Die geplante Mehrerlösabschöpfung im Stromsektor ist rechtlich nicht haltbar

Das in der vergangenen Woche bekannt gewordene Arbeitspapier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sieht technologiespezifische Erlösobergrenzen sowie eine rückwirkende Erlösabschöpfung seit dem 1. März 2022 vor.

Raue ist in einem Gutachten für den Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) zu dem Ergebnis gekommen, dass die geplante Erlösabschöpfung sowohl nach EU-Vorgaben als auch nach nationalem Verfassungsrecht unzulässig ist.

Danach verstößt eine technologiespezifische Erlösobergrenze gegen die EU-Verordnung, die technologiespezifische Caps nur unter strengen Voraussetzungen zulässt. Eingriffe müssen verhältnismäßig und diskriminierungsfrei sein, dürfen Investitionssignale nicht gefährden und müssen mit dem Unionsrecht vereinbar sein. Eine technologiespezifische Erlösobergrenze, die an die unterschiedlichen Grenzkosten anknüpft, setzt entgegen der Zielsetzung der EU-Verordnung den Preiswettbewerb verschiedener Erzeugungstechnologien außer Kraft.

Zudem würden technologiespezifische Erlösobergrenzen zulasten der Erneuerbaren Energien Investitionssignale gefährden. Bereits durch eine einheitliche Erlösobergrenze zeichnet sich ein Investitionsrückgang ab. Dieser würde bei einer darunter liegenden Erlösobergrenze für bestimmte Technologien noch verstärkt. Angesichts der sinkenden Rentabilität von Investitionen besteht die Gefahr, dass die Strompreise weiter steigen, wodurch das eigentliche Ziel der EU-Verordnung konterkariert würde.

Eine technologiespezifische Erlösobergrenze wäre auch nach den Maßstäben des nationalen Verfassungsrechts unzulässig. Das deutsche Recht sieht Maßnahmen, die an Erlöse anstelle von Erträgen anknüpfen, bislang nur als Sanktionsmaßnahmen im Strafrecht und im Kartellrecht vor. Nach den bekannt gewordenen Plänen des BMWK fließen tatsächlich erwirtschaftete Gewinne überhaupt nicht in die Berechnung ein, was einen ungerechtfertigten Eingriff in das Eigentumsrecht nahelegt.

Das Gutachten kommt darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass eine rückwirkende Erlösabschöpfung verfassungsrechtlich unzulässig wäre. Eine solche Abschöpfung bereits seit dem 1. März 2022 stellt eine „echte“ Rückwirkung dar. Ein zwingender Gemeinwohlbelang, der dies rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich.

(26. Oktober 2022)