Leiharbeitnehmer und Schwellenwerte des Mitbestimmungs­gesetzes

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Urteil vom 25. Juni 2019 (Az.: II ZB 21/18) zu der praxisrelevanten und bislang äußerst umstrittenen Frage Stellung genommen, ob Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung des Schwellenwerts für die Bildung eines paritätischen Aufsichtsrats nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 Mitbestimmungsgesetz (Unternehmen, die in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigen) zu berücksichtigen sind.

Der Fall

Eine GmbH beschäftigte zum überwiegenden Teil festangestellte Arbeitnehmer, sowie daneben im Umfang von ungefähr einem Drittel der Belegschaft Leiharbeitnehmer in schwankender Zahl. Die Gesamtzahl der Festangestellten und Leiharbeitnehmer lag im Durchschnitt stets über 2.000. Bei Berücksichtigung der nur festangestellten Arbeitnehmer und solcher Leiharbeitnehmer, deren tatsächliche oder prognostizierte Beschäftigungsdauer mehr als sechs Monate betrug, lag die Gesamtzahl dagegen stets unter 2.000.

Das Problem

Das Problem liegt auf der Hand und ist in § 14 Abs. 2 Satz 6 AÜG verortet. Danach sind für die Anwendung des Mitbestimmungsgesetzes Leiharbeitnehmer im Entleiherunternehmen nur zu berücksichtigen, wenn die Einsatzdauer sechs Monate übersteigt. Es war bislang umstritten, ob § 14 Abs. 2 Satz 6 AÜG an den konkreten (Leih-)Arbeitnehmer selbst oder aber an den Arbeitsplatz anknüpft. Muss demnach für die Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer der einzelne Leiharbeitnehmer selbst sechs Monate in dem Entleiherunternehmen eingesetzt werden oder kommt es darauf an, wie viele Arbeitsplätze in dem Unternehmen regelmäßig über die Dauer von sechs Monaten hinaus mit auch wechselnden Leiharbeitnehmern besetzt werden?

Das Urteil

Der BGH hat sich nunmehr der arbeitsplatzbezogenen Sichtweise angeschlossen. Es sei gänzlich unerheblich, auf welchem konkreten Arbeitsplatz der einzelne Leiharbeitnehmer für wie lange innerhalb der sechs Monate eingesetzt wird. Entscheidend sei allein, ob der Einsatz von Leiharbeitnehmern in dem Unternehmen als solcher so dauerhaft erfolgt, dass er für die ständige Größe des Unternehmens ebenso prägend ist wie ein Stammarbeitsplatz.
Unter Berücksichtigung dieser Sichtweise war bei der GmbH ein paritätischer Aufsichtsrat nach § 1 Abs. 1 MitbestG zu bilden.

Bewertung

Die Entscheidung des BGH überrascht nur wenig, folgt sie doch der allgemeinen Tendenz einer Berücksichtigung von Leiharbeitnehmern bei der Bestimmung der Betriebsgröße. Die arbeitsplatzbezogene Auslegung des BGH wirkt zudem einer Gefahr der Umgehung der Vorschriften zur Arbeitnehmermitbestimmung durch einen regelmäßigen Wechsel der eingesetzten Leiharbeitnehmer vor Ablauf der Frist von sechs Monaten und damit einer missbräuchlichen Gestaltung von Fremdpersonaleinsatz entgegen. Die Entscheidung sorgt letztlich bei einer wichtigen Auslegungsfrage für Klarheit in der Praxis.

Eine entsprechende Anwendung dieser Grundsätze wird auch für das Montan-Mitbestimmungsgesetz, das Mitbestimmungsergänzungsgesetz, das Drittelbeteiligungsgesetz, das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung, das SE- und des SCE-Beteiligungsgesetz zu erwarten sein, auch wenn der BGH dazu nicht Stellung nehmen musste.

(21. August 2019)