Transformation der Gasverteilernetze

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat ein Konsultationsverfahren zur Transformation der Gasverteilernetze eröffnet. In einem Green Paper identifiziert das BMWK Handlungsbedarfe und erste Handlungsoptionen im Zusammenhang mit der zukünftigen Verwendung von Gasverteilernetzen.

Hintergrund

Das Klimaschutzgesetz sieht bis spätestens 2045 die Netto-Treibhausgasneutralität Deutschlands vor (§ 3 KSG). Um dieses Ziel zu erreichen, ist auch ein Ausstieg aus fossilem Erdgas notwendig. Die Abkehr von der Gasversorgung wirft Folgefragen im Zusammenhang mit einer möglichen Umstellung der bestehenden Gasnetze auf eine Verteilung von Wasserstoff sowie im Zusammenhang mit der Stilllegung und dem Rückbau nicht mehr benötigter Gasnetze auf.

Die Transformation der Gasnetzinfrastruktur bedarf einer Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Die aktuellen Regelungen beruhen auf dem mittlerweile überholten Verständnis von einem unbefristeten Fortbestand der Gasverteilernetze. Auf EU-Ebene haben sich Ende 2023 Parlament, Rat und Kommission vorläufig auf eine Gasbinnenmarktrichtlinie geeinigt, die den Rahmen für den Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur auf Verteilernetzebene bzw. die Stilllegung der Gasverteilernetze schaffen soll. Auf nationaler Ebene sind Anfang 2024 das Wärmeplanungsgesetz (WPG) sowie eine Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) in Kraft getreten. Die neuen Regelungen des WPG und GEG sollen die gesetzlichen Grundlagen für eine treibhausgasneutrale Wärmeversorgung schaffen (siehe Beitrag Wärmeplanung und Dekarbonisierung der Wärmeversorgung).

Mit dem Green Paper will das BMWK im Vorfeld einer Umsetzung der EU-Gasbinnenmarktrichtlinie in nationales Recht einen ersten Überblick über die anzupassenden Themenfelder zur Transformation der Gasverteilernetze liefern.

Verzahnung mit Wärmeplanung

Die zukünftige Entwicklung von Gasverteilernetzen hängt maßgeblich von den derzeit auszuarbeitenden kommunalen Wärmeplänen nach dem WPG ab. Mithilfe der Wärmeplanung sollen die Kommunen die Möglichkeiten einer Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energien und aus Abwärme aufzeigen und die mittel- und langfristige Gestaltung der Wärmeversorgung für ihr Gebiet beschreiben. Ein zentrales Element der Wärmeplanung ist die Einteilung des beplanten Gebiets in voraussichtliche Wärmeversorgungsgebiete (§ 18 WPG). Ein voraussichtliches Wärmeversorgungsgebiet kann ein Wärmenetzgebiet, ein Wasserstoffnetzgebiet, ein Gebiet für die dezentrale Wärmeversorgung oder ein Prüfgebiet sein (§ 3 Abs. 1 Nr. 14 WPG). Gasverteilernetzbetreiber, die ihr Netz auf Wasserstoff umstellen wollen, müssen gemeinsam mit der nach Landesrecht für die Wärmeplanung zuständigen Stelle bis zum 1. Juli 2028 einen verbindlichen Fahrplan sowie der Gasverteilernetzbetreiber zusätzlich einen entsprechenden Investitionsplan für die Umstellung vorlegen (§ 71k Abs. 1 Nr. 2 GEG).

Anschlussverpflichtungen und Stilllegungspläne

Netzbetreiber sind grundsätzlich zum Netzbetrieb und Netzanschluss verpflichtet. Im Rahmen der Transformation der Gasverteilernetze kann diese Verpflichtung jedoch zu einem Widerspruch zur notwendigen Umstellung oder Stilllegung der Netze werden. Aus diesem Grund sollen nach dem Green Paper und in Umsetzung der EU-Gasbinnenmarktrichtlinie gesetzliche Rahmenbedingungen für genehmigungspflichtige Stilllegungspläne der Verteilernetzbetreiber geschaffen werden. Zudem soll die Möglichkeit verankert werden, aus Transformationsgründen einen neuen Netzanschluss zu verweigern und sogar zu kündigen. Das Kündigungsrecht des Netzbetreibers soll unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der Endverbraucher ausgeübt werden können, wenn ein Gasversorgungsnetz nicht mehr benötigt bzw. nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden kann. Voraussetzung ist außerdem ein hinreichender zeitlicher Vorlauf, damit die Kunden ihre Energieversorgung umstellen können.

Rückbauverpflichtungen

Werden Gasverteilernetze nicht mehr genutzt und stillgelegt, stellt sich die Frage nach ihrem Verbleib. Gasnetzbetreiber können nach allgemeinen Regelungen oder konzessionsvertraglich zum Rückbau verpflichtet sein, obwohl damit erhebliche Kosten verbunden sein können und ein Rückbau insbesondere mit Blick auf Nachnutzungsoptionen nicht immer erforderlich sein muss. Vor diesem Hintergrund diskutiert das Green Paper die Möglichkeit einer gesetzlich verankerten Duldungspflicht der Privaten bzw. Kommunen, in deren Grund und Boden sich die in Rede stehenden Leitungen befinden. Offen ist auch die Frage, wie mit Gasnetzanschlüssen einzelner Verbraucher umzugehen ist, die aufgrund einer Änderung der Wärmeversorgung nicht mehr benötigt werden. Das Green Paper sieht vor, dass die aktuelle Rechtslage dahingehend geändert wird, dass Nachnutzungen im Rahmen kommunaler Wärmepläne bzw. von Wasserstoffnetzentwicklungsplänen oder anderer Umwidmungen berücksichtigt werden müssen. Es soll insbesondere verhindert werden, dass es zu einem sofortigen flächendeckenden Rückbau nicht mehr genutzter Gasverteilernetze kommt.

Investitionsverpflichtungen aus Konzessionsverträgen

Konzessionsverträge enthalten nicht selten ein verbindlich zugesagtes Investitionsbudget oder eine Verpflichtung des Netzbetreibers, Investitionen in das bestehende Gasverteilernetz zu tätigen. Sofern diese konzessionsvertraglichen Klauseln am Bedarf des betreffenden Netzgebiets vorbei und über das sicherheitstechnisch erforderliche Maß hinausgehen, können sie im Widerspruch zur Umrüstung auf und zum Ausbau von Wasserstoffverteilernetzen stehen. Das Green Paper schlägt daher eine gesetzliche Regelung zur Befreiung der betroffenen Netzbetreiber von solchen konzessionsvertraglichen Investitionsverpflichtungen vor.

Weiterbetrieb von Netzen bei fehlendem Bewerber auf Neukonzession

Der Betrieb von Gasverteilernetzen kann aufgrund der sinkenden Kundenzahl für Netzbetreiber wirtschaftlich unattraktiv werden. Für den Fall, dass es auf neu zu vergebende Gaskonzessionen keine Bewerber gibt, müssen Lösungen zur Versorgungsgewährleistung in der Übergangszeit gefunden werden. Das Green Paper beschreibt die Möglichkeit, in einem solchen Fall den Bestandskonzessionär zum Weiterbetrieb des Netzes zu verpflichten. Diese Verpflichtung könnte entweder durch eine unmittelbare gesetzliche Regelung erfolgen, wonach auslaufende Konzessionsverträge im Falle eines Marktversagens und bei festgestelltem Versorgungsbedarf verlängert werden. Eine andere Möglichkeit könnte sein, Landes- oder Kommunalbehörden zu ermächtigen, eine einzelfallbezogene Entscheidung über die Fortsetzung des Netzbetriebs zu treffen. Im Vergleich zu einer starren gesetzlichen Vorgabe sieht das Green Paper den Vorteil der Einzelfalllösung darin, dass ein Interessensausgleich zwischen Kommune, Versorger, Netzbetreiber und Gaskunden flexibler möglich ist.

Ausblick

Die Themenfelder des Green Paper sind im Rahmen des Konsultationsverfahrens noch bis zum 12. April 2024 zur öffentlichen Diskussion gestellt. Die EU-Gasbinnenmarktrichtlinie wird voraussichtlich zur Jahresmitte 2024 in Kraft treten. Das BMWK plant, die von der EU beschlossene Richtlinie anschließend zeitnah in nationales Recht umzusetzen.

(21. März 2024)