Schiedsgerichts­bar­keit im Umfeld von Insolvenzen

Bei der Frühjahrstagung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) am 24. und 25. April 2018 in Zürich diskutierten Vertreter der internationalen Schiedsszene die Herausforderung und Perspektiven für die Schiedsgerichtsbarkeit im Umfeld von Insolvenzen.

Das Verhältnis von Schiedsverfahren und Insolvenzverfahren ist naturgemäß spannungsgeladen: Die Klärung von Rechtsstreitigkeiten im Wege eines Schiedsverfahrens soll den Parteien größtmögliche Autonomie verleihen. Sie sollen die Zusammensetzung des Gerichts und den Verfahrensverlauf möglichst stark beeinflussen können, um eine für den konkreten Streit geeignete flexible Lösung zu finden. Ziel des staatlich gelenkten Insolvenzverfahrens ist es dagegen, verbindliche Vorgaben aufzustellen, die zu einer möglichst gerechten Verteilung des Restvermögens der Insolvenzschuldnerin an alle Gläubiger führen sollen.

Die Redebeiträge befassten sich unter anderem mit den folgenden Fragen:

Welche Auswirkungen hat die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf ein laufendes internationales Schiedsverfahren innerhalb der EU?

Wenn während eines laufenden Schiedsverfahrens ein Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Partei eröffnet wird, ist zunächst zu klären, nach den Regeln welchen Landes sich das Verhältnis von Schiedsverfahren und Insolvenzverfahren bestimmt. Für Schiedsverfahren innerhalb aller Staaten der EU mit der Ausnahme Dänemarks hilft hier ein Blick in die Verordnung (EU) 2015/848 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 über Insolvenzverfahren (EuInsVO), die (ganz überwiegend) ab dem 26. Juni 2017 anzuwenden ist.

Laut Art. 7 Abs. 1 EuInsVO gilt für das Insolvenzverfahren und seine Wirkungen grundsätzlich das Recht des Staates, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Gemäß Art. 7 Abs. 2 Ziff. f) EuInsVO regelt das Recht des Staates der Verfahrenseröffnung insbesondere auch, wie sich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Rechtsverfolgungsmaßnahmen einzelner Gläubiger auswirkt. Solche Rechtsverfolgungsmaßnahmen umfassen die generelle Klagemöglichkeit, die Vollstreckbarkeit eines bereits ergangenen Urteils und Sicherungsmaßnahmen im einstweiligen Rechtsschutz. Die Wirkung des Insolvenzverfahrens auf anhängige Rechtsstreitigkeiten oder Schiedsverfahren bestimmt sich allerdings aufgrund der speziellen Vorschrift des Art. 18 EuInsVO nach dem Recht des Staates, in dem der Rechtsstreit anhängig oder das Schiedsgericht belegen ist.

Sobald dann nach den kollisionsrechtlichen Regelungen das anwendbare Recht bestimmt ist, also nach der EuInsVO im Falle eines bereits anhängigen Schiedsverfahren das Recht des Schiedsortes, ist zu prüfen, welche Bestimmungen dieses Recht zum Verhältnis von Schieds- und Insolvenzverfahren trifft. Trotz diverser Reformen in den vergangenen Jahren ist das Bild hier innerhalb Europas nicht einheitlich. Es gibt Länder mit schiedsfeindlichen Regeln (z.B. Portugal und Bulgarien), Länder mit sehr schiedsfreundlichen Regeln (z.B. Spanien und Italien) und Länder mit differenzierten Lösungen (z.B. Frankreich und Deutschland). In Deutschland bleiben Schiedsklauseln trotz der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens grundsätzlich wirksam. Das Schiedsverfahren wird nach herrschender Meinung nicht kraft Gesetzes unterbrochen (§ 240 ZPO ist nicht anwendbar). Allerdings ist dem Insolvenzverwalter aufgrund des Rechts auf rechtliches Gehör genug Zeit zur Einarbeitung zu gewähren. Außerdem sind bestimmte Wertungen des Insolvenzverfahrens zu beachten (dazu sogleich).

Droht die Nichtvollstreckbarkeit eines Schiedsspruches, wenn ein laufendes Schiedsverfahren ein Insolvenzverfahren zu Unrecht ignoriert?

Ja, es besteht die Gefahr, dass ein Schiedsspruch, der zwingende Regelungen des Insolvenzverfahrens nicht beachtet, wegen eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) nicht mehr vollstreckt werden kann. So hat der BGH für die Vollstreckung eines inländischen Schiedsspruchs in Deutschland beispielsweise entschieden, dass ein Schiedsspruch, der eine Insolvenzforderung feststellt, die nicht zuvor gemäß §§ 174 ff. i.V.m. § 87 InsO zur Insolvenztabelle angemeldet wurde, gegen den deutschen ordre public verstößt und daher gemäß § 1060 Abs. 2 i.V.m. § 1059 Nr. 2b) ZPO nicht vollstreckbar ist (BGH, NJW 2009, 1747).

Die internationale Vollstreckung von Schiedssprüchen richtet sich nach den Regeln des UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 (UNÜ). Laut Art. V Abs. 2b) UNÜ darf die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs versagt werden, wenn dies der öffentlichen Ordnung des Staates, in dem vollstreckt werden soll, widersprechen würde. Verletzt das Schiedsgericht zwingende insolvenzrechtliche Regelungen des Staates, innerhalb dessen Territoriums vollstreckt werden soll, könnte also eine Vollstreckung scheitern.

Soweit möglich, sollten aufgrund der geschilderten Zusammenhänge bei der Entscheidung für oder gegen eine Schiedsklausel sowie bei der Wahl des Schiedsortes Überlegungen zu den Konsequenzen einer möglichen Insolvenz einer der Parteien bereits mit einbezogen werden.

(2. Mai 2018)