Briefkonsolidierung und Geschäftspost: Missbrauchsverfahren und Schadensersatzklagen gegen Deutsche Post AG

Erst das Bundeskartellamt und nun auch die Bundesnetzagentur haben im Juli/Oktober 2023 jeweils Verfahren gegen die Deutsche Post AG („DPAG“) wegen des Verdachts wettbewerbsbeschränkender Verhaltensweisen im Bereich der Konsolidierung von Briefpost, d. h. der Bündelung, Sortierung/Frankierung und gesammelten Einlieferung von Brief und Postkarten bei der DPAG selbst, eingeleitet. Kern der Ermittlungen ist Preisdumping des Konzerns im Bereich der Geschäftspost zu Lasten des Wettbewerbs. Für Konsolidierer und Unternehmen, die das verkrustete und von der DPAG dominierte Konsolidierungsmodell aufbrechen wollen, ist die Gelegenheit günstig, Schadensersatz für jahrelang gezielt vereitelte Geschäftschancen und entgangene Gewinne daraus zu fordern.

Die DPAG hat über Jahrzehnte hinweg erfolgreich verhindert, dass echter wirksamer Wettbewerb im Bereich der Briefpost in Deutschland entsteht. Stattdessen hat sie sich dort, ganz anders als im Bereich der Paketbeförderung, bis heute eine Quasi-Monopolstellung erhalten. Kein einziger privater Konkurrent hat in Deutschland ein eigenes überregionales Briefbeförderungsnetz aufbauen können – dem hat die DPAG mit verschiedenen Strategien vorgebeugt: Über lange Zeit hat sie Geschäftspost rechtswidrig zu Dumpingpreisen über ihre unregulierten Werbepost-Produkte „Infopost“ und heute „Dialogpost“ befördert – bis Bundesnetzagentur und Verwaltungsgericht ihr dies nach jahrelangen Verfahren untersagt haben. Wettbewerber hat sie damit „klein gehalten“ und reihenweise in die Insolvenz getrieben.

Parallel und danach hat sie durch großzügige Rabatte für sog. Teilleistungen – die Übernahme nur der Zustellungsleistung ohne Einlieferung und/oder Streckentransport – einen Ausweg aus der lückenhaften Regulierung des veralteten Postgesetzes gefunden. Auf diese Weise machte sie, ehemalige Wettbewerber zu ihren eigenen Kunden und von ihr abhängig: Das Geschäftsmodell des „Konsolidierers“, der Briefe nur einsammelt, sortiert, vielleicht ein Stück befördern darf und zu einem Briefzentrum der DPAG bringt, war geboren. Sämtliche Konsolidierer sind abhängig von Rabattgestaltungen der DPAG und bauen keine eigene Zustellinfrastruktur auf. Echter Wettbewerb sieht anders aus.

Dies hat zur Folge, dass die DPAG  auch im selbst geschaffenen Markt für Konsolidierung inzwischen mit ihrem eigenen Tochterunternehmen Deutsche Post InHaus Services GmbH „erhebliche Marktanteile“ (Bundeskartellamt) erzielt und sich der Marktdominanz nähert – kein Wunder, wenn man den Vorleistungspreis für Wettbewerber bestimmt und zugleich den Endkundenpreis drückt.

Während sich das Verfahren des Bundeskartellamts auf mögliche wettbewerbsbeschränkenden Vertragsgestaltungen zwischen der Post-Tochter DP InHaus und ihren beiden größten Konsoliderungs-Wettbewerbern Postcon und Compador bezieht, untersucht die Bundesnetzagentur nun die Preisgestaltung der DP InHaus selbst. Außen vor bleibt bisher eine Untersuchung der Rabattgestaltungen, die das wettbewerbsverhindernde Modell der Konsolidierung überhaupt erst möglich gemacht und Unternehmen wie Postcon zu Postkunden gemacht haben.

Raue führt im Bereich der regulierten Briefpost (einzeln eingelieferte Briefsendungen) bereits zahlreiche verwaltungsgerichtliche Verfahren für Unternehmen und Körperschaften gegen die DPAG. Unternehmen, die Geschäftspost befördern (wollen) und sich durch die Praktiken von DPAG und DP InHaus unfair benachteiligt sehen, können hiergegen vorgehen und auch für die Vergangenheit Schadensersatz fordern.

(15. November 2023)