Wann muss über Vorschüsse für Mangelbe­seitigungs­kosten abgerechnet werden?

Unterläuft einem Architekten ein Planungsfehler, muss er dem Bauherren gem. § 634 Nr. 4 in Verbindung mit § 280 Abs. 1 BGB den dadurch entstandenen Schaden ersetzen. Dieser Schaden besteht regelmäßig in den Kosten, die zur Beseitigung der Mängel am Gebäude erforderlich sind. Diese Kosten konnte der Bauherr bislang ersetzt verlangen, ohne die Mängel tatsächlich beseitigen zu lassen (sog. „fiktive Mangelbeseitigungskosten“). Das hat häufig dazu geführt, dass der Architekt deutlich mehr „Schäden“ ersetzen musste, als der Bauherr tatsächlich beseitigen ließ.

Das war ungerecht. Dem hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit einem viel beachteten Urteil vom 22. Februar 2018 (Az.: VII ZR 46/17) einen Riegel vorgeschoben. Danach kann der Bauherr nur dann Ersatz für Mangelbeseitigungskosten verlangen, wenn er die Mängel tatsächlich beseitigen lässt. Das Urteil ist vielfach besprochen worden und hat außerdem dazu geführt, dass alle anhängigen Klagen, mit denen ein Schaden nach Gutachten geltend gemacht wurde, umgestellt worden sind auf Feststellungs- oder Vorschussklagen.

Denn der BGH hat mit dem Urteil auch klargestellt, dass der Auftraggeber vom Architekten nunmehr Vorschüsse für die Kosten der Mängelbeseitigung am Gebäude verlangen kann. Aber ein Aspekt bleibt dabei völlig offen: Wann wird eigentlich über den Vorschuss abgerechnet?

Es liegt in der Natur des Vorschusses, dass der Bauherr ihn nicht auf ewig behalten und irgendwie verwenden darf. Vielmehr dient der Vorschuss nur der Mangelbeseitigung, und darüber muss Rechenschaft abgelegt werden. Nicht für die Mangelbeseitigung verwendete Mittel muss der Bauherr an den Architekten zurückzahlen. Wie und wann der Bauherr über den Vorschuss abrechnen und den potenziellen Überschuss zurückzahlen muss, ist nicht gesetzlich geregelt. Klarheit dazu haben aber zwei Urteil des BGH vom 14. Januar 2010 gebracht (Aktenzeichen VII ZR 213/07 und VII ZR 108/08):

  1. Der Anspruch auf Rückzahlung ggf. überschüssigen Vorschusses entsteht unter drei alternativen Voraussetzungen:
  • Abschluss der Mangelbeseitigung: Der Bauherr muss nach Abschluss der Mangelbeseitigung seine Aufwendungen nachweisen und über den erhaltenen Kostenvorschuss abrechnen. Ergibt sich dabei ein Überschuss, muss er diesen auszahlen.
  • Aufgabe des Willens zur Mangelbeseitigung: Der Besteller muss den Vorschuss zurückzahlen, wenn er seinen Willen aufgegeben hat, die Mängel zu beseitigen.
  • Ablauf angemessener Frist: Beseitigt der Besteller die Mängel nicht innerhalb einer angemessenen Frist, so ist er deshalb ebenfalls zur Rückzahlung des Vorschusses verpflichtet.

Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist grundsätzlich der Architekt darlegungs- und beweisbelastet. Der erste Fall ist dabei wohl noch am einfachsten: Sie erfahren irgendwie von dem Abschluss der Mangelbeseitigungsarbeiten. Dann muss abgerechnet werden. Die beiden weiteren Fälle sind schwierig: Zwar kann Fall zwei – Aufgabe des Willens zur Mängelbeseitigung – theoretisch früher eintreten als der Anspruch auf Rückzahlung nach „angemessener Frist“. Aber das bleibt reine Theorie. Denn auch für die Annahme, dass der Bauherr seinen Willen zur Mangelbeseitigung aufgegeben habe, wird regelmäßig die „angemessene Frist“ abgewartet werden müssen; der Bauherr teilt das ja kaum mit. Und führt der Auftraggeber die Mangelbeseitigung nicht in „angemessener Frist“ durch, gibt es nach dem BGH eine widerlegliche Vermutung dafür, dass er den Willen zur Mangelbeseitigung aufgegeben hat.

Entscheidend ist also, was eine „angemessene“ Frist ist. Der BGH bestimmt keine klaren Zeiträume, vielmehr sei die Frist „im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu ermitteln“. Entscheidend sei, dass der Besteller die Mängelbeseitigung ohne schuldhaftes Zögern in Angriff nimmt und durchführt. Die dafür erforderliche Zeit könne nicht daran bemessen werden, wie lange ein Bauunternehmer zur Beseitigung des Mangels gebraucht hätte. Das scheint aber nur dann zu gelten, wenn der Besteller in der Beseitigung von Baumängeln unerfahren ist und fachkundige Beratung braucht. Generell sei ein großzügiger Maßstab anzulegen, weil der Werkunternehmer durch seine Vertragswidrigkeit selbst die Ursache dafür gesetzt habe, dass der Auftraggeber die Mangel selbst beseitigen (lassen) muss.

2. Zu lange darf der vorschussverpflichtete Architekt mit der Forderung einer Abrechnung und gegebenenfalls einer Rückzahlung auch nicht warten: Der Rückzahlungsanspruch unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (BGH VII ZR 213/07). Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Architekt die anspruchsbegründenden Umstände entweder kannte oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte kennen müssen. Allein der Ablauf der „angemessenen Frist“ für die Mangelbeseitigung führt nicht zu positiver Kenntnis. Vielmehr muss der Architekt auch die besonderen Umstände in der Person des Bauherren kennen, die sich auf die Länge der angemessenen Frist auswirken. Deshalb sei auch fahrlässige Unkenntnis erst gegeben, wenn „die sich am normalen Bauablauf orientierende Frist deutlich überschritten ist“. Der gleiche Zeitablauf gilt, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Besteller die Mangelbeseitigung überhaupt nicht mehr vornehmen will. Aber die genaue Fristberechnung überlässt der BGH dem jeweiligen Gericht; das führt im Ergebnis nicht zu Rechtssicherheit. Weder lässt sich sicher beurteilen, wie lange ein Bauunternehmer zur Beseitigung der Mängel brauchen würde, noch, um welche zusätzliche Zeit diese Frist durch persönliche Umstände des Bauherren verlängert ist. Erst recht kann der Architekt nicht vorhersagen, wie ein Gericht diese Fragen später beurteilen wird, wenn Verjährungsfragen zu beurteilen sind.

In der Praxis ist daher zu folgendem Vorgehen zu raten: Nach der Zahlung (oder Verurteilung zur Zahlung) eines Vorschusses für Mangelbeseitigungskosten muss der Architekt (eher knapp) schätzen, wie lange ein Bauunternehmer für die Beseitigung der Mängel brauchen würde. Nach Ablauf dieser Frist – und spätestens drei Jahre nach Zahlung bzw. Urteil! – sollte der Bauherr zur Rechenschaft über die Verwendung des Vorschusses aufgefordert werden. Wenn nicht abgerechnet wird, muss der Bauherr aufgefordert werden, über den Stand der Mangelbeseitigungsmaßnahmen Auskunft zu erteilen. Bleibt auch das erfolglos, ist zur Sicherheit Klage zu empfehlen, gegebenenfalls als Stufenklage, also zunächst auf Auskunft, sodann auf Abrechnung. Dabei gibt es noch einen prozessualen Haken: Der Rückzahlungsanspruch ist ausgeschlossen, wenn der Besteller im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung den Vorschuss für die Mangelbeseitigung verbraucht hat bzw. feststeht, dass der Vorschuss verbraucht werden wird. Nimmt man den BGH hier beim Wort, bedeutet das, dass der Vorschuss selbst dann nicht zurückgezahlt werden muss, wenn der Besteller ihn zunächst nicht verwendet sondern erst nach Klageerhebung mit der Verwendung anfängt. Wenn der Bauherr allerdings vorher in Verzug mit der Auskunftsverpflichtung geraten ist, bestehen gute Aussichten, mindestens die frustrierten Rechtsverfolgungskosten zurückzuerhalten. Und außerdem: Nach dem BGH kann der Architekt bei Verzögerung der Mangelbeseitigung sogar die Erstattung derjenigen Kosten verlangen (oder bei der Abrechnung über die Verwendung des Vorschusses abziehen), um die die Mangelbeseitigung aufgrund der Verzögerung teurer geworden ist.

(3. August 2018)