Am 11. September 2024 hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz („BMWK“) das europarechtlich verpflichtende Konsultationsverfahren für das geplante Kraftwerkssicherheitsgesetz zur Umsetzung der sog. Kraftwerksstrategie („KWS“) eröffnet. Die KWS sieht die Ausschreibung von insgesamt 12,5 Gigawatt („GW“) Kraftwerkskapazitäten sowie 500 Megawatt („MW“) an Langzeitstromspeichern vor, um einen Beitrag zur langfristigen Versorgungssicherheit und zum Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu leisten.
Die lange erwarteten Konsultationsdokumente enthalten erstmals nähere Details zu den im Rahmen der KWS geplanten Ausschreibungen. Formal handelt es sich um zwei verschiedene Konsultationsverfahren, weil die Bundesregierung die KWS in zwei unterschiedliche Beihilfen („Säulen“) aufgespalten hat. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den geplanten Ausschreibungen in der ersten Säule.
Erste Säule: Neue Wasserstoffkraftwerke und Langzeitspeicher für Strom
Die erste Säule wird als Dekarbonisierungsmaßnahme an die EU-Kommission notifiziert und besteht aus drei Ausschreibungssegmenten. Das erste Segment sieht Ausschreibungen von 7 GW für neue und umgerüstete wasserstofffähige Gaskraftwerke vor, wobei 5 GW exklusiv für Neubauten reserviert werden. Hinzu kommen im zweiten Segment 500 MW für reine Wasserstoffkraftwerke (sog. „Sprinter“) sowie im dritten Segment 500 MW für Langzeitstromspeicher. Die ersten Ausschreibungen in allen Segmenten sollen bereits im Jahr 2025 stattfinden.
Erstes Segment: Förderung für neue und modernisierte wasserstofffähige Gaskraftwerke
Im ersten Segment sollen neue, aber auch umgerüstete Gaskraftwerke durch Ausschreibungen gefördert werden. Teilnahmeberechtigt sind Anlagenprojekte ab einer Mindestgröße von 10 MW, die sich in räumlicher Nähe (vorgeschlagen sind 20 Kilometer Luftlinie) zum geplanten Wasserstoff-Kernnetz befinden. Bestandsanlagen müssen eine „Mindestinvestitionstiefe“ von 70 Prozent der Kosten einer Neuanlage sowie eine Effizienzsteigerung des elektrischen Wirkungsgrads um mindestens 20 Prozentpunkte aufweisen. Die Realisierungsfrist nach Zuschlag beträgt sechs Jahre. Interessierte müssen zur Auktionsteilnahme lediglich einen Standort benennen und eine Sicherheitsleistung von 200 EUR pro kW geplanter Leistung hinterlegen, um die Pönale für die Überschreitung der Realisierungsfrist abzusichern. Einer vorherigen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung bedarf es hingegen nicht. Die neuen und modernisierten Gaskraftwerke müssen spätestens ab dem ersten Tag des achten Jahres nach (Wieder)-Inbetriebnahme Strom ausschließlich aus reinem Wasserstoff erzeugen, es sei denn, ein Wasserstoffbetrieb ist wegen fehlenden Anschlusses an das Wasserstoffnetz unmöglich. In diesem Fall kann der Betreiber übergangsweise Biogas oder Carbon Capture and Storage („CCS“) nutzen, das Kraftwerk in eine Kapazitätsreserve überführen oder es vorübergehend stilllegen.
Betonung der Netzsicherheit und -stabilität, inklusive „Südbonus“
Spezielles Augenmerk liegt auf der Netzsicherheit und -stabilität. So müssen die Anlagen bestimmte technische Anforderungen erfüllen, die über heute bestehende Netzanschlussbedingungen hinausgehen, um netzstabilisierende Leistungen auch in Zeiten ohne elektrische Erzeugung erbringen zu können. Ferner soll ein sog. „Südbonus“ sicherstellen, dass zwei Drittel der bezuschlagten Anlagen im „netztechnischen Süden“ (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland) errichtet werden. Der Bonus erhöht dabei nicht die Förderung, sondern sorgt lediglich dafür, dass Südanlagen in der Auktion bevorzugt zum Zuge kommen.
Förderungsmittel: Investitions- und Betriebskostenförderung
Die Förderung besteht aus zwei Elementen: einer gebotsabhängigen Investitionskostenförderung und einer Betriebskostenförderung. Die Investitionsförderung ist auf 80 % der Investitionssumme gedeckelt. Hiermit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass das Kraftwerk die ersten Jahre ab Errichtung bzw. Modernisierung noch mit nicht förderfähigem Erdgas betrieben wird. Die Fördersumme wird über zehn Jahre in gleichmäßigen Raten ab Inbetriebnahme ausbezahlt. Nach Aufnahme des Wasserstoffbetriebs muss die Anlage mindestens 200 Vollbenutzungsstunden jährlich nachweisen. Hinzu kommt eine Betriebskostenförderung des Wasserstoffbetriebs für 800 Vollbenutzungsstunden pro Jahr, gedeckelt auf 3.200 Vollbenutzungsstunden, d.h. insgesamt auf vier Jahre. Die Förderung erfolgt in Form eines Contract for Difference, der eine feststehende Brennstoffmenge pro erzeugter Kilowattstunde Strom pauschal finanziert und die Kostendifferenz von Wasserstoff zu Erdgas ausgleicht. Förderfähig ist neben grünem Wasserstoff auch kohlenstoffarmer Wasserstoff im Sinne der nationalen Wasserstoffstrategie in den Farben blau (aus Erdgas i.V.m. CCS), türkis (mittels Methanpyrolyse) und orange (aus Abfall- und Reststoffen). Die Förderfähigkeit endet vorzeitig, sollte die fossile Stromerzeugungsleistung deutschlandweit unter 1 GW sinken.
Zur Vermeidung von Überförderungen ist die Einführung eines Abschöpfungsmechanismus („claw-back“) über die gesamte Förderdauer vorgesehen. Das BMWK hat sich noch nicht für eine bestimmte Vorgehensweise entschieden, sondern stellt zwei Optionen zur Konsultation: eine erzeugungsabhängige Abschöpfung auf Grundlage der tatsächlichen Einspeisung der Anlage oder eine erzeugungsunabhängige Variante in Form von sog. Reliability Options. Als Auslösepreis („strike price“) wird einheitlich 430 EUR/MWh vorgeschlagen.
Zweites Segment: Förderung von Sprinterkraftwerken
Im zweiten Segment ist eine Förderung von Kraftwerksneubauten mit einer Gesamtleistung von 500 MW vorgesehen, die von Beginn an zu 100% mit Wasserstoff betrieben werden (sog. Sprinterkraftwerke). Die Ausschreibungsbedingungen gleichen in weiten Teilen denen des ersten Segments, etwa hinsichtlich Realisierungsfrist, technischer Eigenschaften oder zulässiger „Farbe“ des Wasserstoffs. Allerdings bestehen auch gewichtige Unterschiede. Förderfähig sind Anlagen mit einer Mindestgröße von 1 MW und einer Mindestauslastung von 200 Vollbenutzungsstunden pro Jahr über die gesamte Förderdauer. Es ist vorgesehen, dass die Kraftwerke an Standorten in Betrieb gehen, an denen bereits weit vor Fertigstellung des Wasserstoff-Kernnetzes ausreichend Wasserstoff zur Verfügung steht. Somit ist eine räumliche Nähe zum geplanten Kernnetz keine Fördervoraussetzung. Die Förderdauer soll zehn Jahre ab Inbetriebnahme betragen, die genauen Details der Förderung stehen jedoch noch nicht fest. Das BMWK schwankt zwischen einem Marktprämienmodell in Kombination mit einer jährlichen Pauschalzahlung und dem Investitions- und Betriebskostenfördermodell aus dem ersten Segment. Sicher ist jedoch, dass es auch in diesem Segment einen Claw-Back-Mechanismus zur Vermeidung von Überförderungen geben wird.
Drittes Segment: Förderung von Langzeitstromspeichern
Schließlich sind technologieneutrale Ausschreibungen in Gesamthöhe von 500 MW für Langzeitstromspeicher vorgesehen, die in sonnen- und windarmen Zeiten zur Deckung der Stromnachfrage beitragen sollen. Förderfähig sind Langzeitspeicheranlagen mit einer Netto-Einspeiseleistung von mindestens 1 MW und einer Mindestauslastung von 72 Stunden pro Jahr. Zusätzlich muss die Netzentnahmeleistung mindestens 50 % der Einspeiseleistung betragen und die Speicherkapazität muss für eine mindestens 72-stündige Stromeinspeisung mit der Netto-Nennleistung der Netzeinspeiseleistung ausreichen. Ansonsten gelten im Wesentlichen dieselben technischen Anforderungen, Realisierungsfristen und sonstigen Teilnahmebedingungen wie bei den wasserstofffähigen Gaskraftwerken im ersten Segment. Die Förderung erfolgt in Form einer Investitionskostenförderung über zehn Jahre zu jeweils gleichen Tranchen. Interessenten geben einen Gebotswert ab, der zur Ermittlung der Gebotsreihung ins Verhältnis zur Speicherkapazität gesetzt wird. Ob auch in diesem Segment ein Claw-Back-Mechanismus eingeführt werden muss, wird momentan vom BMWK geprüft.
(17. September 2024)