Geschäftsschließung aufgrund Coronavirus – was bedeutet das für Vermieter und Mieter?

Die Bundesregierung hat weitreichende Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus erlassen. Ziel ist es, den Kontakt der Menschen untereinander auf ein Minimum zu begrenzen. Das öffentliche Leben soll zum Erliegen kommen. Umgesetzt werden diese Maßnahmen in den einzelnen Bundesländern durch Rechtsverordnungen. Rechtsgrundlage ist insoweit § 32 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 10. Februar 2020, BGBl. I S. 148).

Auch in Berlin hat der Senat am 17. März 2020 mit der Verordnung über erforderliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 in Berlin (SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung – SARS-CoV-2-EindmaßnV) weitreichende Maßnahmen beschlossen. So kommt der Einzelhandel weitgehend zum Erliegen, denn „Verkaufsstellen“ dürfen – zunächst bis zum 19. April 2020 – nicht geöffnet werden (§ 3a Abs. 1 SARS-CoV-2-EindmaßnV). Ausnahmen bestehen lediglich für Supermärkte und andere Läden, die der Versorgung der Menschen dienen (wie zum Beispiel, Apotheken, Drogerien, Tankstellen, Banken und Sparkassen, Poststellen, Friseure, Reinigungen, Waschsalons, der Zeitungsverkauf und Buchhandel, Einzelhandel für Bau-, Gartenbau- und Tierbedarf, Fahrradgeschäfte, Bestattungsunternehmen, Handwerk und Handwerkerbedarf und Großhandel). Ähnlich betroffen sind Bars, Kneipen, Clubs sowie Kinos, Theater, Konzerthäuser, Museen – auch sie dürfen nicht mehr öffnen.

Dies stellt die betroffenen Unternehmen vor nie gekannte Herausforderungen. Die Fixkosten laufen weiter, die Umsätze brechen weg. Neben Personalkosten machen Mieten häufig den größten Teil der laufenden Verbindlichkeiten aus. Von daher ist fraglich, welche Möglichkeiten für Kosteneinsparungen bestehen. Können Mieter aufgrund Corona-bedingt angeordneter Betriebsschließungen die Miete mindern? Bestehen andere Möglichkeiten der Vertragsanpassung?

1. Mietminderung im Gewerberaummietrecht

Anders als im anglo-amerikanischen Rechtsraum kennt das deutsche Mietrecht keine Umstände „höherer Gewalt („force majeure“) und daran anknüpfende Ansprüche. Voraussetzung für eine Mietminderung ist ein Mangel der Mietsache (§ 536 Abs. 1 Satz 1 BGB). Darunter ist die für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache von dem vertraglich Geschuldeten zu verstehen. Hierzu zählen sowohl tatsächliche Umstände als auch rechtliche Verhältnisse in Bezug auf die Mietsache (vgl. BGH, NJW 2011, 3151). Auch öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen können einen Mangel darstellen, wenn sie die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch mindern.

  • Erforderlich ist aber, dass die Beschränkung der Mietsache ihre Ursache gerade in deren Beschaffenheit und Beziehung zur Umwelt hat und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters (stRspr, vgl. unter anderem BGH NZM 2014, 165; BGH NJW 2011, 514). Ein Mangel ist beispielsweise gegeben, wenn die Versagung der Gaststättenkonzession auf dem Zustand der Mieträume beruht.
  • Dies ist bei der behördlich angeordneten Schließung von Betrieben zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus aber gerade nicht der Fall. Nicht die Beschaffenheit der Mietsache ist Ursache für die Schließungsanordnung, sondern die Art des Betriebes. So wäre beispielsweise der Betrieb einer Apotheke oder eines Supermarktes in demselben Mietobjekt grundsätzlich weiterhin möglich. Die Ursache ist somit betriebs- und nicht objektbezogen. Das Risiko für die betriebsbedingte eingeschränkte Nutzbarkeit liegt aber gerade beim Mieter. So stellt etwa auch die Einführung eines gesetzlichen Rauchverbots kein Mangel der Mietsache dar (BGH NJW 2011, 3151).
  • Zu denken wäre noch an einen Vergleich der Corona-bedingten Auswirkungen auf den Gebrauch der Mietsache mit Mietmängeln, die aufgrund von äußerlichen Einwirkungen auf die Mietsache entstehen. Dazu zählen etwa Einwirkungen aufgrund von Überschwemmungen, Umweltgifte, Gerüche, Lärm oder auch Elektrosmog. Ebenso stellt der ungehinderte Zugang zu den Mieträumen eine Hauptpflicht des Vermieters dar, insbesondere dann, wenn Gewerberäume vermietet wurden, und das dort betriebene Gewerbe auf Kundenverkehr angewiesen ist. Die Zugangsbehinderung stellt daher grundsätzlich einen Mangel dar, auch wenn sie z.B. durch nicht vom Vermieter beeinflussbare Bauarbeiten hervorgerufen wird (OLG Frankfurt a.M. NJW 2015, 2434). Auch hier dürfte jedoch gelten, dass der fehlende Zugang zu der Mietsache aufgrund aktueller behördlicher Schließungsanordnungen nicht der Mietsache selbst anhaftet, sondern betriebsbezogen ist. Denn der Zugang wäre möglich, wenn der Betrieb beispielsweise ein Supermarkt oder eine Bäckerei wäre. Für solche betriebsbezogenen Zugangshindernisse haftet der Vermieter aber gerade nicht.

2. Kein Fall der Unmöglichkeit

Ein Fall von Unmöglichkeit (§§ 275, 326 BGB), der die gegenseitigen Leistungspflichten von Mieter und Vermieter zum Erliegen bringen könnte, dürfte ebenfalls nicht vorliegen. Denn die Mietsache wird vom Vermieter weiterhin zur Verfügung gestellt, lediglich der Mieter kann keinen Nutzen daraus ziehen, da er seinen Betrieb nicht öffnen darf. Das Verwendungsrisiko obliegt insoweit allerdings dem Mieter, so dass kein Fall der Unmöglichkeit gegeben sein dürfte.

3. Außerordentliche Kündigung

Auch eine außerordentliche fristlose Kündigung des Mieters gem. § 543 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BGB dürfte ebenfalls aus dem Grund ausscheiden, dass der Kündigungsgrund nicht aus der Risikosphäre des Vermieters herrührt (Palandt, 79. Aufl. 2020, § 543 Rn. 5).

Zu den Einschränkungen der Kündigungsrechte des Vermieters durch das COVID-19 Gesetz, siehe den Beitrag Beschränkungen der Kündigungsrechte der Vermieter durch das COVID-19 Gesetz.

4. Wegfall der Geschäftsgrundlage

Möglicherweise könnte ein Rückgriff auf die Regelungen des Wegfalls bzw. der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) Mietern Anpassungsmöglichkeiten gewähren. Das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bildet eine Ausnahme von dem Rechtsgrundsatz, dass Verträge grundsätzlich einzuhalten sind („pacta sunt servanda“). So kann Anpassung eines Vertrags verlangt werden, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Allerdings kann die Anpassung des Vertrags nur verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Die Hürden für eine derartige Vertragsanpassung sind hoch. Denn es dürfen sich nur solche Risiken verwirklicht haben, die gerade nicht in den Risikobereich einer Partei fallen. Das Verwendungsrisiko der Mietsache fällt aber typischerweise in den Risikobereich des Mieters. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung fällt es ebenfalls in den Verantwortungsbereich des Mieters als Unternehmer, die Erfolgsaussichten seines Betriebs abzuschätzen (BGH NJW 1981, 2405). Vor diesem Hintergrund sind wirtschaftliche Veränderungen nur selten geeignet, den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu begründen.

Die Gerichte waren daher in der Vergangenheit auch stets zurückhaltend, in derartigen Konstellationen Vertragsanpassungen zuzulassen. Allerdings gab es auch noch nie eine vergleichbare Situation. Niemand kann im Moment absehen, wie lange der Lockdown andauern wird. Abhängig davon bleibt abzuwarten, ob aus der aktuellen Lage Umstände abgeleitet werden können, die einen Wegfall der Geschäftsgrundlage begründen.

5. Fazit

Für Mieter dürfte es aktuell schwer sein, Ansprüche auf Mietminderung oder Vertragsanpassung durchzusetzen, weil sie ihren Betrieb aufgrund Corona-bedingter Einschränkungen nicht fortführen können. Im Moment ist jedoch nicht absehbar, wie die Lage sich weiter entwickelt und wie Gerichte diese bislang einzigartige Entwicklung bewerten werden. Mieter und Vermieter werden die Krise nur gemeinsam bewältigen können. Der Presse ist zu entnehmen, dass bereits einige Vermieter, wie beispielsweise der zum schwedischen Möbelkonzern Ikea gehörende Shoppingcentervermieter Ingka, angekündigt haben, bis auf weiteres auf Mietzahlungen zu verzichten, wenn Mieter ihr Geschäft aufgrund einer behördlichen Anordnung schließen müssen. Von daher empfiehlt es sich, die individuellen vertraglichen Absprachen zu prüfen und mit Vermietern über Mietstundungen zu verhandeln. Wir stehen Ihnen bei Bedarf wie stets im konkreten Fall zur Verfügung.

(20. März 2020)