BGH: Betreiber von Bewertungs­portalen haften bei eigen­mächtiger Änderung einer Bewertung

Betreiber von Online-Bewertungsportalen, die eine Bewertung nach einer Beanstandung ohne Rücksprache mit dem Nutzer ändern, haften selbst dafür und müssen dem Betroffenen unter Umständen Schadensersatz und Geldentschädigung leisten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat kürzlich klargestellt, dass sich ein Portalbetreiber die Bewertung eines Nutzers durch solche eigenmächtigen Änderungen zu eigen macht (BGH, Urteil vom 4. April 2017 – VI ZR 123/16 –,Pressemitteilung). Für die Haftung des Portalbetreibers hat das gravierende Folgen: Durch das Zu-Eigen-Machen wird der Portalbetreiber rechtlich selbst zum Verantwortlichen, es entfällt die nur für fremde Äußerungen geltende Haftungsprivilegierung des § 10 Telemediengesetz (TMG).

Im konkreten Fall hatte eine Klinik den Betreiber eines Online-Bewertungsportals aufgefordert, eine negative Bewertung zu löschen, weil diese angeblich unwahre Tatsachenbehauptungen enthalte. Der Portalbetreiber nahm daraufhin – ohne Rücksprache mit dem Nutzer, der die Bewertung geschrieben hatte – eigenmächtig Änderungen vor. Er fügte einen Zusatz ein und strich einen Satzteil. Das teilte er der Klinik mit; zugleich verwies er darauf, dass „weitere Eingriffe“ nicht angezeigt erschienen.

Das Landgericht und das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatten der Unterlassungsklage der Klinik gegen den Portalbetreiber stattgegeben.

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidungen nun bestätigt: Der Portalbetreiber hat sich die Äußerungen zu eigen gemacht und haftet deshalb als sogenannter unmittelbarer Störer. Ohne Rücksprache mit dem Bewertenden hat er dessen Äußerungen inhaltlich überprüft und auf sie Einfluss genommen, indem er selbstständig entschieden hat, welche Äußerungen er ändert oder entfernt und welche er beibehält. Dies hat er auch der Klinik mitgeteilt. Damit hat der Portalbetreiber nach Ansicht der Richter die inhaltliche Verantwortung für die Äußerungen übernommen.

Die Entscheidung des BGH zeigt, was ein Portalbetreiber in keinem Fall tun sollte, wenn er mit einer Beanstandung konfrontiert wird: Den Wortlaut einer Bewertung ohne Rücksprache mit dem Bewertenden ändern! Tut er das, setzt er sich unnötigen Haftungsrisiken aus, vor denen ihn sonst die Haftungsprivilegierung des § 10 TMG schützt. Den richtigen Umgang mit einer Beanstandung hat der Bundesgerichtshof in den vergangenen Jahren mehrfach umrissen (Versäumnisurteil vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 93/10 –, Blog-Eintrag Volltext; Urteil vom 1. März 2016 – VI ZR 34/15 –, Jameda II Volltext, Urteilsbesprechung).

Lässt die Beanstandung eines Betroffenen die gerügte Bewertung als rechtswidrig erscheinen, muss der Portalbetreiber – falls die Bewertung nicht offensichtlich rechtswidrig ist (zum Beispiel bei Formalbeleidigungen) – den Sachverhalt ernsthaft ermitteln und bewerten. Welcher Überprüfungsaufwand ihm dabei konkret zuzumuten ist, hängt dabei stets von den Umständen des Einzelfalles ab. Als Faustregel gilt: Je gravierender die im Raum stehende Rechtsverletzung, desto strenger die Prüfpflichten.

Der Portalbetreiber muss eine Beanstandung zunächst an den Bewertenden weiterleiten und ihn auffordern, innerhalb einer angemessenen Frist Stellung zu nehmen und entsprechende Belege vorzulegen (zum Beispiel für den behaupteten Behandlungskontakt oder Hotelbesuch). Kommt der Nutzer dieser Aufforderung nicht (überzeugend) nach, ist die Bewertung zu löschen. Gelingt es ihm hingegen, die Bewertung zu rechtfertigen, liegt der Ball wieder im Feld des Betroffenen: Der Portalbetreiber muss ihm dann die Stellungnahme des Bewertenden einschließlich der dazugehörigen Belege übermitteln. (Letztere sind dabei zur Wahrung der Anonymität des Bewertenden gegebenenfalls zu schwärzen.) Wenn es dem Betroffenen gelingt, den Vortrag des Bewertenden – wiederum unter Vorlage entsprechender Belege – zu entkräften, muss die Bewertung gelöscht werden – gegebenenfalls nach erneuter Anhörung des Bewertenden. Anderenfalls ist die Prüfung beendet; die Bewertung bleibt online.

Eine eigene Haftung des Portalbetreibers kommt nur in Betracht, wenn er diese Prüfpflichten verletzt hat. Es droht dann unter anderem die Inanspruchnahme auf Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten (vgl. EuGH, Urteil vom 15. September 2016 – C-484/14 –, Mc Fadden Volltext); Schadensersatz und Geldentschädigung sind hingegen – anders als beim Zu-Eigen-Machen der fremden Äußerungen – ausgeschlossen.

(25. April 2017)