Auftragswert von Planungs­leistungen: Weiteres Vertragsver­letzungsver­fahren gegen die Bundesrepublik

Bereits seit einigen Jahren führt die Europäische Kommission gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren wegen der Mindest- und Höchstsätze der HOAI (Az. C-377/17). Dazu sind gerade die Schlussanträge des Generalanwalts am EuGH veröffentlicht worden (28. Februar 2019); nach seiner Auffassung verstoßen die Mindest- und Höchstsätze gegen EU-Recht, und in aller Regel folgt das Gericht dem Generalanwalt.

Jetzt hat die Europäische Kommission ein zweites Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet, das die planenden Berufe betrifft. In einem Aufforderungsschreiben vom 24. Januar 2019 fordert die Europäische Kommission Deutschland auf, die Vorschriften für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen einzuhalten. § 3 Abs. 7 Satz 2 der Vergabeverordnung, die 2016 zur Umsetzung dreier Richtlinien der EU zum Vergaberecht (Richtlinie 2014/24/EU, Richtlinie 2014/25/EU und Richtlinie 2014/23/EU) erlassen worden ist, seien zu beanstanden. Es geht um Losbildung:

Grundsätzlich gilt nach § 3 Abs. 7 Satz 1 VgV, dass der Wertberechnung für das Vergabeverfahren auch bei einzelnen Losen der geschätzte Gesamtwert aller Lose zugrunde zu legen ist. Bei Planungsleistungen gilt dies jedoch nur für Lose über gleichartige Leistungen (§ 3 Abs. 7 Satz 2 VgV). Bei der Frage, ob Leistungen „gleichartig“ sind, ist nach Ansicht des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit deren wirtschaftliche oder technische Funktion zu berücksichtigen. Weil Leistungen der Objekt- und Fachplanung in technischer und funktionaler Hinsicht regelmäßig keinen einheitlichen Charakter haben, ist der Auftragswert bei diesen Leistungen getrennt zu ermitteln.

Das ist nach Ansicht der Kommission ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 2014/24/EU. Denn diese sehe eine solche Ausnahme bei der Auftragswertermittlung für Planungsleistungen nicht vor. Auch der EuGH hat in der Vergangenheit wiederholt betont, dass für die Berechnung des Schwellenwerts eine funktionale Betrachtung maßgebend sei. Die in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht erforderliche innere Kohärenz und funktionelle Kontinuität von verschiedenen Planungsaufträgen sei aber bereits erfüllt, wenn sich verschiedene Planungsaufträge auf ein einheitliches Bauvorhaben beziehen.

Das an Deutschland versandte Aufforderungsschreiben stellt die erste Stufe des Vorverfahrens eines Vertragsverletzungsverfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof dar. Deutschland kann sich innerhalb von zwei Monaten zu den erhobenen Vorwürfen äußern. Auf der zweiten Stufe des Vorverfahrens kann die Kommission eine begründete Stellungnahme abgeben und Deutschland zur Beseitigung des Verstoßes binnen einer bestimmten Zeit auffordern. Sollte Deutschland dem nicht nachkommen, könnte die Kommission – wie im Fall der HOAI – gegen Deutschland ein gerichtliches Verfahren vor dem EuGH einleiten.

(4. März 2019)