Am 11. Oktober 2024 ist die lang und kontrovers diskutierte StVO-Novelle in Kraft getreten (siehe BGBl. I 2024 vom 10. Oktober 2024). Die Änderungen geben den Straßenverkehrsbehörden stärkere Befugnisse, klima- und umweltverträgliche Maßnahmen im Straßenverkehr anzuordnen.
Die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die StVO ist der ebenfalls kürzlich reformierte § 6 Abs. 4a StVG. Er gibt dem Verordnungsgeber (Bundesverkehrsministerium – BMDV) vor, unter welchen Voraussetzungen er die StVO erlassen darf und insbesondere welche Ziele er dabei verfolgen darf. Seit der Reform gehören zu diesen Zielen auch die Verbesserung des Schutzes der Umwelt, des Klimaschutzes, der Schutz der Gesundheit und die Unterstützung der städtebaulichen Entwicklung (siehe bereits Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung, S. 41). Von dieser Ermächtigung hat das BMDV nun Gebrauch gemacht.
Wir geben im Folgenden einen Überblick über die wichtigsten praxisrelevanten Änderungen:
- Straßenverkehrsrechtliche Anordnung zum Klima- und Umweltschutz
Die zentrale Rechtsgrundlage für straßenverkehrsrechtliche Anordnungen ist § 45 StVO. Die Vorschrift steht im Mittelpunkt der StVO-Reform:
Gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 StVO (n.F.) können die zuständigen Straßenverkehrsbehörden zukünftig straßenverkehrsrechtliche Anordnungen auch „zur Verbesserung des Schutzes der Umwelt, darunter des Klimaschutzes, zum Schutz der Gesundheit oder zur Unterstützung der geordneten städtebaulichen Entwicklung […]“ erlassen. Dies gilt bei der Einrichtung von Bussonderfahrstreifen und bevorrechtigenden Ampelschaltungen für Linienbusse und bei der Bereitstellung angemessener Flächen für den fließenden und ruhenden Fahrradverkehr sowie für den Fußverkehr.
Verkehrssicherheitsinteressen müssen dabei weiterhin eine Rolle spielen: § 45 Abs. 1 Nr. 7 StVO (n.F.) erlaubt entsprechende straßenverkehrsrechtliche Anordnungen nur, „sofern die Leichtigkeit des Verkehrs berücksichtigt ist und die Sicherheit des Verkehrs nicht beeinträchtigt wird“. Wichtig ist: Von dieser Vorgabe profitiert nicht nur der motorisierte Verkehr, sondern alle Verkehrsteilnehmenden (klarstellend in der Verordnungsbegründung BR-Drs. 518/23, S. 19).
- Neue Ausnahmen vom Erfordernis einer qualifizierten Gefahrenlage
§ 45 Abs. 9 Satz 3 StVO fordert für Beschränkungen des fließenden Verkehrs grundsätzlich das Vorliegen einer qualifizierte Gefahrenlage. Von dieser strengen Anforderung, die den Behörden regelmäßig eine hohe Darlegungslast aufbürdet, hat das BMDV nun weitere Maßnahmen befreit:
Dies betrifft erstens die oben vorgestellte neue Ermächtigung zum Umwelt- und Klimaschutz (siehe § 45 Abs. 10 Nr. 2 StVO n.F.).
Vom Erfordernis der qualifizierten Gefahrenlage ausgenommen ist neuerdings außerdem die Anordnung von Lückenschlüssen von bis zu 500m zwischen zwei Tempo 30-Strecken, Tempo 30-Zonen im unmittelbaren Bereich von Fußgängerüberwegen, Kindergärten, Kindertagesstätten, Spielplätzen, hoch-frequentierten Schulwegen, allgemeinbildenden Schulen, Förderschulen, Alten- und Pflegeheimen, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen oder Krankenhäusern. Entsprechend privilegiert werden schließlich Sonderfahrstreifen für besondere Mobilitätsformen („Blue Lanes“), Bussonderfahrstreifen („Busspuren“) und Fußgängerüberwege („Zebrastreifen“).
- Erleichterte Maßnahmen zur Parkraumbewirtschaftung
Die StVO-Novelle erleichtert außerdem Maßnahmen zur Parkraumbewirtschaftung. Diese darf die zuständige Behörde nicht wie bisher erst dann anordnen, wenn bereits erheblicher Parkraummangel besteht, sondern bereits vorbeugend, wenn einem städtischen Quartier erheblicher Parkraummangel droht (§ 45 Abs. 1b Nr. 2a StVO (n.F.). § 45 Abs. 1b Satz 2 StVO n.F. ermöglicht die Anordnung von Parkraumbewirtschaftung ganz unabhängig vom Parkdruck, wenn ein „städtebaulich-verkehrsplanerisches Konzept zur Vermeidung von schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt oder zur Unterstützung der geordneten städtebaulichen Entwicklung“ besteht und die Leichtigkeit des Verkehrs berücksichtigt ist und die Sicherheit des Verkehrs nicht beeinträchtigt wird.
Die Praxis wird zeigen, was die Behörden aus ihren neuen Befugnissen machen werden. Aber auch die Arbeit im BMDV ist noch nicht getan: Mit Spannung wird die Anpassung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (VwV-StVO) erwartet. Sie wird den Behörden und Gerichten Auslegungshinweise für die StVO-Novelle an die Hand geben.
(14. Oktober 2024)