Konzessions­vergabe: MITGAS setzt mit Raue LLP Offenlegung des Auswertungs­vermerks durch

Raue LLP hat die Mitteldeutsche Gasversorgung GmbH (MITGAS) erfolgreich in einem Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht (OLG) Dresden vertreten. Das OLG Dresden hat der Berufung von MITGAS mit Urteil vom 10. Januar 2018 (U 4/17 Kart) stattgegeben und die Stadt Leipzig verpflichtet, den Auswertungsvermerk über die Vergabe der Gaskonzession im Stadtgebiet Leipzig vollständig offenzulegen.

In dem Urteil betritt das OLG Dresden juristisches Neuland: Bislang hatten die Kommunen ganz überwiegend die Auffassung vertreten, dass der Auswertungsvermerk geheim ist und die unterlegenen Bieter kein Zugangsrecht haben. Das Urteil stärkt den Anspruch der Bieter auf Gewährleistung einer hinreichenden Verfahrenstransparenz. Das ist gerade bei der Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen besonders wichtig, wenn sich die Kommunen mit Eigenunternehmen an dem Auswahlverfahren beteiligen. Aufgrund der Doppelstellung der Kommunen als Auswahlstelle und Bieter besteht in dieser Situation eine gesteigerte Gefahr, dass der Vertrag aus sachwidrigen Gründen an das eigene Unternehmen vergeben wird.

Gegenstand des Rechtsstreits beim OLG Dresden war die Vergabe der Gaskonzession in 22 Ortsteilen der Stadt Leipzig. Ein Gaskonzessionsvertrag regelt das Recht, im öffentlichen Straßenland Gasverteilungsanlagen zu verlegen, und die Pflicht, diese zu betreiben. Nach § 46 EnWG müssen diese Verträge alle 20 Jahre neu ausgeschrieben werden. Sofern sich der Altkonzessionär nicht durchsetzt, steht dem Neukonzessionär ein Netzherausgabeanspruch nach § 46 Abs. 2 Satz 2 EnWG zu. Die Stadt Leipzig hat sich nach Abschluss des Auswahlverfahrens für einen Vertragsschluss mit ihrer Eigengesellschaft, der Stadtwerke Leipzig GmbH, entschieden.

Um sich im ebenfalls anhängigen Streit um die Netzherausgabe wirksam verteidigen zu können, hat MITGAS beim Landgericht (LG) Leipzig Klage eingereicht, mit dem Ziel die Offenlegung des Auswertungsvermerks gerichtlich durchzusetzen. Die 2. Handelskammer des LG Leipzig hatte diese Klage zunächst mit Urteil vom 26. April 2016 (HK O 1984/15) zurückgewiesen. Dagegen hat MITGAS beim OLG Dresden Berufung eingelegt. Mit Erfolg.

Nach Auffassung des OLG Dresden hat MITGAS als Altkonzessionär einen Anspruch auf Offenlegung des Auswertungsvermerks. Dieser Anspruch folgt aus dem Grundsatz eines diskriminierungsfreien und transparenten Auswahlverfahrens. Das Diskriminierungsverbot schließt eine Verpflichtung zur Transparenz ein, um durch einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherzustellen, dass ein fairer, unverfälschter Wettbewerb eröffnet wird und überprüft werden kann, ob das Verbot eingehalten worden ist. Dazu gehört im vorvertraglichen Schuldverhältnis auch die Herstellung von Transparenz hinsichtlich der Gründe der Auswahlentscheidung.

Gerade Altkonzessionäre, die auf Grund des Netzherausgabeanspruchs des Neukonzessionärs mit einem Eingriff in ihr Eigentum bedroht sind, müssen die Auswahlentscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit nachprüfen können. Anderenfalls würden intransparent agierende Gemeinden begünstigt. Die Transparenz über die Gründe der Auswahlentscheidung kann nach Ansicht der Richter des Kartellsenats des OLG Dresden vor allem durch Offenlegung des Auswertungsvermerks erfolgen. Eine phrasenhafte Zusammenfassung dieses Auswertungsvermerks am Ende des Auswahlverfahrens ist nicht ausreichend. Eine Schwärzung um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse kommt nur in Betracht, wenn substantiiert zu diesen vorgetragen worden ist.

Die Entscheidung hat vor allem für Fälle Relevanz, die noch vor Inkrafttreten der Novelle zum Konzessionsvertragsrecht nach § 46 ff. EnWG n.F. eingeleitet worden sind (Konzessionen: Die Novelle der §§ 46 FF EnWG) Gerade in diesen Auswahlverfahren war es bislang gängige Praxis der Kommunen, den Auswertungsvermerk vollständig zurückzuhalten. Die Auswahlentscheidung konnte von den Zivilgerichten – vor denen der Beibringungsgrundsatz gilt – in der Regel nicht überprüft werden. In der Praxis sind die Auswahlentscheidungen und deren Dokumentation jedoch oft nicht nachvollziehbar. Darauf hat der Gesetzgeber in der Novelle zum Konzessionsvertragsrecht reagiert. § 47 Abs. 3 EnWG n.F. regelt nun ausdrücklich ein Akteneinsichtsrecht. Es ist jedoch zu erwarten, dass zukünftig über den Umfang der Akteneinsicht gestritten wird.

(25. Januar 2018)