Die neuen Markt­rollen unter dem Messstellen­betriebsgesetz

Strategische Entscheidung: Netzbetreiber müssen sich jetzt mit der Frage auseinandersetzen, ob sie die sogenannte Grundzuständigkeit für den Betrieb von Messstellen umfassend abgeben oder nicht.
Hintergrund ist das neue Messstellenbetriebsgesetz  (MsbG), das Herzstück des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende, das den vom europäischen Richtliniengeber aufgetragenen Einbau von intelligenten Messsystemen und modernen Messeinrichtungen ins deutsche Recht umsetzt (sogenannter Smart-Meter-Rollout). Der Einbau ist Voraussetzung für eine digitale beziehungsweise intelligente Netzinfrastruktur.

Bis zum 30. Juni 2017 müssen Netzbetreiber ihre Planung abgeschlossen haben und der Bundesnetzagentur mitteilen, wo die Grundzuständigkeit für den Betrieb der Messstellen liegen soll. Netzbetreiber stehen daher vor der weitreichenden strategischen Entscheidung, ob sie die Rolle des grundzuständigen Messstellenbetreibers bekleiden möchten.
Hierbei zeichnet sich ab, dass die allermeisten Netzbetreiber die Grundzuständigkeit nicht abgeben werden. Der Grund hierfür dürfte unter anderem sein, dass die Aufgaben des Messstellenbetriebs in Form der Gateway-Administration in großem Umfang ausgelagert werden können, ohne den Messstellenbetrieb vollständig aus der Hand zu geben. Vertikal integrierte Versorgungsunternehmen denken sogar darüber nach, sich zusätzlich zum Auftritt als grundzuständiger Messstellenbetreiber auch als wettbewerblicher Messstellenbetreiber zu positionieren.

Hat sich ein Netzbetreiber für eine Rolle entschieden, so muss er sich in der Folge damit auseinandersetzen, welche ihm zugewiesenen Aufgaben er selbst erfüllen möchte und welche er von Dritten erbringen lässt. Vielfach wird an dieser Stelle über Kooperationen mit anderen Messstellen- und Netzbetreibern nachzudenken sein, um mögliche Skaleneffekte erzielen zu können. Bei der eigentlichen Auftragsvergabe (beispielsweise an IT-Dienstleister) sollten Unternehmen das Kartellvergaberecht im Auge behalten, damit Investitionsentscheidungen nicht im Nachhinein angreifbar sind.

Eine Kernaufgabe des intelligenten Messstellenbetriebs ist die technische Funktion des Smart-Meter-Gateway-Administrators, die dem Messstellenbetrieb zugeordnet ist.
Der Gateway-Administrator soll den Marktteilnehmern die Messdaten über eine sichere Kommunikationsplattform (das Gateway) im Rahmen einer sternförmigen Kommunikation („Datendrehscheibe“) zur Verfügung stellen. Auch die Rolle des Gateway-Administrators kann über entsprechende IT-Dienstleistungsverträge abgegeben werden (vgl. § 2 Nr. 20 MsbG). Bei der Frage, welche Aufgaben outgesourct werden sollen, sind aber mögliche Auswirkungen auf die gesetzlichen Zertifizierungspflichten des Messstellenbetreibers zu beachten. Wichtig ist beim Outsourcing die Vollständigkeit: Nur wenn sämtliche, im MsbG dem Gateway-Administrator zugeschriebenen Funktionen auf den dritten Dienstleister übertragen werden, dürfte die Zertifizierungspflicht beim Messstellenbetreiber entfallen.

Die Entscheidungsfindung der Unternehmen wird durch eine Reihe ungeklärter Fragen erschwert. Nach Auslaufen des von der Bundesnetzagentur verfügten Interimslösung zur Marktkommunikation (Az.: BK6-16-200/BK7-16-142) – die unter anderem eine Aufteilung der Zählpunkt-IDs in Mess- und Marktlokationen vorsieht – ist die Ausgestaltung des Zielmodells noch offen. Das erschwert insbesondere die Ausgestaltung von IT-Dienstleistungsverträgen, die über den 31. Dezember 2019 hinaus gelten sollen.

Zudem ist momentan noch nicht absehbar, welche Inhalte Bestandteil der zukünftigen Messverträge sein werden beziehungsweise sein können. Zurzeit läuft ein Festlegungsverfahren bei der Bundesnetzagentur (Az.: BK6-17-042/BK7-17-026) zur Anpassung der Messstellenrahmenverträge sowie des Lieferantenrahmen-/Netznutzungsvertrages. Der Messstellenvertrag „intelligente Messsysteme“ ist vorerst nicht Bestandteil des Festlegungsverfahrens. Ein Branchenstandard dürfte sich diesbezüglich daher erst nach einiger Zeit abzeichnen.

Vor allem aber ist unklar, ab wann die eigentliche Rollout-Verpflichtung greift. Das MsbG stellt die Verpflichtung unter den Vorbehalt der technischen und wirtschaftlichen Vertretbarkeit. Die wirtschaftliche Vertretbarkeit ist dann gegeben, wenn der Einbau zu den im Gesetz genannten Preisobergrenzen möglich erscheint. Von der technischen Vertretbarkeit der Einbauverpflichtung wird dann ausgegangen, wenn drei vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifizierte Messsysteme am Markt erhältlich sind (§ 30 MsbG). Nach den Angaben der Bundesregierung plant das BSI, noch im Jahr 2017 die erste Marktanalyse nach § 30 MsbG zu veröffentlichen.

(3. April 2017)