BFH: Leaver-Klauseln kein Indiz für steuerpflichtigen Arbeitslohn im Rahmen von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen

Mitarbeiterbeteiligungsprogramme erfreuen sich insbesondere bei Startups einer großen Beliebtheit. Damit sind jedoch zahlreiche steuerliche Fallstricke verbunden. Insbesondere stellt sich die Frage, ob die begünstigten Angestellten durch den Erhalt von Gesellschaftsanteilen sowie anderen Benefits (bspw. Hurdle Shares oder Phantom Stocks) steuerpflichtigen Arbeitslohn in der Form eines geldwerten Vorteils beziehen. Erforderlich ist, dass der Erhalt dieser Bezüge durch das Arbeitsverhältnis veranlasst ist. Dieser Veranlassungszusammenhang kann anhand bestimmter Indizien festgemacht werden. So hat die Rechtsprechung bislang Klauseln im Beteiligungsprogramm, die einen Verfall der versprochenen Leistungen für den Fall eines vorzeitigen Ausscheidens des Mitarbeiters vorsehen (sog. Leaver-Klauseln), als ein Indiz für eine Verknüpfung der Benefits mit dem Dienstverhältnis gesehen (so etwa in BFH v. 5.11.2013, VIII R 20/11, juris Rz. 19). Weil allerdings solche Leaver-Klauseln in jeglichen Spielarten von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen absoluter Standard sind, führte dies in der Praxis oftmals zu intensiven Diskussionen mit den Finanzämtern, ob die Erträge aus den Beteiligungen als Arbeitslohn dem regulären Einkommensteuertarif zu unterwerfen waren.

Dieser vermeintlichen Indizwirkung von Leaver-Klauseln bei der Besteuerung von Erträgen aus der erworbenen Mitarbeiterbeteiligung hat der BFH in seinen am Dienstag (27.02.2024) veröffentlichten Entscheidungen vom 14.12.2023 (Az. VI R 1/21 und VI R 2/21) nunmehr aber ebenso eine klare Absage erteilt, wie auch der Indizwirkung des verbilligten Erwerbs der Mitarbeiterbeteiligung.

Zum Sachverhalt

Der vom BFH entschiedene Fall betraf einen leitenden Angestellten einer GmbH, die von einer Investorengruppe über eine Luxemburgische Gesellschaft gekauft wurde und geplant war, diese in eine AG umzustrukturieren und an die Börse zu bringen. Im Zuge der Umstrukturierung und des Börsenganges erhielt der Kläger im Rahmen eines Mitarbeiterbeteiligungsprogrammes verbilligt einen Anteil als Kommanditist an einer Mitarbeiter GmbH & Co. KG, die ihrerseits Anteile an der luxemburgischen Gesellschaft erwarb.

Ziel war es, über die Mitarbeiter GmbH & Co. KG Anteile an der neu gegründeten AG im Falle eines Börsenganges zu beziehen. Das sollte dergestalt erfolgen, dass die luxemburgische Gesellschaft ihre Anteile von der Mitarbeiter GmbH & Co. KG zurückkaufen und im Gegenzug dafür Aktien in entsprechender Höhe erhalten soll. Diese Aktien sollen daraufhin an die Gesellschafter, darunter den Kläger, entsprechend ihrer Beteiligungsquote verteilt werden.

Das Mitarbeiterbeteiligungsprogramm sah, wie in solchen Fällen üblich, allerdings vor, dass mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur GmbH/AG der Kläger aus der Mitarbeiter GmbH & Co. KG ausscheiden und seine Beteiligung übertragen musste (sog. Leaver-Klausel).

Die Entscheidung des BFH

Unstreitig war, dass die verbilligte Einräumung des Kommanditanteils zum Zufluss von Arbeitslohn geführt hatte.

Streitig war hingegen, ob der Erwerb der Anteile an der AG über die Mitarbeiter GmbH & Co. KG ebenso den Zufluss von Arbeitslohn zur Folge hatte. Dem erteilte der BFH, ebenso wie die Vorinstanz, eine klare Absage. Zentraler Grund hierfür war, dass der Bezug der Aktien allein die Rechtstellung als Kommanditist und nicht das Arbeitsverhältnis zu Grunde liegt.

Das Besondere an dieser Entscheidung ist, dass der BFH in seiner Urteilsbegründung ausdrücklich auch den bestehenden Leaver-Klauseln keine Bedeutung beigemessen hatte. Auch dann, wenn sie, wie in Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen üblich, den Fortbestand des Beteiligungsverhältnisses mit dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses verknüpfen, sind sie, wie der BFH in begrüßenswerter Deutlichkeit ausführt, „nicht geeignet einer bestehenden Beteiligung ihren eigenständigen Rechtscharakter zu nehmen.“ Erträge, die ein Mitarbeiter aus dem Sonderrechtsverhältnis „Beteiligung“ erzielt, sind nicht nach § 19 EStG zu versteuern, sondern allein nach den insoweit einschlägigen Tatbeständen des EStG steuerbar, wie insbesondere §§ 17, 20 und 23 EStG.

Für den Vorrang des Sonderrechtsverhältnisses „Beteiligung“ ist es nach Auffassung des BFH auch unerheblich, dass der Arbeitnehmer die Anteile an der Mitarbeiter GmbH & Co. KG zuvor verbilligt übertragen und insoweit einen lohnsteuerpflichtigen geldwerten Vorteil erzielt hat. Der Anschaffungsvorgang und die Veräußerung der Anteile sind, so der BFH, getrennt voneinander zu betrachten.

Auswirkungen auf die Praxis

Die Entscheidung dürfte Auswirkungen auf die Gestaltung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen haben und der Praxis insbesondere auch bei der Vereinbarung von Leaver-Klauseln ein deutlich höheres Maß an Rechtssicherheit geben.

Für die Bestimmung des Veranlassungszusammenhanges zum Arbeitsverhältnis wird es aber auch weiterhin auf die Gesamtumstände des Einzelfalles ankommen. Solange Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit einer anderen Tarifbelastung unterliegen wie Einkünfte aus Kapitalvermögen, wird die steuerliche Beurteilung eines geplanten Mitarbeiterbeteiligungsprogramms deshalb auch in der Zukunft Gegenstand von Diskussionen mit der Finanzverwaltung bleiben. Mit seinem Urteil vom 14. Dezember 2023 hat der BFH den Argumentationsspielraum der Finanzverwaltung für solche Diskussionen aber eingeschränkt.

(29. Februar 2024)