EU schafft einheitlichen Rahmen für Crowdfunding-Plattformen

Am 7. Oktober 2020 hat das Europäische Parlament die Verordnung (EU) 2020/1503 („Crowdfunding-Verordnung“) verabschiedet, die es Crowdfunding-Plattformen erleichtern soll, ihre Dienstleistungen im gesamten EU-Binnenmarkt anzubieten. Die Crowdfunding-Verordnung gilt ab dem 10. November 2021. Sie ist unmittelbar anzuwenden und bedarf keiner Umsetzung ins nationale Recht.

Ziele der Crowdfunding-Verordnung

Ziel der Crowdfunding-Verordnung ist es, einen einheitlichen Rechtsrahmen für Crowdfunding-Dienstleistungen in der Europäischen Union zu schaffen. Mit der Verordnung werden gemäß Artikel 1 Abs. 1 VO (EU) 2020/1503 einheitliche Anforderungen

  • an die Erbringung von Crowdfunding-Dienstleistungen,
  • an die Organisation, die Zulassung und die Beaufsichtigung von Crowdfunding-Dienstleistern,
  • an den Betrieb von Crowdfunding-Plattformen sowie
  • an Transparenz und Marketingmitteilungen in Bezug auf die Erbringung von Crowdfunding-Dienstleistungen

festgelegt. Unter Crowdfunding versteht man eine alternative Finanzierungsform, bei der über eine öffentlich zugängliche und digitale Crowdfunding-Plattform potenzielle Geldgeber mit Unternehmen, die Finanzmittel für ein bestimmtes Projekt oder eine Geschäftsidee benötigen, zusammengeführt werden. Das Investmentangebot richtet sich insbesondere an Privatleute. Die Finanzierung erfolgt in der Regel über eine Vielzahl kleiner Geldbeträge mehrerer Geldgeber. An der Erbringung von Crowdfunding-Dienstleistungen sind neben den Anlegern und den zu finanzierenden Unternehmen die Crowdfunding-Dienstleister als Mittlerorganisation beteiligt. Diese bringen die Projektträger und die Anleger mithilfe einer Online-Plattform zusammen. Die Crowdfunding-Verordnung nimmt vorranging den Crowdfunding-Dienstleister in den Blick und normiert für diesen besondere Anforderungen.

Was ist der Anwendungsbereich der Crowdfunding-Verordnung?

Die Verordnung findet Anwendung auf kredit- und anlagebasierte Formen des Crowdfunding (lending-based crowdfunding und investment-based crowdfunding) bis zu einem Gesamtinvestitionsvolumen von 5 Millionen Euro je Crowdfunding-Angebot.

Damit erfasst die Crowdfunding-Verordnung Kredite, übertragbare Wertpapiere und andere, für Crowdfunding-Zwecke zugelassene Instrumente. Unter „Kredite“ fallen nach Art. 2 der Verordnung jedoch nur solche Kredite mit einer unbedingten Rückzahlungsverpflichtung. Nachrangdarlehen werden somit nicht von den Bestimmungen der Crowdfunding-Verordnung erfasst. Sie unterfallen daher auch künftig den Vorschriften des Vermögensanlagegesetzes, sowie § 34f Gewerbeordnung und der Finanzanlagenvermittlungsverordnung. Unter die sonstigen, für Crowdfunding-Zwecke zugelassenen Instrumente fallen grundsätzlich auch Anteile an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, sofern deren effektive Übertragung nach nationalem Recht keinen Beschränkungen unterliegt. Anteile an deutschen GmbHs sind wegen des Beurkundungserfordernisses des § 15 Abs. 3 GmbHG damit nicht erfasst.

Zulassungsregime der Crowdfunding-Verordnung

Im Zentrum der Verordnung steht die Schaffung eines einheitlichen Zulassungsregimes. Crowdfunding-Dienstleister benötigen künftig nur noch eine einzige Zulassung, auf deren Grundlage sie ihre Dienstleistungen über eine entsprechende Plattform in der gesamten EU anbieten können. Hierfür muss das Unternehmen folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Als Crowdfunding-Dienstleister können nur Unternehmen mit Niederlassung in einem EU Mitgliedsstaat zugelassen werden.
  • Die Zulassung erfolgt auf Antrag durch die zuständige Behörde des Mitgliedsstaats.
  • Die Zulassungsbehörde entscheidet binnen 3 Monaten über den Antrag und übermittelt ihre Entscheidung dem jeweiligen Antragsteller sowie der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde („ESMA“).
  • Die ESMA verwaltet ein Verzeichnis aller Crowdfunding-Dienstleister, das auf ihrer Internetseite öffentlich zugänglich und stets aktuell zu halten ist.

Organisations- und Sorgfaltspflichten und Anlegerschutz

Daneben werden zahlreiche Organisations-, Sorgfalts- und Verhaltenspflichten für Crowdfunding-Dienstleister eingeführt, die dem Anlegerschutz dienen. Hierzu zählt insbesondere die Pflicht, potenziellen Anlegern für jedes Angebot ein vom Projektträger erstelltes Anlagebasisinformationsblatt zur Verfügung stellen. Die Crowdfunding-Verordnung gibt mit einer Anlage die darin aufzunehmenden Informationen vor. Darüber hinaus müssen Crowdfunding-Dienstleister die Ausfallsquoten der auf ihrer Plattform angebotenen Crowdfunding-Projekte der letzten 36 Monate veröffentlichen.

Forum für Sekundärmarkt von Crowdfunding-Anlagen

Die Crowdfunding-Verordnung schafft schließlich die Möglichkeit für Crowdfunding-Dienstleister, ein Forum zu betreiben, über das die Anleger ihr Interesse am Kauf oder Verkauf von Krediten, übertragbaren Wertpapieren oder an für Crowdfunding-Zwecke zugelassenen Instrumenten, die ursprünglich auf ihrer Plattform angeboten wurden, anzeigen können. Dabei soll dieses Forum kein internes System zum Abschluss von Wertpapiertransaktionen sein, es sei denn, der Crowdfunding-Dienstleister verfügt in Bezug auf übertragbare Wertpapiere auch über eine gesonderte Zulassung als Wertpapierfirma gemäß Artikel 5 der Richtlinie 2014/ 65/EU. Das Forum soll alleine dazu dienen, den Zugang zum Sekundärmarkt von Crowdfunding-Anlagen zu erleichtern.

Auswirkungen für die bestehenden Regelungen zur Schwarmfinanzierung

Durch die Verordnung wird das Crowdfunding auch in Deutschland auf einen neuen regulatorischen Boden gestellt. Die Crowdfundig-Verordnung geht für die Fälle, die im Anwendungsbereich liegen, der Regelung in § 2a Vermögensanlagegesetz vor. Demzufolge müssen Crowdfunding-Angebote, die sich auf die erfassten Anlageprodukte beziehen, die Vorgaben der der Crowdfunding-Verordnung erfüllen (vgl. Artikel 1 Absatz 2 c) VO (EU) 2020/1503). Danach gilt insbesondere eine Höchstschwelle von 5 Millionen Euro als Gesamtvolumen des Crowdfunding-Angebots.

Die Verordnung differenziert im Hinblick auf den Anlegerschutz zwischen kundigen und nicht kundigen Anlegern. Die Begriffe werden in der Verordnung definiert. Unter kundigen Anlegern sind vereinfacht gesagt professionelle Kunden zu verstehen. Für sie gelten keine Begrenzungen bei der Höhe des anzulegenden Betrages. Zum Schutz von nicht kundigen Anlegern sieht die Crowdfunding-Verordnung hingegen Maximalanlagebeträge vor. So können nicht kundige Anleger ohne weitere Schutzmaßnahmen nur einen Betrag von 1.000 Euro oder 5 % ihres Reinvermögens in einem Projekt anlegen können. Darüber hinausgehende Investitionen sind aber grundsätzlich möglich. Der Crowdfunding-Dienstleister muss in diesen Fällen lediglich sicherstellen, dass der Anleger eine Risikowarnung erhält, der Investition gegenüber dem Crowdfunding-Dienstleister ausdrücklich zustimmt und nachweist, dass er die Anlage und deren Risiken versteht.

Für Crowdfunding-Dienstleistungen, die in den Anwendungsbereich der Crowdfunding-Verordnung fallen, gelten ab dem 10. November 2021 die in der Verordnung festgeschriebenen Regelungen. Bestehende Crowdfunding-Angebote, die auch nach diesem Stichtag weiter vermittelt werden sollen, müssen gegebenenfalls angepasst werden.

Für Crowdfunding-Angebote vor diesem Stichtag und solche Angebote, für die der Anwendungsbereich der Crowdfunding-Verordnung nicht eröffnet ist – etwa das Angebot von GmbH-Anteilen oder Nachrangdarlehen – gelten die nationalen Regelungen fort, soweit sie nicht aufgehoben werden.

Bewertung und Ausblick

Mit der Crowdfunding-Verordnung wird der Grundstein für einen einheitlichen und verlässlichen Rahmen für Crowdfunding-Plattformen gelegt. Die Verordnung schafft sowohl für die Crowdfunding-Dienstleister, als auch für die Anleger Rechtssicherheit und Verlässlichkeit. Begrüßenswert ist insbesondere, dass die Crowdfunding-Dienstleister auf der Grundlage einer einzigen Zulassung den gesamten EU-Binnenmarkt bedienen können und hierbei künftig einheitliche Vorschriften gelten. Überdies wird durch die Regulierung das Vertrauen der Anleger in die Crowdfunding-Plattformanbieter gestärkt. Dies dürfte den Plattformen einen weiteren Zulauf an Kunden bescheren. Die veröffentlichten Ausfallsquoten dürften für Anleger ein wesentlicher Aspekt bei der Auswahl des Crowdfunding-Anbieters werden. Crowdfunding-Dienstleister sollen daher bei der Auswahl der anzubietenden Crowdfunding-Projekte genau hinschauen. Auch im Hinblick auf die bisherigen Schwellenwerte ändert sich mit der Crowdfunding-Verordnung die Rechtslage. Hier bleibt abzuwarten, ob der deutsche Gesetzgeber die bisherige 6-Millionen-Euro Grenze auf den nach der Richtlinie maßgeblichen Betrag von 5 Millionen Euro absenkt. Im Übrigen wird es künftig mangels fester Maximalanlagebeträge leichter, auch größere Investitionen zu vermitteln.

Die Crowdfunding-Anbieter haben noch bis zum 10. November 2021 Zeit, sich auf die Neuregelungen einzustellen.

(19. April 2021)