Ermittlung der Kapitalkosten für die Entgelt­regulierung

Entgelte für Dienstleistungen in monopolisierten Märkten müssen häufig bereits vorab durch die zuständige Regulierungsbehörde genehmigt werden (Ex-ante-Regulierung). Beispiele sind die Vorleistungsentgelte im Telekommunikationsrecht, die Netznutzungsentgelte im Energierecht, die Flughafen-Benutzungsentgelte (Entgelte für Start, Landung, Abfertigung von Passagieren, Abstellen von Flugzeugen sowie die Entgelte für die Nutzung der Flughafeninfrastruktur durch Bodenabfertigungsdienstleister) oder die Entgelte im Postbereich (Briefporto für Einzelbriefsendungen und etwa sogenannte Teilleistungen). Andere Entgelte unterliegen der nachträglichen Regulierung (Ex-post-Regu­lierung), dann kann die Regulierungsbehörde diese Entgelte nachträglich untersagen oder abweichende Entgelte anordnen. Zuständige Regulierungsbehörde ist häufig die Bundesnetzagentur (BNetzA), zum Teil sind jedoch auch Landesbehörden zuständig (etwa bei den Flughafenentgelten).

Maßstab der Entgeltregulierung sind grundsätzlich die Kosten des Anbieters der betreffenden Dienstleistung. Sie setzen sich zusammen aus tatsächlich anfallenden (pagatorischen) und kalkulatorischen Kosten. Letztere bilden die Kosten des eingesetzten Kapitals (Kapitalkosten) ab. Sie bestehen aus den Abschreibungen auf das Sachanlagevermögen und der Verzinsung des im Anlagevermögen gebundenen Kapitals. Auf die Kapitalkosten entfällt meist ein erheblicher Teil der Gesamtkosten. Die Ermittlung dieser Kapitalkosten ist methodisch schwierig und hängt von der Auswahl der ökonomischen Methode ab, mit der die Abschreibungen und die Kapitalverzinsung berechnet werden.

Bewertung des Anlagevermögens

Von zentraler Bedeutung für die Methodenwahl ist die Bewertung des Anlagevermögens. Sie kann auf der Grundlage der historischen (d. h. der Anschaffungs- und Herstellungskosten) oder der Wiederbeschaffungskosten vorgenommen werden. Die Wiederbeschaffungskosten können anhand der heutigen Preise für das betreffende Wirtschaftsgut ermittelt werden oder durch die Anwendung eines Preisindex auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten. Die Abschreibungsdauer ist aufgrund der ökomischen Nutzungsdauer des jeweiligen Wirtschaftsguts zu bestimmen; sie kann länger sein als die steuerlich zulässige Abschreibungszeit, die meist in der kaufmännischen Buchführung des Unternehmens angesetzt wird.

Eine Abschreibung unter Null ist auch bei dem Ansatz von Wiederbeschaffungskosten unzulässig. Dies ist für die Netznutzungsentgelte im Energierecht in § 6 Abs. 6 Satz 5 der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) und der Gasnetzentgeltverordnung (GasNEV) ausdrücklich bestimmt. Etwas anderes soll nach der Regulierungspraxis der BNetzA im Telekommunikationsrecht gelten. Die BNetzA berechnet die Entgelte in jeder Entgeltgenehmigung anhand der Kosten, die für die Verlegung neuer Kupferkabel anfallen würden. Anhand dieser Annahme bestimmt sie auch die Abschreibungszeit. Dies hat dazu geführt, dass die Nutzer mit ihren Entgelten seit 1999 die Kosten für die Neuverlegung des Hauptkabels bereits einmal vollständig bezahlt haben. Dies, obwohl die Kupferhauptkabel schon 1999 nicht neu waren, sondern im Durchschnitt schon seit mindestens 20 Jahren genutzt wurden. Nach dem Konsultationsentwurf für die Neugenehmigung der Entgelte ab 1. Juli 2016 (BK 3c-16/005) sollen die Nutzer nun die Kosten für die Neuverlegung der Kupferhauptkabel noch ein zweites Mal bezahlen. Die Telekom erhält dadurch ein Mehrfaches der Kapitalkosten vergütet, die sie tatsächlich für ihre Kupferhauptkabel aufwenden muss.

Ermittlung der Kapitalzinsen

Die Kapitalzinsen sind anhand der gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten zu ermitteln (Weighted Average Cost of Capital, WACC). Nach dieser Methodik wird ein aus dem Eigenkapital und dem Fremdkapital des regulierten Unternehmens zusammengesetzter, gewichteter Kapitalkostenzinssatz gebildet. Er setzt sich zusammen aus einem Eigenkapital- und einem Fremdkapitalzinssatz. Die Gewichtung der beiden Zinssätze in den WACC richtet sich nach der tatsächlichen Kapitalstruktur des Unternehmens (Eigenkapital-/Fremdkapitalquote). Der Eigenkapitalzinssatz innerhalb der WACC wird heute größtenteils nach dem Capital Asset Pricing Model (CAPM) festgelegt. Für die Festlegung des Fremdkapitalzinssatzes kann entweder auf die tatsächlichen Fremdkapitalkosten des Unternehmens oder auf die Credit-Spread-Methode zurückgegriffen werden.

Innerhalb des CAPM sind für den Eigenkapitalzinssatz verschiedene Faktoren maßgeblich:

  • der risikofreie Zinssatz,
  • die allgemeine Marktrisikoprämie (vielfach gebildet aus einer Gesamtrenditeerwartung abzüglich des risikofreien Zinses, Total-Market-Return-Methode),
  • der sog. Beta-Faktor als Kennzahl für das individuelle Risiko des regulierten Geschäftsbereichs.

Jede dieser Variablen hat erheblichen Einfluss auf die Höhe des sich ergebenden Eigenkapitalzinssatzes. Ihre Ermittlung durch die regulierten Unternehmen im Rahmen der Antragstellung und ihrer Überprüfung durch die Regulierungsbehörden liegen zumeist Gutachten ökonomischer Sachverständiger zugrunde, die die Faktoren aus langjährigen Durchschnittswerten und/oder Vergleichswerten verwandter Unternehmen oder Branchen ableiten.

Die einzelnen Regulierungsvorschriften wie das Telekommunikationsgesetz (TKG), das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und die auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen, das Luftverkehrsgesetz (LuftVG) oder das Postgesetz (PostG) enthalten weitere Vorgaben für die Ermittlung der WACC. Die Einhaltung dieser Vorgaben liegt sowohl im Interesse der Nutzer der Dienstleistungen, die die sich ergebenden Entgelte entrichten müssen, als auch der regulierten Unternehmen, die im Rahmen der Antragstellung selbst eine Kapitalkostenermittlung vorzunehmen haben und die Genehmigung ihrer Entgelte durchsetzen wollen. Auf beiden Seiten empfiehlt sich daher nicht nur eine ökonomische, sondern insbesondere auch eine juristische Beratung, um eine Auswahl zwischen den vielen verschiedenen sich bietenden ökonomischen Ermittlungsmethoden und Ergebnissen sowie deren Akzeptanz durch den jeweiligen Regulierer ermöglicht.

Zur Vertiefung:

  • Kleinlein/Schubert, Thesenpapier „Preiskontrolle marktbeherrschender Unternehmen im Lichte der Rechtsprechung
  • Kleinlein/Schubert, Kontrolle von Entgelten monopolistischer und marktbeherrschender Anbieter, NJW 2014, S. 3191-3198.
  • Kleinlein/Schubert, Die Anfechtung von Entgeltgenehmigungen im Telekommunikations- und im Postgesetz, NJW 2015, S. 1413.
  • Kleinlein/Schubert, Entgeltregulierung am Scheideweg – Gesetzlich determinierte Kostenprüfung oder Abwägung von Regulierungszielen?, in: Netzwirtschaften und Recht (N&R) 2013, S. 185-193.

(31. Mai 2016)