Raue Gutachten: Stromerlösabschöpfung verstößt gegen EU-Vorgaben und das Grundgesetz

Ein von Raue für den Hamburger Energieversorger Lichtblick erstelltes Rechtsgutachten kommt zu dem Schluss, dass die von der Bundesregierung angestrebte Abschöpfung von „Übererlösen“ bei Stromerzeugern gegen das zugrunde liegende EU-Recht und gegen das Grundrecht auf Eigentumsgarantie in der deutschen Verfassung verstößt, sowie eine nach der Finanzverfassung des Grundgesetzes unzulässige Sonderabgabe darstellt. Zudem konterkariert die Gesetzesnovelle auch die Absicht zum Ausbau erneuerbarer Energien.

Der durch das Strompreisbremsengesetz geplante Mechanismus zur Erlösabschöpfung führt zu tiefgreifenden Verzerrungen auf dem deutschen Strommarkt. Dadurch ist nicht nur eine Preissteigerung zu erwarten, sondern auch eine Blockade des weiteren Ausbaus der Erneuerbaren Energien sowie in Einzelfällen die Zahlungsunfähigkeit der Anlagenbetreiber.

Die vom Bundeswirtschaftsministerium ausgearbeitete Formulierungshilfe für ein Strompreisbremsengesetz soll die Europäische Notfallverordnung in nationales Recht umsetzen. Anstelle des in der Notfallverordnung vorgesehenen Caps von 180 EUR/MWh will die Bundesregierung jedoch Erzeuger abhängig von der genutzten Technologie und bei EE-Anlagen bis zu dem anzulegenden Wert abschöpfen. Außerdem kommt es für Neuverträge nicht auf die tatsächlichen Einnahmen an, sondern auf fiktive Erlöse am Kurzfristmarkt. Die Abschöpfung „fiktiver Erlöse“, entspricht jedoch nicht der EU-Vorgabe, die nur die Abschöpfung „realisierter Erlöse“ zulässt. Diese Einschränkung hat der Europarat in der Verordnung bewusst eingebaut, um Stromabnahmeverträge, sogenannte Power Purchase Agreements (PPA), nicht zu gefährden. Mit ihrem Gesetz hintertreibt die Bundesregierung diesen Schutz und nimmt damit ein Einbrechen des PPA-Markts in Kauf. Um das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden, werden Erzeuger künftig auf PPAs und Terminvermarktungen verzichten und stattdessen ihre Anlagen nur noch über den Spotmarkt vermarkten. Das erschwert wiederum Stadtwerken und anderen Versorgern den Abschluss von langfristigen Verträgen zu kalkulierbaren Preisen. Unter der daraus resultierenden Angebotsverknappung leiden sowohl die Endverbraucher als auch die Industrie.

Die Abschöpfung inexistenter Erlöse verletzt zudem die Eigentumsgarantie nach Artikel 14 des Grundgesetzes, denn laut Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürften staatliche Abgabenlasten keine konfiskatorische Wirkung entfalten. Zudem handelt es sich bei der Abschöpfung um eine unzulässige Sonderabgabe. Nach der Finanzverfassung des Grundgesetzes können statt allgemeiner Steuern nur unter sehr eng begrenzten Voraussetzungen Sonderabgaben von einer Gruppe von Unternehmen erhoben werden. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, insbesondere fehlt es an der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Gruppennützigkeit der Abgabe.

Die Pressemeldung von LichtBlick und eine Kurzzusammenfassung ausgewählter Aspekte des Gutachtens kann hier abgerufen werden.

(24.November 2022)