Der Bundesgerichtshof („BGH“) hat in seinem Urteil vom 27. September 2023 (VIII ZR 263/22) die Anforderungen an Fernwärmeversorger bei der einseitigen Einführung neuer Preisanpassungsklauseln konkretisiert. Er hält zugleich fest, dass eine Bezugnahme auf den Wärmepreisindex des Statistischen Bundesamtes zur Abbildung des Marktelementes zulässig ist.
Preisänderungsklauseln sind typischer Bestandteil von Energielieferverträgen. Sie sollen das Kostenrisiko der Lieferanten aufgrund der häufig langen Vertragslaufzeiten absichern. Für die Preisänderungsklauseln in Fernwärmeverträgen stellt die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme („AVBFernwärmeV“) besondere Anforderungen auf. Nach § 24 Abs. 4 Satz 1 AVBFernwärmeV müssen Preisänderungsklauseln so ausgestaltet sein, dass sie sowohl die Kostenentwicklung bei Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme durch das Unternehmen als auch die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen. Das heißt, Preisänderungsklauseln müssen über ein Kostenelement die Erzeugungs- oder Beschaffungskosten des Fernwärmeversorgers abbilden sowie über ein Marktelement an den allgemeinen Wärmemarkt gekoppelt sein.
Der BGH hat sich in seinem Urteil vom 27. September 2023 (VIII ZR 263/22) mit der einseitigen Änderung von Preisänderungsklauseln durch Fernwärmelieferanten befasst. Er hat zugleich die Vorgaben zur Ausgestaltung von Kosten- und Marktelement durch Fernwärmeversorger konkretisiert.
Der BGH hält an seiner Rechtsprechung fest, dass Fernwärmeversorger bei Unwirksamkeit der von ihnen verwendeten Preisanpassungsklauseln berechtigt sind, diese einseitig zu ändern und eine wirksame Preisanpassungsklausel einzuführen (Senatsurteile vom 26. Januar 2022 – VIII ZR 175/19, und 6. April 2022 – VIII ZR 295/20). Dies gilt unabhängig davon, ob die bisherige Klausel von Vertragsbeginn an oder erst ab einem bestimmten Zeitpunkt nach Vertragsschluss unwirksam war. Voraussetzung für die einseitige Einführung einer neuen Klausel ist, dass die bisherige Klausel nach § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV in Verbindung mit § 134 BGB unwirksam ist, die angepasste Preisänderungsklausel den Anforderungen von § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV genügt und die Änderung vorab nach § 4 Abs. 2 AVBFernwärmeV öffentlich bekannt gegeben wird.
In seinem Urteil hält der BGH eine Preisänderungsklausel für den Arbeitspreis in einem Fernwärmeliefervertrag für wirksam, die sich je zur Hälfte nach dem Wärmepreisindex des Statistischen Bundesamtes und dem Bezugspreis für Fernwärme richtet, die der verklagte Fernwärmeversorger an seinen eigenen Fernwärmelieferanten zahlt. Der Wirksamkeit der Klausel stehe nicht entgegen, dass sie für den Startwert des Arbeitspreises das Jahr 2015, für das Markt- und Kostenelement jedoch das Jahr 2018 zugrunde lege.
Diese unterschiedlichen Bezugszeitpunkte stellen nach Ansicht des BGH keine unangemessene Benachteiligung dar. Vielmehr sieht der BGH die Fernwärmeversorger in der Pflicht, sich bei der (Neu-) Gestaltung von Markt- und Kostenelement einer angepassten Preisänderungsklausel möglichst nah an den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Einführung orientieren.
Die einseitige Festlegung eines neuen Startwert für den Arbeitspreis durch den Fernwärmeversorger ist ungewöhnlich. Ob der Fernwärmeversorgers hierzu berechtigt ist, richtet sich laut dem BGH danach, ob ein vertraglich vereinbarter Ausgangspreis bestimmt war. Nur wenn dies nicht der Fall sei, sei es Aufgabe des Fernwärmeversorgers, einen Ausgangspreis zu bestimmen. Ein solcher Fall liege zum Beispiel bei einer vorangegangen Vertragsverlängerung vor. Der Ausgangspreis müsse das zwischen den Parteien ursprünglich vereinbarte Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung angemessen berücksichtigen. Die Orientierung des verklagten Fernwärmeversorgers an der vom BGH entwickelten, sog. Dreijahreslösung erachtete der BGH in seinem Urteil für angemessen. Die Rechtsprechung zur Dreijahreslösung besagt, dass Kunden den Teil der Vergütung, den sie aufgrund einer unwirksamen Preisänderungsklausel zu viel gezahlt haben, nur dann zurückfordern können, wenn sie die entsprechenden Jahresabrechnungen innerhalb von drei Jahren beanstanden. Vereinfacht ausgedrückt kann ein Kunde im Falle einer unwirksamen Preisänderungsklausel nicht die Zahlungen für den gesamten Vertragszeitraum, sondern nur die letzten drei Jahre rückabwickeln.
Daneben hält der BGH in seinem Urteil fest, dass eine Abbildung des Marktelements durch den Wärmepreisindex des Statistischen Bundesamtes möglich und rechtmäßig ist. Über eine Bezugnahme auf den Wärmepreisindex beim Marktelement war bisher noch nicht vom BGH entschieden worden Die Klarstellung ist vor dem Hintergrund der nach wie vor bestehenden Unsicherheit über die wirksame Gestaltung einer Preisänderungsklausel zu begrüßen.
Gleichzeitig betont der BGH, dass den Versorgungsunternehmen bei der Verwendung von Preisanpassungsklauseln ein eigener Gestaltungsspielraum zukommt. § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV lege die für eine Preisanpassung maßgeblichen Berechnungsfaktoren nicht selbst fest, sondern überlasse es den Versorgungsunternehmen – unter Einhaltung von Transparenzerfordernissen, Kosten- und Marktorientierung – entsprechende Preisänderungsklauseln zu entwickeln und zu verwenden. Gäbe es mehrere zulässige Gestaltungsvarianten, sei der Versorger nicht verpflichtet, die für den Kunden günstigste Variante zu wählen, sondern könne frei wählen.
(13. November 2023)