Mitteilung der Europäischen Kommission (2020/C 108 I/01)

Nachdem schon das BMWi auf die erleichterte Anwendung des Vergaberechts während der Gesundheitskrise hingewiesen hat, teilte nun auch die Europäische Kommission Leitlinien zur europaweiten Vergabe von öffentlichen Aufträgen zur Beschaffung der zur Krisenbewältigung erforderlichen Leistungen mit. Hierbei handelt es sich um Auslegungshilfen, die unter dem Vorbehalt der Auslegung des EuGH stehen.

Zunächst weist die Kommission darauf hin, dass zur Deckung des mittelfristigen Bedarfs eine Beschleunigung der Regelverfahren möglich ist. Kann der Auftraggeber eine die Einhaltung der Fristen unmöglich machende Dringlichkeit begründen, können die Fristen verkürzt werden. In einem offenen Verfahren kann die Frist für die Einreichung von Angeboten von 35 Tagen auf 15 Tage verkürzt werden (Art. 27 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24/EU). In einem nicht offenen Verfahren kann die Frist für die Einreichung von Teilnahmeanträgen von 30 Tagen auf 15 Tage und die Frist zur Einreichung von Angeboten sogar auf 10 Tage verkürzt werden (Art. 28 Abs. 6 der Richtlinie 2014/24/EU).

Außerdem stellt die Kommission klar, dass die kurzfristige Bedarfsdeckung mithilfe des Verhandlungsverfahrens ohne Veröffentlichung (Art. 32 Abs. 2 c) der Richtlinie 2014/24/EU) erfolgen kann. Hierbei können öffentliche Auftraggeber direkt mit potenziellen Auftragnehmern verhandeln ohne bestimmte verfahrenstechnische Anforderungen wie Fristen zu beachten. Eine direkte Vergabe des Auftrags an ein vorab ausgewähltes Unternehmen sei jedoch nur dann zulässig, wenn nur ein Unternehmen in der Lage sein würde, den Auftrag unter den durch die Dringlichkeit auferlegten Zwängen zu erfüllen.

In der Mitteilung der Kommission wird dargelegt, wie sich die aktuelle Sachlache im Hinblick auf die grundsätzlich eng zu verstehenden Voraussetzungen für die Durchführung dieses Verfahrens darstellt:

  • Erstens stellten die ansteigende Zahl der Covid-19-Patienten und der damit einhergehende Bedarf von Gesundheitseinrichtungen „Ereignisse, die die betreffenden öffentlichen Auftraggeber nicht voraussehen konnten“ dar.
  • Zweitens sei das Vorliegen einer „zwingenden Dringlichkeit, die die Einhaltung der allgemeinen Fristen nicht zulässt“ vom Auftraggeber jeweils im Einzelfall zu prüfen
  • Drittens bestehe auch der „Kausalzusammenhang zwischen dem nicht voraussehbaren Ereignis und der zwingenden Dringlichkeit“, wenn es um die Erfüllung des unmittelbaren Bedarfs der Gesundheitseinrichtungen gehe.
  • Viertens dürfe es sich nur um „Maßnahmen lediglich zur Überbrückung bis langfristige Lösungen verfügbar sind“, handeln.

Darüber hinaus könnten die öffentlichen Auftraggeber mit potentiellen Auftragnehmern innerhalb und außerhalb der EU in einer beliebigen Form Kontakt aufnehmen. Es könnten Agenten mit Kontakten zu den Märkten beauftragt werden oder Vertreter in die Länder entsendet werden, die über die erforderlichen Lagerbestände verfügen. Daneben gebe es bereits Initiativen der Kommission und der Mitgliedsstaaten für gemeinsame Einkäufe, beispielsweise von medizinischen Ausrüstungen.

Schließlich sollten es Auftraggeber in Erwägung ziehen, alternative Lösungen zu prüfen und sich am Markt zu beteiligen. Dies sei insbesondere bei Lieferengpässen sinnvoll. Es könnten innovative digitale Instrumente, wie Hackathons (zeitlich begrenzte Veranstaltungen zur Lösungsfindung) für neue Konzepte durchgeführt werden, die zum Beispiel die Wiederverwendung von Schutzmasken nach der Reinigung, einen wirksamen Schutz des medizinischen Personals oder das Aufspüren des Virus in der Umgebung ermöglichen. Ebenso empfiehlt die Kommission eine engere Zusammenarbeit mit Innovationsökosystemen oder Unternehmernetzwerken.

(8. April 2020)