Drum frag‘, bevor du dich ewig bindest – Neues zur sachgrundlosen Befristung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit seinem Urteil vom 21. August 2019 (7 AZR 452/17) zur Frage der zeitlichen Beschränkung des Verbots der Vorbeschäftigung für eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsverhältnisses nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG Stellung genommen. Es hat in seiner Entscheidung die zeitliche Reichweite des Vorbeschäftigungsverbots konkretisiert.

Der Fall

Die Klägerin war bei der Beklagten vom 22. Oktober 1991 bis zum 30. November 1992 als Hilfsbearbeiterin für Kindergeld beschäftigt. 22 Jahre später schloss die Klägerin 2014 mit der Beklagten erneut einen sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrag als Telefonserviceberaterin im Servicecenter. War diese sachgrundlose Befristung wirksam?

Das Problem

Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist eine sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrages nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Zur Reichweite dieses Vorbeschäftigungsverbotes hat das BAG seit 2011 die Auffassung vertreten, dass vorangegangene Arbeitsverhältnisse, die mehr als drei Jahre zurückliegen, einer sachgrundlosen Befristung nicht entgegenstehen. Diese Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG hat das BVerfG im vergangenen Jahr für verfassungswidrig erklärt (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 06.06.2018, 1 BvL 7/14, 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14), da die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung durch das BAG überschritten worden seien. Das BVerfG ließ jedoch in seiner Entscheidung ein weiteres Schlupfloch. Das Verbot der sachgrundlosen Befristung des Arbeitsvertrages könne insbesondere unzumutbar sein, wenn eine Vorbeschäftigung „sehr lang“ zurückliegt, „ganz anders geartet“ war oder „von sehr kurzer Dauer“ gewesen ist.

Bereits im Januar 2019 konnte das BAG in zwei Entscheidungen (7 AZR 13/17 und 7 AZR 733/16) von seiner bisherigen Rechtsprechung abkehren und die Vorgaben des BVerfG konkretisieren. Es hat eine sachgrundlose Befristung für unwirksam erklärt, wenn zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber bereits fünfeinhalb Jahre zuvor für eine Dauer von etwas über einem halben Jahr ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, das eine vergleichbare Arbeitsaufgabe zum Gegenstand hatte. Auch eine Vorbeschäftigung, die acht Jahre zurückliegt, sei kein „sehr langer“ Zeitraum im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG.

Nun stand ein 22 Jahre zurückliegendes Arbeitsverhältnis auf dem Prüfstand.

Das Urteil

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 21. August 2019 (7 AZR 452/17) entschieden, dass eine 22 Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung „sehr lange“ zurück-liegt und daher § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfassungskonform einzuschränken ist. Das Verbot der sachgrundlosen Befristung sei in dem Fall unzumutbar. Besondere Um-stände, die dennoch die Anwendung des in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bestimmten Verbots gebieten könnten, haben nicht vorgelegen. Die Klägerin durfte im Jahr 2014 sachgrundlos befristet werden.

Empfehlung

Das Urteil zeigt auf, wie das BAG für die Praxis die Grenzen für die sachgrundlose Befristung nach der Aufgabe der „Drei-Jahres-Grenze“ neu absteckt. Während im Ein-zelfall eine fünfeinhalb und eine acht Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung als nicht lange genug zurückliegende Vorbeschäftigungen gewertet wurden, sieht dies bei einer 22 Jahre zurückliegenden Vorbeschäftigung anders aus. Das BAG wird sich in zukünftigen Urteilen noch weiter herantasten müssen, wann eine Vorbeschäftigung „sehr lange“ zurückliegt und eine neue sachgrundlose Befristung mit dem Arbeitnehmer trotz Vorbeschäftigung möglich sein wird.

Aufgrund der Unsicherheit ist dem Arbeitgeber jedoch im Zweifelsfall zu raten, bei einer ihm bekannten Vorbeschäftigung eher auf eine erneute sachgrundlose Befristung zu verzichten. Im Einstellungsprozess bei einer sachgrundlosen Befristung sollte sich der Arbeitgeber zudem schriftlich bestätigen lassen, dass keine Vorbeschäftigung bestanden hat, um sich bei wahrheitswidriger Antwort des Arbeitnehmers hierauf ein Anfechtungsrecht nach § 123 BGB zu ermöglichen.

(22. August 2019)