Update: Fahrzeit ist Arbeitszeit

Fahren Arbeitnehmer von ihrem Wohnort mit dem Firmenfahrzeug direkt zum ersten Kunden und am Ende des Tages vom letzten Kunden nach Hause zurück, stellt die für die An- und Heimfahrt aufgewendete Zeit Arbeitszeit dar. Dies hat der EuGH mit Urteil vom 10. September 2015, C-266/14 entschieden.

Im dem Fall beschäftigte der Arbeitgeber Techniker, die bei den Kunden Sicherheitsanlagen warten und installieren. Bis zum Jahr 2011 unterhielt das Unternehmen noch Regionalbüros, von denen aus die Techniker ihre Firmenfahrzeuge übernahmen, die Kunden abarbeiteten und das Fahrzeug abends zurückbrachten. Diese Regionalbüros wurden aufgelöst und die Arbeitnehmer nahmen die Firmenfahrzeuge fortan mit zu ihrem Wohnort, um von dort aus morgens zum ersten Kunden zu fahren und abends mit dem Firmenfahrzeug nach Hause zurückzukehren. Der Arbeitgeber rechnete die Fahrzeit bis zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück nach Hause nicht als Arbeitszeit an.

Nach Ansicht des EuGH beginnt jedenfalls für Arbeitnehmer ohne festen oder gewöhnlichen Arbeitsort, die von zu Hause aus direkt zum ersten Kunden fahren, die Arbeitszeit bereits am Wohnort und endet auch erst dort. Abweichende Vereinbarungen, die solche Fahrzeiten der Ruhezeit zuordnen, sind unzulässig. Die Fahrten der Arbeitnehmer zu den vom Arbeitgeber bestimmten Kunden seien ein notwendiges Mittel, damit diese Arbeitnehmer bei den Kunden ihre Arbeitsaufgabe erfüllen können. Daher nähmen die Arbeitnehmer während der Fahrzeit vom Wohnort zum Kunden ihre Aufgaben wahr und übten ihre Tätigkeit aus. Entscheidend sei, ob sich der Arbeitnehmer in einer Lage befinde, in der er rechtlich verpflichtet ist, den Anweisungen seines Arbeitgebers Folge zu leisten und seine Tätigkeit für ihn auszuüben. Nur wenn der Arbeitnehmer ohne größere Zwänge über seine Zeit verfügen und seinen eigenen Interessen nachgehen könne, spricht dies gegen eine Annahme von Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie 2003/88/EG. Bereits während der Fahrt zum ersten Kunden unterstünden die Arbeitnehmer den Anweisungen ihres Arbeitgebers, der Fahrtziel und Kundenreihenfolge festlegt und jederzeit ändern oder gegebenenfalls einen Termin streichen oder hinzuzufügen kann.

Der EuGH hebt hervor, dass die Situation der Arbeitnehmer, direkt vom Wohnort zum ersten (evtl. täglich wechselnden) Kunden fahren zu müssen, eine unmittelbare Folge der Entscheidung des Arbeitgebers ist, keine Regionalbüros mehr vorzuhalten. So werde den Arbeitnehmern die Möglichkeit genommen, die Entfernung zwischen ihrem Wohnort und gewöhnlichem Arbeitsort frei zu bestimmen.

Gerade dieser letzte Aspekt verdient Beachtung. Danach gilt auch nach dieser EuGH Entscheidung, dass der Weg vom Wohnort zum Arbeitsort und zurück grundsätzlich Privatsache und nicht Arbeitszeit ist. Der Arbeitnehmer entscheidet selbst, ob er zur Vermeidung langer Fahrtwege in der Nähe des Arbeitsortes wohnt oder längere Anfahrtswege in Kauf nimmt. Beseitigt der Arbeitgeber diese Planungshoheit und bestimmt durch die Festlegung des ersten und letzten Einsatzortes, welchen Weg der Arbeitnehmer zurückzulegen hat, beginnt die Arbeitszeit bereits am Wohnort.

Bereits am 22. April 2009, 5 AZR 292/08, hatte das BAG entschieden, dass die Reisetätigkeit zur Hauptleistungspflicht eines Außendienstmitarbeiters gehört und Arbeitszeit darstellt. Dies gelte auch, wenn der Mitarbeiter den ersten Kunden direkt vom Wohnort aus aufsuche. Offen gelassen hatte das BAG damals, ob der „ersparte“ Umweg über den Betrieb abgezogen werden könne.

Dass die Fahrtzeiten zwischen den einzelnen Kunden als Arbeitszeit zu werten sind, versteht sich inzwischen von selbst.