BGH zu Kartellschäden: Verjährungs­hemmung auch für Altfälle

Seit Juli 2005 findet sich im Kartellrecht eine Regelung, wonach die Verjährung eines Anspruchs auf Kartellschadensersatz gehemmt wird, sobald ein Bußgeldverfahren wegen des Kartellverstoßes eingeleitet wurde. Bisher war in Rechtsprechung und Literatur aber streitig, ob diese Regelung auch für Altfälle gilt – also für Kartellverstöße, die vor Inkrafttreten der Neuregelung im Juli 2005 begangen wurden.

Über diese Frage hatte nun der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs zu entscheiden. Eine Baustoffhändlerin hatte eine Zementherstellerin auf Schadensersatz verklagt, weil sie in den Jahren 1993 bis 2002 wegen deren Beteiligung an einem Kartell überhöhte Preise für Zement zahlen musste. Die Beklagte hatte mit anderen Zementherstellern kartellrechtswidrig Gebiets- und Quotenabsprachen getroffen. Gegen sie wurde deshalb 2003 ein Bußgeld festgesetzt. Der Bußgeldbescheid wurde erst 2013 rechtskräftig. Wäre die Regelung zur Verjährungshemmung, die sich jetzt in § 33h Abs. 6 GWB findet, auf einen solchen Altfall nicht anwendbar, wäre der von der Baustoffhändlerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch verjährt gewesen, die Klage hätte abgewiesen werden müssen.

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat nun aber eindeutig entschieden: Altfälle sind sehr wohl erfasst! § 33h Abs. 6 GWB umfasst nach der Grundsatzentscheidung vom 12. Juni 2018 auch Schadensersatzansprüche, die ihre Grundlage in Kartellverstößen haben, die vor dem Inkrafttreten der Norm am 1. Juli 2005 begangen wurden, und zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt waren. Der Senat begründet seine Entscheidung mit einem allgemeinen Rechtsgedanken, den schon das Reichsgericht entwickelt hatte und der sodann vom Gesetzgeber mehrfach andernorts kodifiziert wurde: Bei einer Änderung der gesetzlichen Bestimmungen über die Verjährung eines Anspruchs ist das neue Gesetz (ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens) auch auf zuvor bereits entstandene, zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährte Ansprüche anwendbar .

Die Entscheidung hat grundsätzliche Bedeutung und stärkt den Rechtsstandort Deutschland als internationales Forum für Kartellschadenersatzklagen.

(14. Juni 2018)