Europäische Kommission macht Ernst gegenüber Digitalkonzernen

Am 7. März 2024 sind die neuen Verhaltenspflichten des Digital Markets Act (DMA) für sechs Gatekeeper-Unternehmen in Kraft getreten. Keine drei Wochen später hat die Europäische Kommission bereits ein starkes Signal für faire Wettbewerbsbedingungen im digitalen Raum und ihre eigene Einsatzbereitschaft gesetzt: Sie hat am 25. März 2024 gleich fünf Verfahren gegen die Tech-Giganten Apple, Alphabet und Meta eingeleitet. Die Brüsseler Behörde geht davon aus, dass alle drei Konzerne gegen die Verpflichtungen des DMA verstoßen haben könnten, und droht mit Strafen von bis zu zehn Prozent des weltweiten jährlichen Umsatzes.

Alphabet und Apple stehen im Fokus der Untersuchungen, da ihre AppStore-Regeln in Verdacht stehen, App-Entwicklern unzulässig zu erschweren, Nutzer zu Angeboten außerhalb des AppStores zu leiten. Ein weiteres Verfahren gegen Alphabet zielt darauf ab, einer mutmaßlichen Bevorzugung eigener Dienste wie Google Shopping und Google Hotels in den Suchergebnissen der Google Search nachzugehen. Apple wird zudem vorgeworfen, die Einrichtung alternativer Standard-Apps von Drittherstellern zu erschweren. Außerdem wird  das neue „pay or consent“-Modell von Meta daraufhin untersucht, ob es eine hinreichende Alternative für Nutzer bietet, die der Zusammenführung ihrer persönlichen Daten durch Meta nicht die Zustimmung erteilen. Die Europäische Kommission strebt an, die Verfahren innerhalb von zwölf Monaten abzuschließen, was eine erhebliche Beschleunigung gegenüber früheren Kartellverfahren bedeuten würde.

Schließlich teil die Kommission mit, sie führe bereits weitere Ermittlungen durch. Gegen Amazon bestehe der Verdacht einer unzulässigen Bevorzugung der eigenen Produkte gegenüber Angeboten Dritter auf dem Amazon Marketplace. Außerdem würden die neuen Regeln von Apple für alternative AppStores und App-Installationen über das Web (Sideloading) genauer überprüft. Sollten sich die Bedenken erhärten, könnte auch insoweit förmliche Verfahren eröffnet werden.

Zum Hintergrund

Neben Apple, Alphabet und Meta sind auch Amazon, Microsoft und ByteDance (Anbieter von TikTok) designierte Adressaten des DMA. Für insgesamt 22 Dienste dieser Unternehmen gelten besondere Anforderungen, die – in Ergänzung zu den traditionellen wettbewerbsrechtlichen Instrumenten – den Wettbewerb und die Marktbeteiligten vor einem Missbrauch der strukturellen Überlegenheit schützen sollen.

Die Verhaltenspflichten des DMA sollen Verhaltensweisen vorbeugen, die in der Vergangenheit den Wettbewerb behindert und Wettbewerber der Gatekeeper strukturell benachteiligt haben. Hierzu zählen unter anderem:

  • Selbstbegünstigung: Die Bevorzugung eigener Dienste oder Produkte auf Plattformen ist Gatekeepern untersagt.
  • Interoperabilität: Wettbewerber der Gatekeeper müssen Möglichkeiten haben, kompatible Produkte oder Dienstleistungen anzubieten.
  • Datenzugang: Unternehmen müssen Zugang zu den Daten erlangen können, die sie und ihre Kunden auf der Plattform erzeugen. Sie müssen als Werbetreibende auch Zugriff auf solche Daten erhalten, die ihnen eine eigene Bewertung von Werbemaßnahmen ermöglichen.
  • Exklusivität: Unternehmen müssen die Möglichkeit haben, Endkunden auf ihre Angebot außerhalb des Plattformangebots hinzuweisen und dort Verträge zuschließen. Endkunden müssen die Möglichkeit haben, auf Betriebssystemen und Endgeräten Software und Apps von Drittherstellern zu installieren.

Die Europäischen Kommission wird bei der Durchsetzung des DMA in Deutschland vom Bundeskartellamt unterstützt. Das Bundeskartellamt kann eigenständig potenzielle Verstößen gegen den DMA untersuchen und zudem Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb einer verschärften nationalen Missbrauchsaufsicht unterwerfen (§ 19a GWB). Das hat das Bundeskartellamt für die Unternehmen Meta, Apple, Amazon und Alphabet bereits getan. Eine entsprechendes Verfahren gegen Microsoft läuft derzeit noch.

Der DMA bietet allen Beteiligten digitaler Märkte einen Rechtsrahmen, um sich gegen die übermächtigen Plattformen zu Wehr zu setzen, die über den Zugang zu ihrer digitalen Diensten zugleich den Zugleich zu Endkunden kontrollieren. Dies ist durch Eingaben bei der Europäischen Kommission oder dem Bundeskartellamt, aber auch auf zivilgerichtlichem Wege möglich (Private Enforcement). Verstöße gegen den DMA sind rechtswidrig, entsprechende Vorgaben der Gatekeeper unwirksam und können zu Schadensersatz berechtigen (§ 33a GWB), insbesondere zum Ersatz des aufgrund der Behinderung über die Zeit entgangenen Gewinns. Rechtskräftige Entscheidungen der Europäischen Kommission über DMA-Verstöße sind zudem für deutsche Gerichte in Schadensersatzprozessen bindend (§ 33b GWB), so dass im folgenden Schadensersatzprozess regelmäßig nur noch Kausalität und Schadensumfang darzulegen sind.

Raue unterstützt Unternehmen, die der überlegenen Marktmacht von Gatekeepern ausgesetzt sind, von der rechtlichen Bewertung der wettbewerbsschädigenden Praktiken und belastbaren Dokumentation bis hin zur Entwicklung einer kostenbewussten und zielorientierten Strategie für zur Durchsetzung der Interessen unserer Mandanten. Dabei setzen wir auf unsere umfassenden Erfahrungen im Austausch mit europäischen Wettbewerbsbehörden, unsere Expertise im Bereich von Kartellprozessen und Kartellschadensersatzverfahren und ein interdisziplinäres und eingespieltes Team von Beraterinnen und Beratern.

(26. März 2024)