Die Bundesnetzagentur hat am 28. August 2024 die „Festlegung zur Verteilung von Mehrkosten in Netzen aus der Integration von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien“ beschlossen. Die Festlegung gibt einen Rahmen vor, durch den regionale Mehrkosten für den Ausbau erneuerbarer Stromerzeugung bundesweit unter den Endverbrauchern verteilt werden sollen. Die Entlastung für die Regionen mit hohen Netzentgelten soll zum 1. Januar 2025 wirken. Der Forderung nach bundeseinheitlichen Netzentgelte hat die Bundesnetzagentur hingegen eine Absage erteilt, weil nur besondere finanzielle Lasten des Zubaus von erneuerbaren Energien umverteilt werden sollen. Eine Nivellierung jeglicher Preisunterschiede wird hingegen nicht angestrebt.
Hintergrund
Die Kosten für die Integration erneuerbarer Energien treten bundesweit in unterschiedlichem Maße auf. Der Zubau von EE-Anlagen erfordert vor allem Netzausbau und Digitalisierung. Bis zum bedarfsgerechten Netzausbau fallen zudem Kosten für Redispatch-Maßnahmen an. Diese Netzkosten zahlen über die Netzentgelte die Stromverbraucher. Da sich die Netzentgelte nach dem Ort der Energieentnahme richten (§ 17 StromNEV), werden die Kosten für die Integration der EE-Anlagen in den jeweiligen Netzregionen getragen. Der Zubau von EE-Anlagen korrespondiert dabei nicht durchgängig mit der Entwicklung der Entnahmelast. Windenergieanlagen entstehen vorwiegend im Norden und großflächige Freiflächen-Photovoltaik überwiegend in ländlichen Regionen. Damit verteilen sich die Netzkosten für die Integration von EE-Anlagen aktuell nicht gleichmäßig unter den Netznutzern. In weiten Teilen Norddeutschlands sind die Netzentgelte spürbar höher als in anderen Regionen Deutschlands und auch innerhalb einiger Bundesländer gibt es erhebliche regionale Unterschiede. Die Netzentgelte reichen von 15 ct/kWh bis zu unter 5 ct/kWh.
Gestuftes Modell
Die Festlegung bezweckt eine Entlastung von Netzgebieten, die besonderen Kostenbelastungen ausgesetzt sind, und sieht dazu ein gestuftes Modell zur Sozialisierung der Kosten vor: Zunächst wird ermittelt, ob ein Netzbetreiber von einer besonderen Kostenbelastung aus dem Ausbau erneuerbarer Energien betroffen ist. Dafür hat die Behörde eine Kennzahl festgelegt, welche die ans Netz angeschlossene erneuerbare Erzeugungsleistung ins Verhältnis zur Verbrauchlast im Netzgebiet setzt (sog. Erneuerbare-Energien-Kennzahl, EKZ). Der EKZ soll für jede Netz- und Umspannebene ermittelt werden. Ergibt sich eine Mehrbelastung, erhalten die davon betroffenen Netzbetreiber einen finanziellen Ausgleich nach den Bestimmungen der Festlegung.
Die Mehrkosten sollen bundesweit über alle Stromverbraucher gleichmäßig verteilt werden. Die bisherige „§ 19-Umlage“, die schon heute für einen Ausgleich bestimmter Netzkosten zwischen allen Netznutzern sorgt, soll dafür „bürokratiearm und rechtssicher“ erweitert werden. „Der deutlichen Entlastung der betroffenen Regionen stehen damit überschaubare zusätzliche Kosten für alle Stromverbraucher gegenüber“, so die Bundesnetzagentur. Abschätzungen zum Ausgleich der Mehrkosten, dem sog. „Wälzungsvolumen“, und zu den konkreten Entlastungen bei einzelnen Netzbetreibern will die Bundesnetzagentur ab Mitte Oktober veröffentlichen. Refinanziert werden die Entlastungsbeträge über einen Aufschlag für besondere Netznutzung auf den Strompreis bei allen Stromverbrauchern. Die Höhe der Umlage teilen die Übertragungsnetzbetreiber am 25. Oktober 2024 mit.
Auswirkungen im Konzessionswettbewerb?
Netzbetreiber stehen grundsätzlich bei der Erbringung des Netzbetriebs nicht im Wettbewerb zueinander, weil Stromnetze sog. natürliche Monopole sind. Allerdings müssen sie sich bei der Konzessionsvergabe mindestens alle 20 Jahre dem sog. „Wettbewerb um das Netz“ stellen (§ 46 Abs. 2 Satz 1 EnWG). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen die Gemeinde die Preisgünstigkeit in Form der Netzentgelte zwingend zum Auswahlkriterium machen. Der Preisgünstigkeit kommt dabei entscheidende Bedeutung zu. Oftmals wird sie bei der Auswahlentscheidung mit 10-15 % der Punktzahl gewichtet. Wenn nun bestimmte Netzbetreiber infolge der durch die Festlegung vorgesehenen Sozialisierung der Mehrkosten niedrigere Netzentgelte anbieten können, stellt sich die Frage, ob diese Privilegierung auch im Konzessionswettbewerb fortzusetzen ist oder wie andere externe Faktoren zur Herstellung einer Vergleichbarkeit auszuklammern ist.
(3. September 2024)