Testamentum Mysticum – die riskante Bezugnahme auf Anlagen im Testament

Das Gesetz schreibt für die Errichtung von Testamenten eine bestimmte Form vor. Ein Testament muss entweder zur Niederschrift eines Notars oder durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichtet werden. Bei einem gemeinschaftlichen Ehegatten-Testament genügt es, wenn ein Ehegatte das Testament handschriftlich errichtet und beide Ehegatten unterschreiben.

In der Praxis kommt es jedoch mitunter vor, dass der Erblasser in seinem Testament auf nicht handschriftlich verfasste Dokumente oder Anlagen Bezug nimmt. So auch im jüngst veröffentlichten Fall des BGH, Beschluss vom 10. November 2021 (IV ZB 30/20):

Der Erblasser und seine Ehefrau errichteten ein gemeinschaftliches eigenhändiges Testament, das beide unterzeichneten. Darin setzten sie sich gegenseitig zu Alleinerben ein. Für die Erbfolge nach dem Letztversterbenden gaben sie Anweisungen. So sollte der „Erbteil Italia“ an eine „Erbengemeinschaft aus 5 befreundeten Familien“ fallen. Namen und Adressen für den „Erbteil Italia“ waren in einem PC-Ausdruck angehängt und persönlich unterschrieben. Auf diese Anlage nahm das Testament auch ausdrücklich Bezug: „Namen und Adressen für das Erbteil Italia sind im PC-Ausdruck angehängt und persönlich unterschrieben“.

Dies genügte jedoch nicht für eine wirksame Miterbeinsetzung der in der Anlage benannten Familien. Der BGH lehnte den Erbscheinsantrag einer der Familien ab – nachdem das Nachlassgericht den Fall noch anders beurteilt hatte.

Bei Bezugnahmen in einem Testament ist zwischen zulässigen Bezugnahmen zur näheren Erläuterung und unzulässigen ergänzenden oder inhaltsbestimmenden Bezugnahmen (sog. testamentum mysticum) zu unterscheiden. Dabei kritisierte der BGH ausdrücklich die teilweise zu großzügige Akzeptanz von Verweisungen auf formnichtige Anlagen. Im Einzelnen gilt:

  • Zunächst ist zu klären, ob das Testament, soweit es formwirksam ist, für sich genommen hinreichend bestimmt und damit vollständig ist.
  • Ist das nicht der Fall, ist zu prüfen, ob das Testament mehrere Auslegungen zulässt.
  • Lässt das Testament mehrere Auslegungen zu, ist zu prüfen, ob ein sich aus der formunwirksamen Anlage ergebendes Auslegungsergebnis im Testament immerhin andeutungsweise oder versteckt zum Ausdruck gekommen ist (sog. Andeutungstheorie). Für eine solche Andeutung genügt allerdings nicht die – auch ausdrückliche – Bezugnahme auf eine Anlage. Vielmehr muss sich der Inhalt der Bezugnahme zumindest andeutungsweise aus dem formwirksam errichteten Testament ergeben.

Im konkreten Fall hätte sich somit aus dem Testament andeutungsweise ergeben müssen, wer genau sich hinter den „5 befreundeten Familien“ verbirgt, etwa durch den Zusatz „mit welchen wir immer unseren Sommer-Urlaub in Italien verbracht haben“.

  • Ohne eine solche Andeutung im formwirksamen Testament selbst ist das Testament insoweit formnichtig. Andere im Testament verfügte Erbeinsetzungen bleiben wirksam, sofern sie ihrerseits der Form genügen.

In Abgrenzung hierzu ist eine Bezugnahme auf ein anderes formgültig errichtetes Testament hingegen immer zulässig.

Bei der Testamentserrichtung gilt es, die Frage zwischen (noch) zulässiger Bezugnahme und unzulässiger Bezugnahme von vornherein zu vermeiden. Sollte das Testament umfangreiche Anlagen erfordern, kann dies für eine notarielle Errichtung sprechen.

(7. Februar 2022)