Axel Springer siegt mit Raue LLP vor dem Bundesverfassungs­gericht für die Pressefreiheit

Raue LLP hat Axel Springer vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich vertreten. Mit der Verfassungsbeschwerde wendete sich der Verlag gegen Entscheidungen von Land- und Kammergericht Berlin, durch die er zum Abdruck einer Gegendarstellung des früheren Tennisspielers Boris Becker auf der Titelseite der BILD-Zeitung verpflichtet wurde.

Der Hintergrund.

In ihrer Ausgabe vom 19. Juli 2017 berichtete die BILD-Zeitung über die Darlehensabreden Boris Beckers mit dem Geschäftsmann Dr. Hans-Dieter Cleven mit dem Titel

„Bild EXKLUSIV Millionen-Gläubiger packt aus
Boris verpfändete auch das Haus seiner Mutter!“

Boris Becker entgegnete hierauf im Wege der Titel-Gegendarstellung:

„Ich habe das Haus meiner Mutter nicht verpfändet.“

Tatsächlich hat Boris Becker zur Absicherung eines Darlehens von knapp 42 Millionen Schweizer Franken das Haus, an welchem seine Mutter ein lebenslanges Wohnrecht hat, auf eine „Sicherheiten-Liste“ eintragen lassen, die ihm einen schuldrechtlichen Anspruch auf Eintragung eines Grundpfandrechts auf dem Grundstück vermittelt hat. Diesen Vorgang wertete die BILD-Zeitung umgangssprachlich als „Verpfändung“.

Die Entscheidungen der Zivilgerichte.

Land- und Kammergericht verpflichteten BILD zum Abdruck der Gegendarstellung mit der Begründung, die beanstandete Äußerung stelle eine dem Beweis zugängliche Tatsacheninformation dar und sei damit gegendarstellungsfähig. Für einen unvoreingenommenen Durchschnittsleser bedeute der Begriff „verpfänden“, dass der Eigentümer die Sache aus der Hand gegeben habe und er nicht mehr über sie verfügen könne, während der Gläubiger einseitig auf die Sache zugreifen könne. Eine bloß schuldrechtliche Verpflichtung zur Bestellung eines Grundpfandrechts werde aus Sicht des Durchschnittslesers daher nicht zutreffend beschrieben.

Die Verfassungsbeschwerde.

Mit seiner Verfassungsbeschwerde machte der Axel Springer Verlag geltend, der Begriff „Verpfändung“ sei eine wertende Stellungnahme, gegen die keine Gegendarstellung zulässig sei. Der Durchschnittsleser – ein juristischer Laie – habe keine konkrete Vorstellung von dem juristischen Begriff der „Verpfändung“. Zudem sei die Gegendarstellung unzulässig irreführend, da sie unterschlage, dass Boris Becker das Wohnhaus seiner Eltern, wenn er es schon nicht „verpfändet“ habe, so doch auf eine „Sicherheiten-Liste“ habe eintragen lassen.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

Das Bundesverfassungsgericht hat der Verfassungsbeschwerde stattgegeben. Die Instanzgerichte hätten die Titelschlagzeile zu Unrecht als gegendarstellungsfähige Tatsachenbehauptung eingeordnet. Enthalte die beanstandete Äußerung einen Rechtsbegriff, dürfe das Gericht nicht das eigene juristische Fachwissen zugrunde legen, sondern müsse auf das Verständnis eines durchschnittlichen Zeitungslesers abstellen. Zudem sei die Gegendarstellung „Ich habe das Haus meiner Mutter nicht verpfändet“ eine bloße Negation der Titelschlagzeile. Ein verfassungsrechtlich zulässiger Gegendarstellungsanspruch müsse jedoch der tatsächlichen Gegendarstellung und nicht der bloßen Gegenbehauptung oder Richtigstellung unvertretbarer Rechtsbehauptungen dienen.

Die Konsequenzen.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts weist weit über den Einzelfall und hat grundsätzliche Bedeutung. Sie betrifft grundsätzlich die Verwendung von Rechtsbegriffen und gibt den Instanzgerichten einen Maßstab vor, welches Sprachverständnis sie bei der Auslegung von Rechtsbegriffen anlegen müssen – und welches nicht. Die Entscheidung dürfte künftig auch für die Entscheidung über Unterlassungsansprüche maßgeblich sein. Da Gegendarstellungen häufig nur eine Negation der angegriffenen Behauptung, nicht aber eine richtigstellende Erklärung darüber beinhalten, was tatsächlich geschehen ist, ist diese Entscheidung auch für weitere Fälle richtungsweisend.

(20. Dezember 2018)