Der 11. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg hat die Bundesregierung mit Urteilen vom 30. November 2023 verpflichtet, ein Sofortprogramm zum Klimaschutz zu erarbeiten und zu beschließen. Diese Entscheidung erfolgte auf Grundlage des Bundes-Klimaschutzgesetzes (KSG) und markiert eine bemerkenswerte Entwicklung in der rechtlichen Durchsetzung von Klimaschutzmaßnahmen in Deutschland. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hatten Klage erhoben und forderten die Regierung auf, ihren Verpflichtungen nachzukommen.
Das OVG hat festgestellt, dass die Bundesregierung ihren gesetzlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, da sie insbesondere in den Bereichen Verkehr und Gebäude keine geeigneten Maßnahmen ergriffen hat, um die gesetzten Klimaziele auch tatsächlich zu erreichen. Trotz entsprechender Vorgaben und der Feststellung des Expertenrates für Klimafragen (ERK), dass die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung unzureichend sind, hat die Bundesregierung kein Sofortprogramm vorgelegt, das den Anforderungen des KSG entspricht. Das aktuelle Klimaschutzprogramm prognostiziert eine deutliche Verfehlung der Klimaziele bis 2030 um mehr als 200 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent. Die bisherigen Anstrengungen wurden vom ERK als unzureichend eingestuft und auch die aktualisierten Klimaschutzprogramme erfüllten nicht die gesetzlichen Anforderungen, obwohl die Regierung über einen gewissen Handlungsspielraum verfüge. Die Regierung ist daher aufgefordert, ein Sofortprogramm zu erarbeiten, das die Einhaltung der Emissionsziele in den Bereichen Gebäude und Verkehr von 2024 bis 2030 sicherstellt.
Bemerkenswert an dem Urteil ist auch, dass das Gericht den Umweltverbänden die Klagebefugnis zuerkannte, obwohl das KSG eine solche explizit nicht vorsieht.
Das Urteil des OVG Berlin-Brandenburg hat – so es bestehen bleibt –erhebliche Auswirkungen auf die Rechtsdurchsetzung im Bereich des Klimaschutzes. Es schafft einen Präzedenzfall für die gerichtliche Überprüfung und Durchsetzung gesetzlich vorgeschriebener Klimaschutzmaßnahmen und hebt die Notwendigkeit einer effektiven Nachsteuerung bei Zielverfehlungen hervor. Obwohl unklar bleibt, welche unmittelbaren Auswirkungen das Urteil vor dem Hintergrund der bevorstehenden Novellierung des KSG haben wird, sendet es ein klares Signal aus, dass die Justiz bereit ist, eine aktivere Rolle bei der Durchsetzung von Klimaschutzzielen zu übernehmen.
Die Bundesregierung steht nun vor der Aufgabe, rasch zu handeln und ein Sofortprogramm zu entwickeln, das den Anforderungen des KSG gerecht wird und zur Eindämmung der Klimakrise beiträgt. Bundesverkehrsminister Wissing hat allerdings erklärt, dass die Bundesregierung gegen das Urteil des OVG in Revision gehen will. Gut möglich, dass die Regierung die Revision damit begründen wird, dass die Novelle des Klimaschutzgesetzes den Entscheidungen die Grundlage entziehe. Mit der geplanten Gesetzesänderung ist vorgesehen, die sektorspezifischen Emissionsziele zugunsten einer Gesamtbilanzierung aufzuheben. Dieser Schritt würde bewirken, dass die Emissionen nicht länger den einzelnen Ministerien zugerechnet werden können. Infolge dieser Neuausrichtung ist denn auch die Abschaffung der Sofortprogramme vorgesehen.
(22. Dezember 2023)