Raue erstreitet Grundsatz­entscheidung des BAG zu Wegezeiten im ÖPNV

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat festgestellt, dass der Weg des Fahrpersonals von zu Hause zur Ablösestelle und nach Dienstende zurück keine Arbeitszeit im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne darstellt. Folglich hat der Betriebsrat (oder Personalrat) kein Mitbestimmungsrecht bezogen auf diese Zeiten. Sie sind nicht in den mitbestimmten Dienstplan einzustellen (BAG vom 22.10.2019 – 1 ABR 11/18). Raue hat die Berlin Transport GmbH, eine Tochtergesellschaft der Berliner Verkehrsbetriebe, in diesem Verfahren erfolgreich vor dem Bundesarbeitsgericht vertreten.

Auf den ersten Blick klingt diese Feststellung banal, auf den zweiten Blick verbirgt sich dahinter ein Problem von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung für den ÖPNV. Die Ablösung des Fahrpersonals, insbesondere in Ballungszentren, erfolgt häufig außerhalb von Betriebshöfen „auf Strecke“. Bei der Ablösung „auf Strecke“ besteht keine Möglichkeit, dem Fahrpersonal die benötigten Arbeitsmittel (Fahrmodule, Formulare, Schlüssel, zum Teil auch Kasse und Wechselgeld) vor Ort auszuhändigen. Die Beschäftigten müssen diese notwendigen Arbeitsmittel daher nach Dienstende mit nach Hause nehmen, verwahren und zum nächsten Dienst mitbringen.

Der Betriebsrat der Berlin Transport GmbH, eine Tochtergesellschaft der Berliner Verkehrsbetriebe, war der Ansicht, dass der Weg von und zur Arbeit aufgrund der damit verbundenen Belastungen Arbeitszeit im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne darstellt und der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG unterliegt. Er forderte die Einstellung dieser Wegezeiten in die Dienstpläne. Dies wiederum hätte zu einer drastischen Verkürzung der Leistungszeiten und erheblichem Mehrbedarf an Fahrpersonal geführt.

Das Bundesarbeitsgericht ist dem entgegengetreten. Der Weg von und zur Arbeit ist der Privatsphäre der Beschäftigten zuzuordnen. Die Dauer des Weges sei von dem frei gewählten Wohn- oder Aufenthaltsort der Beschäftigten abhängig, auf die der Arbeitgeber keinen Einfluss habe. Durch das Mitführen von Arbeitsmitteln werde den Beschäftigten kein zusätzlicher Zeitaufwand vom Arbeitgeber abgefordert.

Die Entscheidung hat Bedeutung über den ÖPNV hinaus. Arbeitnehmer führen in der Regel notwendige Arbeitsmittel – und seien es nur Schlüssel oder Keycards – bei sich. Im Hinblick auf die ausufernde Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Anerkennung von Wege- und Reisezeiten als Arbeitszeit ist diese Grenzziehung zu begrüßen.

(7. Februar 2020)