Die Bundesregierung verhindert die Übernahme von Anteilen des Netzbetreibers 50Hertz durch einen chinesischen Staatskonzern. Die KfW erwirbt die in Frage stehenden Anteile im Auftrag der Bundesregierung selbst. Das Wirtschaftsministerium sprach von einer „Brückenlösung“ – die Anteile sollten perspektivisch weiterveräußert werden. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier erklärt, er persönlich habe Schwierigkeiten, wenn es um die Zulassung der Beteiligung eines Investors aus einem Drittland, wie China, an der kritischen Infrastruktur des Landes ginge.
Zuvor waren bereits zwei Versuche des chinesischen Staatskonzerns SGCC, 20 Prozent der Aktien der 50Hertz-Holdinggesellschaft Eurogrid AG zu erwerben, gescheitert. Anfang des Jahres hatte SGCC zudem versucht, von dem australischen Infrastrukturfonds IFM einen ersten 20 Prozent-Anteil an 50Hertz zu kaufen. Auch auf Drängen der Bundesregierung hatte das belgische Unternehmen Elia damals seinen Anteil an dem Stromnetzbetreiber 50Hertz mittels Auslösen eines eigenen Vorkaufsrechts von 60 auf 80 Prozent erhöht und damit einen Einstieg des chinesischen Unternehmens zunächst verhindert. Aufgrund eines zweiten Versuchs von SGCCs, einen zwanzigprozentigen 50Hertz-Anteil zu erwerben, machte Elia nun erneut von seinem Vorkaufsrecht Gebrauch und erwarb das Paket wiederum von IFM. Dieser Anteil wird nun unverzüglich zu denselben Bedingungen an die deutsche Staatsbank KfW weiterverkauft.
Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit der Aufgabe der finanziellen Förderungen und weiterer Sonderaufgaben beispielsweise der Investition von staatlichen Mitteln. Die Rechtsaufsicht hat das Bundesministerium der Finanzen im Benehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Die Entscheidungsfindung erfolgt gem. § 3 KredAnstWiAG (Gesetz über die Kreditanstalt für Wiederaufbau) grundsätzlich unter Beteiligung ihres Verwaltungsrates, dem auch der Bundesminister der Finanzen und der Bundesminister für Wirtschaft und Energie als Vorsitzender und Stellvertretender Vorsitzender angehören. Das Kapital der KfW wird von der Bundesrepublik Deutschland und den Bundesländern gehalten. Die Bundesrepublik haftet für alle Verbindlichkeiten und Kredite der KfW (§ 1a KfWG).
50Hertz GmbH betreibt ungefähr 10.000 Kilometer Übertragungsstromnetz im Norden und Osten Deutschlands, über das mehr als 18 Millionen Menschen versorgt werden. Dieses Netz ist eine sogenannte kritische Infrastruktur (KRITIS) im Sinne des BSIG (Gesetz über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) in Verbindung mit der BSI-KritisV (Verordnung zur Bestimmung Kritischer Infrastrukturen) und hat damit wichtige Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen. Bei einer Beeinträchtigung dieser Infrastruktur drohen erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit. Daher habe der Staat das Recht und die Pflicht, kritische Infrastrukturen dort, wo es nötig ist, zu schützen.
Doch wie ist ein solches Recht der Exekutive genau ausgestaltet?
Auf den ersten Blick erscheint der Ankauf der in Frage stehenden Anteile als Umweg zu dem Ziel der Verhinderung des Anteilserwerbs. Denn grundsätzlich gibt es eine Handlungsmöglichkeit der Exekutive, direkte Auslandsinvestitionen im Einzelfall durch unmittelbare Eingriffe zu verhindern. Dies soll eine strikte Ausnahme im Rahmen des in Deutschland vorherrschenden politischen Konzepts des Freihandels darstellen. Daher stellt sich möglicherweise auch die Frage der Rechtmäßigkeit eines solchen, hier vorliegenden mittelbaren Eingriffs und der Investition von Steuergeld. Schließlich ist die KfW in der Vergangenheit schon mehrmals durch ihre Investitionen und darauf folgenden Abschreibungen in die Kritik geraten. Auch in diesem Fall wird kritisiert, dass die KfW einen sehr hohen Preis für die entsprechenden Anteile zu zahlen hatte.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine sogenannte außenwirtschaftliche Investitionsprüfung durch die Exekutive durchgeführt werden, deren rechtlicher Rahmen national das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und die auf dessen Grundlage erlassene Außenwirtschaftsverordnung (AWV) bildet. Bei entsprechendem Ausgang der Prüfung kann das zugrundeliegende Rechtsgeschäft unmittelbar untersagt werden. Der Erwerb steht während dieser Prüfung unter der auflösenden Bedingung einer Untersagung (§ 15 Abs. 2 AWG). Der Anwendungsbereich dieser Norm ist bei dem Erwerb deutscher Unternehmen durch Investoren mit Sitz außerhalb der EU bzw. des EFTA-Raumes eröffnet. Letztlich soll in diesen Fällen durch eine exekutive Sicherheitsprüfung die Möglichkeit einer Gefährdung der öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland durch den in Frage stehenden Erwerb ausgeschlossen werden.
Insbesondere da die Übertragungsnetze zur sog. kritischen Infrastruktur (§ 2 Abs. I Nr. 1 BSI-KritisV) gehören, kann durch deren Erwerb eine solche Möglichkeit einer oben genannten Gefährdung bestehen (§ 55 Abs. I Nr. 1 AWV). Deshalb scheint für den vorliegenden Fall grundsätzlich eine solche Interventionsmöglichkeit der Exekutive zu bestehen. Diese kommt hier allerdings nicht zum Tragen, da das ausländische Unternehmen lediglich 20 Prozent an dem Übertragungsnetzbetreiber erwerben wollten. Die Regeln des AWG greifen aber erst ab einer Beteiligung von mehr als 25 Prozent.
Faktisch nutzt die Exekutive in diesem Fall einen zweiten indirekten Weg um das gleiche Ziel zu verwirklichen. Die KfW führt die Transaktion nun im Auftrag der Bundesregierung als sogenanntes Zuweisungsgeschäft durch. Ob die Maßnahme auch insoweit rechtmäßig ist, also überhaupt in den Kompetenzbereich der KfW fällt und verhältnismäßig ist, lässt sich erst dann gerichtlich überprüfen, wenn sich der chinesische Staatskonzern gegen den Erwerb wehren möchte. Zum jetzigen Zeitpunkt sind aber keine Informationen über ein Rechtsschutzersuchen von SGCC gegen die Handlung bekannt. Auf den ersten Blick scheint die Übernahme von Unternehmensanteilen jedenfalls nicht ausdrücklich als Aufgabe der KfW statuiert zu sein. Möglicherweise könnte sie eine Finanzierung im staatlichen Auftrag für den Bereich der Infrastruktur darstellen (vgl. § 2 Abs. I Nr. 1 e) KfW Gesetz). Nach Auffassung der Regierung stehen hier mit dem AWG und den Handlungskompetenzen der KfW verschiedene, offensichtlich durch den Gesetzgeber zur Verhinderung unliebsamer Rechtsgeschäfte geschaffene Handlungsalternativen zur Verfügung.
(1. August 2018)