Kurzarbeit in Zeiten von Corona – Ein aktueller Überblick

Ein Virus hält die Weltwirtschaft fest im Griff, auch wenn die Auswirkungen sich noch nicht abschließend einschätzen lassen. Fallende Aktienkurse, Städte und Länder in Quarantäne, „verseuchte“ Kreuzfahrtschiffe, ausfallende Flüge und abgesagte oder gar verbotene Großveranstaltungen lassen jedoch für viele Branchen nichts Gutes erahnen. Politiker fast aller Parteien sind sich einig: Die deutschen Unternehmen brauchen Hilfe. Daher wurden in der Nacht von Sonntag auf Montag im Koalitionsausschuss einige Maßnahmen beschlossen, u.a. erweiterte Regelungen zum Kurzarbeitergeld (dazu unten). Dies bietet Anlass, sich dem Thema Kurzarbeit intensiver zu widmen. Auf etliche andere arbeitsrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus hatten wir an dieser Stelle bereits hingewiesen.

Sinn und Zweck von Kurzarbeit

Mit dem Instrument der Kurzarbeit sollen kurzfristige Umsatzeinbrüche aufgefangen und Personalkosten reduziert werden, indem die betriebsübliche normale Arbeitszeit aufgrund des Arbeitsausfalls vorübergehend verkürzt (auch auf „Null“) wird. Mit dem parallel hierzu staatlich gewährten Kurzarbeitergeld sollen die durch Kurzarbeit eintretenden Entgeltverluste auf Seiten des Arbeitnehmers kompensiert werden.

Differenzierung Arbeitsrecht/Sozialversicherungsrecht

Der wichtigste Punkt ist, dass bei der Einführung von Kurzarbeit streng zwischen den arbeitsrechtlichen und den sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen zu unterscheiden ist. Denn nur an den letzteren wird das Hilfsmaßnahmenpaket der Koalition anknüpfen und den Unternehmen Erleichterungen bringen. Dies ändert nichts daran, dass zunächst arbeitsrechtlich wirksam Kurzarbeit eingeführt werden muss. Denn bei unwirksamer arbeitsrechtlicher Implementierung der Kurzarbeit, kann auch die Gewährung von Kurzarbeitergeld versagt werden, sodass der Arbeitgeber das volle Entgeltausfallrisiko trägt.

Arbeitsrechtliche Grundlage

Ist die unternehmerische Entscheidung zur Einführung von Kurzarbeit gefallen, so kann der Arbeitgeber diese nicht einseitig Kraft seines Direktionsrechts anordnen. Es bedarf einer tarifvertraglichen Regelung, einer entsprechenden Betriebsvereinbarung oder einer individualvertraglichen Vereinbarung.

Einige Tarifverträge sehen vor, wann und unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber Kurzarbeit einführen darf. Dabei werden oftmals auch weitere Details, wie Ankündigungsfristen oder die Verpflichtung zur Aufstockung des Kurzarbeitergeldes geregelt. Besteht ein Betriebsrat, ist die Einführung der Kurzarbeit nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Ohne Zustimmung des Betriebsrats ist die Anordnung von Kurzarbeit unwirksam. Sinnvoll und üblich ist der Abschluss von Betriebsvereinbarungen zur Einführung von Kurzarbeit. Diese sollten nach Möglichkeit Bestimmungen zum Beginn und der Dauer der Kurzarbeit, zur Lage und Verteilung der Arbeitszeit und zu den von der Kurzarbeit betroffenen Arbeitnehmer enthalten. Zur reibungslosen Umsetzung gilt es, den Betriebsrat frühzeitig in die Überlegungen zur Einführung von Kurzarbeit einzubeziehen und für die ansonsten drohenden Konsequenzen – wie z.B. einem ansonsten unvermeidlichen Personalabbau – zu sensibilisieren.

Fehlt es an einem Tarifvertrag, der die Einführung von Kurzarbeit erlaubt, und besteht auch kein Betriebsrat, mit dem eine Einführung durch Betriebsvereinbarung geregelt werden kann, sind die Dinge komplizierter. In der Regel sehen Arbeitsverträge keine Bestimmungen zur Kurzarbeit vor. Dann bleibt dem Arbeitgeber nur, Kurzarbeit einvernehmlich mit den einzelnen betroffenen Beschäftigten zu vereinbaren. Dies wird nur erfolgversprechend sein, wenn einerseits die wirtschaftlich bedrohliche Lage und deren Gefahren für das Unternehmen klar kommuniziert werden und andererseits das Vertrauen in den Fortbestand des Unternehmens nach einem finanziellen Beitrag der Beschäftigten erhalten bleibt. Änderungskündigungen des Arbeitgebers zur einseitigen Durchsetzung von Kurzarbeit gegen den Willen der Beschäftigten sind praktisch kaum durchführbar.

Sozialversicherungsrechtliche Grundlagen

Ist die Kurzarbeit arbeitsrechtlich wirksam im Betrieb eingeführt, muss der Arbeitgeber dies in einem ersten Schritt der zuständigen Arbeitsagentur anzeigen und dort in einem weiteren Schritt fristgerecht Kurzarbeitergeld für seine betroffenen Mitarbeiter beantragen. Erfolgt dies nicht, macht sich der Arbeitgeber sogar schadensersatzpflichtig gegenüber seinen Arbeitnehmern.

Die Bundesagentur für Arbeit hat auf ihrer Homepage eine Vielzahl von lesenswerten Merkblättern und detaillierte Ausfüllhinweise für Anzeige- und Antragsformulare zur Kurzarbeit. Dort werden dem Arbeitgeber die grundsätzlichen Voraussetzungen und Vorgehensweisen Schritt für Schritt erklärt.

Nach §§ 95 ff. SGB III wird den Arbeitnehmern Kurarbeitergeld gewährt, wenn

  • ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt,
  • die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind
  • die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und
  • der Arbeitsausfall angezeigt worden ist.

Ein Arbeitsausfall ist nach § 96 Abs. 1 SGB III erheblich, wenn

  • er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht,
  • er vorübergehend ist,
  • er nicht vermeidbar ist und
  • im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) mindestens ein Drittel der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 Prozent ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen sind; der Entgeltausfall kann auch jeweils 100 Prozent des monatlichen Bruttoentgelts betragen.

Bereits am 6. Februar 2020 hatte die Regionaldirektion Baden-Württemberg der Bundesagentur für Arbeit in einer Pressemitteilung verkündet, dass ein auf Grund oder in Folge des Corona-Virus und/oder der damit verbundenen Sicherheitsmaßnahmen eingetretener Arbeitsausfall im Regelfall auf einem unabwendbaren Ereignis oder auf wirtschaftlichen Gründen im Sinne des Paragraphen 96 Abs. 1 Nr. 1 SGB III beruht.

Auch die Bundesagentur für Arbeit selbst hat am 28. Februar 2020 verlauten lassen, dass Kurzarbeitergeld gewährt werden kann, wenn die üblichen Arbeitszeiten vorübergehend wesentlich verringert sind. Dies könne zum Beispiel der Fall sein, wenn aufgrund des Corona-Virus Lieferungen ausbleiben und dadurch die Arbeitszeit verringert werden muss oder staatliche Schutzmaßnahmen dafür sorgen, dass der Betrieb vorübergehend geschlossen wird.

In der Nacht von Sonntag auf Montag hat der Koalitionsausschuss die folgenden Maßnahmen zur Vereinfachung der Kurzarbeitergeldbezuges beschlossen, die mit einer Verordnung eingeführt werden sollen:

  • Das Quorum der im Betrieb Beschäftigten, die von einem Arbeitsausfall betroffen sind, wird von einem Drittel auf 10% herabgesenkt.
  • Es wird teilweise oder vollständig darauf verzichtet, dass die Arbeitnehmer ein negatives Arbeitszeitsaldo aufbauen müssen.
  • Auch Leiharbeitnehmer sollen die Möglichkeit des Kurzarbeitergeldbezugs erhalten.
  • Den Arbeitgebern werden die von ihnen zu tragenden Sozialversicherungsbeiträge für die durch Kurzarbeit ausgefallenen Stunden im vollen Umfang erstattet.
  • Die Verordnung soll zunächst bis Ende 2020 befristet werden.

Der Gesetzentwurf soll am 11. März 2020 beschlossen werden und bereits in der ersten Aprilhälfte in Kraft treten.

Wir werden Sie an dieser Stelle über die tatsächlich erlassene Verordnung und deren Inhalt auf dem Laufenden halten. Die geplanten Änderungen – insbesondere die Übernahme der Sozialversicherungsbeiträge – sind ein begrüßenswertes Zeichen des Staates, Unternehmen in diesen Krisenzeiten finanziell zu entlasten und das Verfahren zu vereinfachen.

Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

(10. März 2020)