BGH zu Schadensersatz wegen Vergaberechts­verstoß

Der Bundesgerichtshof hat im September 2019 eine wichtige Entscheidung getroffen zu Schadensersatzansprüchen der Teilnehmer eines Vergabeverfahrens nach einem Verstoß des Auslobers gegen das Vergaberecht. Damit ist eine offene Verfahrensfrage beantwortet: Schadensersatz kann ein Teilnehmer auch verlangen, ohne zuvor ein vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren durchgeführt zu haben.

Durch die Teilnahme an einem Vergabeverfahren entsteht ein Schuldverhältnis. Die Teilnehmer können vom Auftraggeber verlangen, dass er das Vergaberecht beachtet. Wenn er das nicht tut, dann haben die Teilnehmer im Grundsatz einen Anspruch auf Schadensersatz. In der Regel geht der Anspruch allerdings nur auf den sog. Vertrauensschaden, also die Kosten der Bewerbung. Weil eigener Aufwand (Ressourcen, Personal, usw.) von der Rechtsprechung nicht als Schaden anerkannt wird, hilft das oft nicht viel und interessiert keinen. Anders ist das grundsätzlich nur dann, wenn der Teilnehmer nachweisen kann, ohne den Vergaberechtsverstoß der Gewinner des Vergabeverfahrens gewesen sein zu müssen. Das ist insbesondere der Fall, wenn es nur zwei Bieter gibt und sich im Nachhinein herausstellt, dass der Auftraggeber den Falschen ausgewählt hat. Dann muss der „eigentliche“ Gewinner so gestellt werden, als hätte er das Vergabeverfahren gewonnen. Er kann dann auch den Ersatz des entgangenen Gewinns verlangen, was mehr interessiert.

Die Rechtsprechung ist zum Teil davon ausgegangen, dass Schadensersatz nur verlangt werden kann, wenn zuvor vergaberechtlicher Rechtsschutz versucht wurde. Zum Beispiel hat das Oberlandesgericht Celle 2018 entschieden, ein Bieter könne in einem Schadensersatzprozess einen Vergaberechtsverstoß nicht mehr geltend machen, wenn er diesen nicht zuvor in einem Nachprüfungsverfahren nach den Regeln des GWB bekämpft habe (OLG Celle, Urteil vom 18. Januar 2018, Az.: 11 U 121/17). Man musste dem Oberlandesgericht Celle zugeben, dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Sachen „Westtangente Rüsselsheim“ (Urteil vom 19. April 2016, Az.: X ZR 77/14) zur Pauschalvergütung von Lösungsvorschlägen nach der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) in diese Richtung gelesen werden konnte (dagegen: Schweer/Heller, VergabeR 2016, S. 1 ff.).

Der BGH hat in der Entscheidung vom 17. September 2019 (Az.: X ZR 124/18) jetzt klargestellt: Ein Nachprüfungsverfahren ist nicht zwingende Voraussetzung für den Schadenersatzanspruch. Im zu entscheidenden Fall war ein Bieter vergaberechtswidrig von einem Verfahren zur Vergabe von Lärmschutzwänden ausgeschlossen worden. Der Bieter, der unstreitig das beste Angebot abgegeben hatte, rügte dies zwar, ließ sich dann aber vom Auftraggeber überreden, die Rüge zurückzunehmen und nicht weiter um die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses zu streiten. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs stand dieses Verhalten einem Anspruch auf Schadensersatz nicht entgegen. Das Vergaberecht kenne keine Regelung wie § 839 Abs. 3 BGB; danach ist für Schadenersatzansprüche bei Amtspflichtverletzung vorgeschrieben, vorrangig den sog. Primärrechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Im Vergaberecht verbiete sich auch eine entsprechende Anwendung, weil die Vergabe von Aufträgen nicht mit einer Amtsführung vergleichbar sei (so schon am Rande BGH, Urteil vom 18. Juni 2019, Az.: X ZR 86/17).

(4. Dezember 2019)