Raue vertritt Kunstsammler in einem Rechtsstreit gegen die Fontana-Stiftung in Mailand

Die Rechtsanwaltssozietät Raue hat für die Eigentümer eines Werks von Lucio Fontana Klage vor dem Landgericht München I gegen die Fontana-Stiftung erhoben. Die Mailänder Stiftung verwaltet den urheberrechtlichen Nachlass von Lucio Fontana und gibt das Werkverzeichnis des Künstlers heraus. Die Klage ist darauf gerichtet, der Fontana-Stiftung die Äußerung zu untersagen, bei dem Werk handele es sich um eine Fälschung.

Der Künstler Lucia Fontana ist bekannt für seine Schlitzbilder mit dem Titel „Concetto Spaziale“, die auf dem Kunstmarkt für Millionenbeträge gehandelt werden. Die Eigentümer eines solchen roten Schlitzbildes lieferten dieses im Sommer 2014 bei dem Auktionshaus Sotheby’s München zur Versteigerung ein. Das Werk hat eine vorzügliche Provenienz. Es trägt zwei Stempel (mit Inventarnummer) der renommierten Mailänder Galerie Vismara und war zu Lebzeiten Fontanas öffentlich ausgestellt. Der Vater der Eigentümer hat das Werk 1969, kurz nach dem Tod des Künstlers, von der im Werkverzeichnis gelisteten Galleria Flori in Florenz zu einem marktüblichen Preis erworben. Seitdem befindet sich das Werk im Besitz der Familie.

Sotheby’s hat das Werk durch zwei Expertinnen untersuchen lassen und für echt befunden. Da es nicht im Werkverzeichnis aufgeführt war, drängte das Auktionshaus darauf, das Bild vor Versteigerung der Fontana-Stiftung in Mailand zur Begutachtung vorzulegen. Dem stimmten die Eigentümer zu. Die Fontana-Stiftung hat das Werk im Oktober 2014 überraschend für gefälscht erklärt. Im Dezember 2014 ließ sie es mit dem Ziel der Vernichtung polizeilich beschlagnahmen. Die offensichtlich rechtswidrige Beschlagnahme wurde im März 2017 durch die italienische Staatsanwaltschaft aufgehoben. Die Eigentümer erhielten das Werk im April 2017 zurück – allerdings mit einem großflächigen blauen Fälschungsvermerk auf der Rückseite.

Nicht nur die tadellose Provenienz, auch materialtechnische Untersuchungen des Bildes durch renommierte Experten belegen dessen Echtheit: Das Forensische Labor Schumacher hat in einem Schriftgutachten festgestellt, dass die Signatur mit ihrem „zügigen und natürlichen Bewegungsablauf“ als authentisch einzustufen sei. Prof. Krekel von der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste, Stuttgart, hat Farbpigment (Red 3) und Bindemittel (Polyvinylacetat) des Werks analysiert und bestätigt, dass exakt diese auch bei anderen unstreitig authentischen roten Schlitzbildern Fontanas nachgewiesen sind.

Recherchen des investigativ tätigen Kunsthistorikers Jan Hendrik Geschke haben zudem ergeben, dass eine nahezu identische Kopie des Bildes existiert. Diese ist im Werkverzeichnis mit der Bezeichnung 64 T 104 gelistet. Die Fontana-Stiftung hat dieses Bild authentifiziert, bevor es 2015 bei Christie’s London zum Preis von rund 1,5 Mio. GBP versteigert wurde.

Bei dem Werk 64 T 104 ist die Signatur vorgezeichnet und mit einem dicken Stift nachgezogen.

Rückseite 64 T 104 (Detail); (© Jan Hendrik Geschke)

Demgegenüber hat die Signatur auf dem streitgegenständlichen Bild einen zügigen und natürlichen Verlauf.

Rückseite streitgegenständliches Bild (Detail); (© Jan Hendrik Geschke)

Die Signaturen beider Bilder sind unstreitig deckungsgleich. Da niemand identisch signiert, kann nur eines der Bilder echt sein.

Die Fontana-Stiftung behauptet, bei dem Bild 64 T 104 mit der zweifarbigen Signatur handele es sich um das Original; das streitgegenständliche Werk sei dessen Fälschung. Genau umgekehrt sieht es das Forensische Labor Schumacher, das die zweifarbige Signatur des Werkes 64 T 104 für eine „langsam vollzogene Nachahmungsfälschung“ des streitgegenständlichen Bildes hält.

Das Landgericht München I hat die auf Unterlassung der Fälschungsbehauptung gerichtete Klage der Eigentümer durch Urteil vom 18. Juni 2021 abgewiesen. Hiergegen hat die Rechtsanwaltssozietät Raue für die Eigentümer vor dem Oberlandesgericht München am 23. Juli 2021 Berufung eingelegt. Diese wurde durch Beschluss vom 11. Februar 2022 ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen.

Das Gericht hält die Behauptung, das streitgegenständliche Werk sei eine Fälschung, für eine zulässige Meinungsäußerung. In dem Beschluss des Oberlandesgerichts München heißt es: „Die subjektive Überzeugung der Beklagten (sc. der Fontana-Stiftung) von der fehlenden Urheberschaft Fontanas“ sei „zu respektieren“. Die Beauftragung eines Kunstsachverständigen sei nicht erforderlich. Vielmehr könne das Gericht „auch ohne eigene kunstwissenschaftliche Expertise“ erkennen, dass die Beklagte bei der Begutachtung des Werks nicht „leichtfertig“ vorgegangen sei.

Die Revision gegen diesen Beschluss hat das Oberlandesgericht München nicht zugelassen. Hiergegen haben die Eigentümer im Juni 2022 durch die Rechtsanwaltssozietät Rohnke Winter Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einlegen lassen.

Der Fall ist für den Kunstmarkt von grundsätzlicher Bedeutung. Er betrifft alle Eigentümer, deren Werke Lucio Fontanas bislang nicht im Werkverzeichnis aufgeführt sind. Wollen diese ihre Werke veräußern, verlangt der Kunstmarkt eine Echtheitsbestätigung der Fontana-Stiftung. Auf das Risiko einer möglichen Beschlagnahme und Vernichtung weisen manche Auktionshäuser die Einlieferer immerhin zwischenzeitlich hin.

Weitere Einzelheiten des Falles können Sie dem Beitrag „Der Fall Fontana – Die Spur der Steine“ in der WELTKUNST Nr. 196 vom März 2022 (Seite 34 ff.) entnehmen oder dem Artikel auf ZEIT Online, von Thomas E. Schmidt, 18. September 2021.

(10. August 20222)