BMWi: Erleichterte Anwendung des Vergaberechts in Zeiten der Covid-19-Pandemie

Das BMWi hat mit einem Rundschreiben zur Anwendung des Vergaberechts im Zusammenhang mit der Beschaffung von Leistungen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus relevante Auslegungshilfen für aktuelle Ausschreibungen zur Verfügung gestellt.

Oberhalb der EU-Schwellenwerte (aktuell für klassische Liefer- und Dienstleistungen 214.000 EUR, bei obersten Bundesbehörden 139.000 EUR) sollen danach Beschaffungen sehr schnell und verfahrenseffizient auf der Grundlage von Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb möglich sein (§ 119 Abs. 5 GWB).

Grundlage der erleichterten Ausschreibung ist § 14 Abs. 4, § 17 Vergabeverordnung (VgV). Danach kann ein Verhandlungsverfahren durchgeführt werden, wenn äußerst dringliche  und zwingende Gründe im Zusammenhang mit Ereignissen vorliegen, die der betreffende öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte und diese es nicht zulassen, die Mindestfristen einzuhalten, die für das offene und das nicht offene Verfahren sowie für das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb vorgeschrieben sind. Die Voraussetzungen dieser (äußerst selten anzuwendenden) Ausnahmevorschrift sind angesichts der Covid-19-Pandemie gegeben für Beschaffungen (den Einkauf) von Leistungen, die der Eindämmung und/oder der Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs der öffentlichen Verwaltung dienen. Als Beispiele wird auf die Beschaffung von Heil- und Hilfsmitteln und auf notwendige Leistungen wie etwas mobiles IT-Gerät, Videokonferenztechnik und IT-Leitungskapazitäten verwiesen. Diese Aufzählung ist ausdrücklich keine abschließende.

Angebote können dabei formlos und ohne die Beachtung konkreter Fristvorgaben eingeholt werden. Aufgrund des besonderen Ausnahmecharakters sollen auch Angebotsfristen von weniger als einem Tag zulässig sein; die Regelung des § 17 Abs. 8 VgV ist nicht anwendbar auf Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb.

Im Sinne einer effizienten Verwendung von Haushaltsmitteln sollten nach Möglichkeit mehrere Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Je nach den konkreten Umständen sei es aber auch ausreichend, wenn nur ein Unternehmen angesprochen wird.

Für Sektorenauftraggeber gelten diese Auslegungsregeln gleichermaßen (Grundlage: § 13 Abs. 2 Nr. 4 SektVO).

Als Auslegungshilfe für Auftragsvergaben oberhalb der Schwellenwerte verweist das BMWi auf eine Mitteilung der Kommission aus dem Jahr 2015 (damals zum Thema Unterbringung und Versorgung von geflüchteten Menschen), in der die zur Verfügung stehenden vergaberechtlichen Instrumentarien für eine flexible Beschaffung in Notsituationen beschrieben werden.

Unterhalb der EU-Schwellenwerte können nach dem Rundschreiben des BMWi in der aktuellen Situation schnelle und effiziente Beschaffungen auf der Grundlage einer Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb gemäß § 8 Abs. 4 Nr. 9 der Unterschwellenvergabeverordnung (UVgO) erfolgen. Danach können Aufträge im Wege der Verhandlungsvergabe mit oder ohne Teilnahmewettbewerb vergeben werden, wenn die Leistung aufgrund von Umständen, die der Auftraggeber nicht voraussehen konnte, besonders dringlich ist und die Gründe für die besondere Dringlichkeit nicht dem Verhalten des Auftraggebers zuzurechnen sind. Auch hier können sehr kurze Angebotsfristen vorgesehen werden; ggf. genüge es auch hier, wenn nur ein Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert wird. Schließlich weist das BMWi darauf hin, dass die Bundes- oder Landesministerien durch Ausführungsbestimmungen bestimmte Höchstwerte (Wertgrenzen) vorsehen können, unterhalb derer stets eine Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb möglich wäre. Den Ländern stehe es zudem als ultima ratio frei, die Anwendung bestimmter Regelungen der UvGO in bestimmten Bereichen ganz auszusetzen.

Relevante Links:

https://www.bi-medien.de/upload/200319_RS_BMWi_Dringlichkeitsvergabe_Corona_28741.pdf

https://www.absthessen.de/pdf/KOM%20(2015)%20454%20final.pdf

(25. März 2020)