Covid-19 – GmbH Beschlussfassung außerhalb von Präsenzversamm­lungen erleichtert

§ 48 Abs. 2 GmbHG sieht vor, dass Beschlüsse der Gesellschafter außerhalb einer Präsenzversammlung gefasst werden können, wenn sämtliche Gesellschafter in Textform (§ 126 b BGB – insbesondere E-Mail) dem Beschlussantrag zustimmen oder sich mit einer schriftlichen Abgabe der Stimmen einverstanden erklären.

Der von der Bundesregierung eingebrachte und vom Bundestag bereits verabschiedete „Entwurf eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ sieht hier eine Erleichterung vor.

Wörtlich heißt es dort, dass im Jahr 2020 „Beschlüsse der Gesellschafter in Textform oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden“ können.

Für die Praxis ergeben sich hinsichtlich der Umsetzung eine Reihe von Fragen, die auch davon abhängen, welche Regelungen zur Gesellschafterversammlung und Beschlussfassung die Gesellschaft in ihrer Satzung getroffen hat.

Zunächst ist festzustellen, dass die gesetzlichen Regelungen zur Einberufung einer (Präsenz-)Gesellschafterversammlung, die per eingeschriebenen Brief mit einer Frist von mindestens einer Woche zu erfolgen hat (§ 51 Abs. 1 GmbHG), unverändert gelten. Dies ist vor dem Hintergrund, dass sich soweit ersichtlich die COVID-19 Pandemie noch nicht auf die Postzustellung (zumindest im Inland) ausgewirkt hat, nachvollziehbar.

Eine ordnungsgemäße Einberufung der Gesellschafterversammlung wird also durch die neue Regelung nicht erleichtert oder gar entbehrlich. Es dürfte sinnvoll sein, bereits in der Einladung auf das vorgesehene Prozedere zur Beschlussfassung in Textform und ggf. weiteren technischen Einzelheiten der Durchführung hinzuweisen. Beschlussfassungen unter Verzicht auf eine form- und fristgerechte Ladung bleiben natürlich zulässig, bedürfen aber wie bisher der Zustimmung aller Gesellschafter.

Der Gesetzesentwurf lässt nicht klar erkennen, wie die Beschlussfassung, auch wenn nicht alle Gesellschafter einverstanden sind, denn nun (positiv) erfolgt. Vorbehaltlich einer entsprechenden Regelung in der Satzung gilt weiter, dass Beschlüsse mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen zustande kommen (§ 47 Abs. 1 GmbHG). Gesellschafter, die mit einer Beschlussfassung in Textform nicht einverstanden sind, sollten daher in Textform gegen den entsprechenden Beschlussantrag stimmen, damit dieser ggf. nicht die erforderliche Mehrheit erreicht. Ein bloßer Widerspruch gegen die Form der Beschlussfassung wäre unbeachtlich. Wenn die Satzung ein Quorum vorsieht (dazu sogleich), ist eine Nichtteilnahme an der Versammlung und Beschlussfassung zu erwägen.

Unklar ist auch, was im Hinblick auf den eine Beschlussfassung vorbereitenden Teil der Gesellschafterversammlung gilt, also die Aussprache und Erörterung unter den Gesellschaftern. Hier dürfte, sofern die Satzung keine Regelung trifft, in ergänzender Auslegung des Gesetzes die Pflicht bestehen, die technischen Voraussetzungen für eine Aussprache und Erörterung ohne physische Präsenz zu schaffen, also im Wege einer Telefon- oder Videokonferenz (Einwahl).

Neben den (geänderten) gesetzlichen Bestimmungen bleiben Regelungen in der Satzung der individuellen Gesellschaft zu beachten.

Häufig ist eine Gesellschafterversammlung nur beschlussfähig, wenn eine bestimmte Mindestquote des stimmberechtigten Kapitals (sog. „Quorum“) teilnimmt. Wenn keine Präsenzversammlung stattfindet, dürfte dies so auszulegen sein, dass ein wirksamer Beschluss voraussetzt, dass jedenfalls das Quorum an der Stimmabgabe in Textform teilgenommen hat. Sieht die Satzung vor, dass bei Nichterreichung des Quorums eine neue Gesellschafterversammlung mit gleicher Tagesordnung einzuberufen ist, die ohne Rücksicht auf das Quorum beschlussfähig ist, muss dies in entsprechender Anwendung auch für die im Gesetzesentwurf erleichterte Beschlussfassung gelten. In einer solchen zweiten Gesellschafterversammlung ist die Beschlussfassung in Textform also ohne Rücksicht darauf möglich, wie viele Gesellschafter an ihr teilnehmen.

Der Gesetzesentwurf lässt offen, ob seine Erleichterung auch für Gesellschaften gilt, die eine dem Wortlaut des § 48 Abs. 2 GmbHG entsprechende Regelung in ihre Satzung aufgenommen haben. Eine Beschlussfassung in Textform ohne Zustimmung aller Gesellschafter würde in diesem Fall an sich gegen die Satzung verstoßen. Sinn und Zweck der Erleichterung sprechen jedoch dafür, sie auch in diesen Fällen anzuwenden. Es dürfte sich bei der Erleichterung um zwingendes Recht handeln. § 48 Abs. 2 GmbHG schützt das Teilnahmerecht der Gesellschafter an Gesellschafterversammlungen. Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetzesentwurf entschieden, dass dieser Schutz in der derzeitigen Situation – auch angesichts hoheitlich angeordneter Versammlungsverbote – hinter dem Bedürfnis zurücktreten muss, weiter Gesellschafterbeschlüsse in der GmbH fassen zu können. Daher gelten die Erleichterungen – satzungsdurchbrechend – auch für Gesellschaften, die von einer Satzungsregelung Gebrauch gemacht haben. Dafür spricht auch dass die Aufnahme einer § 48 Abs. 2 GmbHG entsprechenden Regelung in die Satzung in aller Regel nur in der gut gemeinten Absicht erfolgt, rechtsunkundigen Gesellschaftern und Geschäftsführern einen Leitfaden für ihre Versammlungspraxis an die Hand zu geben.

Regelt die Satzung dagegen weitere Erleichterungen, z.B. indem sie fernmündliche Abstimmungen oder sog. kombinierte Beschlussverfahren (etwa teilweise innerhalb einer (Präsenz-) Gesellschafterversammlung und teilweise in Textform) zulässt, bleiben diese von dem Gesetzesentwurf unberührt. Solche Erleichterungen stehen auch weiter nur gemäß den Regelungen (und Voraussetzungen) in der Satzung zur Verfügung.

Abschließend lässt sich festhalten, dass der Gesetzentwurf zwar Beschlussfassungen außerhalb von (Präsenz-) Gesellschafterversammlungen in der GmbH erleichtert, einige Folgefragen für die Praxis aber noch zu klären sind. Es empfiehlt sich, in der Einladung zu der Gesellschafterversammlung klar zu beschreiben, wie im (auch technischen) Detail die Versammlung ablaufen und Beschlüsse gefasst werden sollen.

(27. März 2020)