasten.

Die Verordnung tritt fünf Tage nach Ihrer Verkündung in Kraft und am 15. März 2021 außer Kraft.

(20. Januar 2021)