Mit der Verkündung dreier Verordnungen im Bundesgesetzblatt am 16. Mai 2024 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz („BMWK“) die Umsetzung des sogenannten Zertifizierungspakets abgeschlossen. Es handelt sich dabei um zwei Verordnungen zur Änderung der Elektrotechnische-Eigenschaften-Nachweis-Verordnung („NELEV“) und um die Energieanlagen-Anforderungen-Verordnung („EAAV“). Zu dem Paket gehören außerdem Maßnahmen aus der EnWG-Novelle 2023 und dem Solarpaket 1. Über die mit dem Solarpaket 1 ebenfalls am 16. Mai 2024 in Kraft getreten Vereinfachungen beim Netzanschluss von PV-Kleinanlagen und Balkonkraftwerken haben wir bereits hier berichtet.
Ziel des Zertifizierungspakets ist die Erleichterung und Beschleunigung des Netzanschlusses von EE-Anlagen. In den vergangenen Jahren ist insbesondere der Ausbau von PV-Anlagen, die an das Mittelspannungsnetz angeschlossen werden sollen, stark angestiegen. Für den Anschluss dieser Anlagen ist ein Anlagenzertifikat erforderlich. Mit ihm wird die Einhaltung der allgemeinen technischen Mindestanforderungen von Erzeugungsanlagen nachgewiesen. Das Anlagenzertifikat wird auf Antrag des Anlagenbetreibers von zugelassenen Zertifizierungsstellen ausgestellt. Wegen des wachsenden Antragsvolumens verzögern sich die Erstellung der Zertifikate und in der Folge auch der Netzanschluss zunehmend. Aus der Branche gab es daher schon seit Längerem die Forderung nach einem vereinfachten und digitalen Zertifizierungsverfahren. Darauf haben der Gesetz- und Verordnungsgeber im Wesentlichen mit zwei Instrumenten reagiert:
Ausweitung der Ausnahme von der Zertifizierungspflicht
In der NELEV war bereits bisher eine Ausnahme von der Zertifizierungspflicht vorgesehen. Sie galt jedoch nur beim Anschluss der Anlage an ein Niederspannungsnetz der allgemeinen Versorgung (§ 2 Abs. 4 NELEV a. F.). Diese Ausnahme wurde durch die Neuregelung in § 2 Abs. 4 NELEV nun erheblich ausgeweitet. Für Erzeugungsanlagen mit einer installierten Leistung von bis zu 500 kW und einer maximalen Einspeiseleistung von 270 kW ist danach kein Anlagenzertifikat mehr notwendig. Für den Anschluss an das Niederspannungsnetz ist es nur noch erforderlich, dass die Anlage über gültige Einheiten- und Komponentenzertifikate nach den technischen Anschlussregeln des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. („VDE“) für Erzeugungsanlagen mit Anschluss an ein Niederspannungsnetz verfügt. Für den Anschluss an höhere Spannungsebenen sind weitere Anforderungen einzuhalten, um die Systemsicherheit des Stromnetzes zu wahren. Diese technischen Anforderungen sind in der EAAV geregelt.
Schaffung eines digitalen Registers für Einheiten- und Komponentenzertifikate
Die zweite wesentliche Komponente des Zertifizierungspakets ist die Einführung eines digitalen, online zugänglichen Registers für Einheiten- und Komponentenzertifikate sämtlicher Spannungsebenen („ZEREZ“). Geregelt ist dies in § 49d EnWG, der durch § 4 NELEV konkretisiert wird. ZEREZ dient unter anderem dazu, Prozesse zu entbürokratisieren und das Anschlussverfahren für EE-Anlagen dadurch zu beschleunigen. Das Register wird grundsätzlich vom BMWK betrieben. Es ist aber befugt, den Betrieb auf eine Behörde in seinem Geschäftsbereich zu übertragen oder eine fachlich qualifizierte Stelle mit dem Betrieb zu beleihen. Das BMWK hat die FGW e.V. – Fördergesellschaft Windenergie und andere Dezentrale Energien mit dem Betrieb des Registers beliehen.
Im Register werden alle Daten der Einheiten- und Komponentenzertifikate erfasst, die für den Netzanschluss von Erzeugungsanlagen erforderlich sind. Jedem Einheiten- oder Komponentenzertifikat wird eine Registriernummer zugeordnet, sodass es zweifelsfrei identifiziert werden kann. Nutzer des Registers können sich auf dessen Richtigkeit verlassen (§ 4 Abs. 8 NELEV).
Hersteller von Einheiten und Komponenten, Anlagenbetreiber und Netzbetreiber sind ab 1. Februar 2025 zur Nutzung von ZEREZ verpflichtet. Für Hersteller bedeutet dies, dass sie die für ihre Einheiten und Komponenten ausgestellten Zertifikate zur Registrierung an den Betreiber des Registers übermitteln müssen. Anlagenbetreiber haben im Betriebszulassungsverfahren für ihre Anlagen die Registriernummer an den Netzbetreiber zu übermitteln. Der Netzbetreiber ist wiederum verpflichtet, diese Registriernummer zu verwenden und darf die in den Einheiten- oder Komponentenzertifikaten enthaltenen Informationen nicht auf anderem Wege verlangen.
Ausblick
Das Zertifizierungspaket ist ein wichtiger (Zwischen-)Schritt zur Beschleunigung von Netzanschlüssen. Durch den Entfall des Anlagenzertifikats wird der Anschlussprozess für Anlagen mit einer installierten Leistung von bis zu 500 kW und einer maximalen Einspeiseleistung von 270 kW erleichtert. Davon profitieren in erster Linie die von der Erleichterung betroffenen Anlagenbetreiber selbst, also vor allem die Betreiber von großen PV-Dachanlagen. Die Zertifizierungsstellen werden aber insgesamt entlastet, sodass zu erwarten ist, dass weiterhin erforderliche Anlagenzertifikate künftig schneller ausgestellt werden. Durch die Einführung von ZEREZ wird der Anschlussprozess digitaler und entbürokratisiert. Zertifikate wurden bisher per Post oder E-Mail versandt, was im Anschlussprozess für Anlagen- und Netzbetreiber einen erheblichen Verwaltungsaufwand produziert hat. Durch die bloße Übermittlung der Registriernummer entfällt dieser Aufwand, was den Anschlussprozess beschleunigen sollte.
(2. Juli 2024)