Regulierung der Flughafenentgelte als Streitpunkt zwischen Nutzern und Betreiber

Die Flughafenentgelte nach § 19 b LuftVG werden zunehmend zum Gegenstand von Auseinandersetzungen zwischen Betreibern von Verkehrsflughäfen und ihren Nutzern, den Fluggesellschaften. Bei streitigen Genehmigungsentscheidungen der zuständigen Aufsichtsbehörden stellen sich Fragen der Betriebs- und Kapitalkostenermittlung, der Kostenzuordnung und der Effizienzprüfung. Die Flughafennutzer können die Entgelte zumindest einer zivilgerichtlichen Kontrolle unterziehen; ob sie darüber hinaus direkt gegen die Genehmigung der Entgeltordnung klagen können, ist gegenwärtig Gegenstand eines Revisionsverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG).

Flughafenentgelte entrichten die Nutzer an den Flughafenbetreiber für die Nutzung der Infrastrukturen eines Flughafens (z. B. Rollbahnen, Terminalgebäude, Flugzeugstellplätze). Ihre Regulierung ist durch die Richtlinie 2009/12/EG europaweit harmonisiert. In Deutschland ist die Richtlinie durch § 19 b LuftVG umgesetzt. Danach müssen Entgelte „kostenbezogen“ berechnet und in einer Entgeltordnung nach geeigneten, objektiven, transparenten und diskriminierungsfreien Kriterien im Voraus festgelegt werden. Für Verkehrsflughäfen mit mehr als 5 Millionen Fluggastbewegungen jährlich sieht § 19 b Abs. 3 LuftVG ein Verfahren zur Aufstellung der Entgeltordnung vor, das regelmäßige Konsultationen zwischen Betreiber und Nutzern in den Mittelpunkt stellt. Wenn beide Seiten sich schriftlich über die Entgeltordnung einigen, kann die staatliche Genehmigungsbehörde davon absehen, die Entgelte selbst zu überprüfen. Sie kann dann ohne weiteres die Genehmigung erteilen, wenn kein Verstoß gegen das europäische Beihilfenrecht vorliegt. Kommt es dagegen nicht zu einer Einigung, muss die Behörde prüfen, ob zwischen der Höhe der Entgelte und der Höhe der voraussichtlich tatsächlichen Kosten des Betreibers ein angemessenes Verhältnis besteht und ob die Orientierung an einer effizienten Leistungserstellung erkennbar ist.

Unterschiedliche Interessen der Airlines erschweren Einigung

Flughafenentgelte, Rabatte auf diese und die Differenzierung von entgeltpflichtigen Leistungen des Flughafenbetreibers werden immer mehr zum Streitpunkt zwischen Airlines und Flughafenbetreibern. Grund dafür ist zunehmender Wettbewerb und Kostendruck unter den Fluggesellschaften, getrieben durch den Erfolg der sogenannten Billigflieger oder Low-Cost-Carrier (LCC). Dass die Airlines grundsätzlich ein gemeinsames Interesse an niedrigen Entgelten haben und insoweit auch politischen Druck gegen die Infrastrukturbetreiber aufbauen, zeigt das jüngste gemeinsame Herantreten der fünf größten Fluggesellschaften an die EU-Kommission. Darin fordern sie die Kommission explizit auf, in ihrer Luftverkehrsstrategie die Kosten an den Flughäfen und bei der Flugsicherung (weiter) zu senken.

Im Detail gehen die Interessen jedoch auseinander. Traditionsfluggesellschaften und LCC, Hub-Carriern am Standort und reinen Zubringern, „Home Carriern“ und neu hinzukommenden internationalen Wettbewerbern finden im Einzelfall immer weniger gemeinsame Positionen hinsichtlich der Entgelte. So wünschen etwa LCC oft ein niedrigeres Leistungsniveau mit entsprechend verbilligten Entgelten, während die Traditionsfluggesellschaften jede Bevorzugung der LCC verhindern wollen. Hub-Carrier am Standort verlangen, dass ihre Drehkreuzfunktion mit Entgeltnachlässen honoriert wird. Auf der anderen Seite versuchen die Flughafenbetreiber, ihren Standort auch über die Gestaltung der Entgelte weiterzuentwickeln. Um ihre Verkehrszahlen zu steigern und das Wachstum zu steuern, gewähren sie in Anreizsystemen (Incentive Schemes) verschiedene Rabatte, geknüpft z. B. an neue Flugverbindungen, außergewöhnliches Passagierwachstum in bestimmten Segmenten oder schlicht die Neugewinnung einer Airline am Standort.

Das Konfliktpotential derartiger Rabatte ist so groß, dass es selbst jahrzehntelang gewachsene Unternehmensverbindungen erschüttert und heute dort, wo noch bis vor wenigen Jahren immer eine Einigung gefunden wurde, Entgeltordnungen selbst nach kontroverser behördlicher Genehmigung bis ins Detail umstritten bleiben.

Kostenzuordnung, Kapitalkosten und Effizienzgebot

Kommt es – ohne Einigung mit den Nutzern – zu einer behördlichen Überprüfung der Entgeltfestsetzung, stellen sich vielfältige Fragen der Kostenermittlung, die jeweils Gegenstand von Diskussionen mit der Genehmigungsbehörde sein können. Dies beginnt bei der Frage der korrekten Kostenzuordnung, insbesondere bei Anwendung des Dual-Till-Ansatzes (getrennte Buchführung des entgeltrelevanten Aviation- und des von den Entgelten getrennten Non-Aviation-Bereichs, in dem der Betreiber mit Einzelhandels- und Restaurantflächen sowie Zusatzangeboten in der Regel erhebliche Erträge erzielt). Eine wesentliche Stellschraube für die Entgelthöhe liegt in den Kapitalkosten, die durch den gewichteten kalkulatorischen Eigen- und Fremdkapitalzinssatz (Weighted Average Cost of Capital, WACC), ausgedrückt werden. Zur korrekten Festsetzung des WACC bedarf es vielfach ökonomischer und juristischer Beratung. Stehen die Kosten einmal fest, kann darüber hinaus über die Überprüfung der vom Gesetz geforderten Effizienzorientierung des Flughafenbetreibers gestritten werden. Fraglich ist dabei insbesondere, ob beim Effizienzgebot dieselben strengen Prüfungsmaßstäbe anzulegen sind wie etwa in der sektorspezifischen Regulierung nach dem Telekommunikations- und Postrecht (Maßstab der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung, KeL).

Kein Anfechtungsrecht für Nutzer?

Mit den Auseinandersetzungen gewinnt die Frage des Rechtschutzes von Nutzern gegen die behördliche Genehmigung der Flughafenentgelte an Bedeutung. Zwar steht die Rechtsprechung in Deutschland bisher auf dem Standpunkt, dass Streitigkeiten über die Entgelte ausschließlich vor den Zivilgerichten im Rahmen einer Entgeltkontrolle analog § 315 BGB auszutragen seien, die Nutzer aber kein Recht zur unmittelbaren Anfechtung einer erteilten Entgeltgenehmigung vor den Verwaltungsgerichten hätten. Dagegen wird in der Literatur zunehmend die Auffassung vertreten, dass schon allein europarechtlich ein Anfechtungsrecht der Nutzer vorgegeben sei. Zuletzt hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zu Klagen einer deutschen Luftverkehrsgesellschaft und ihrer Tochtergesellschaften gegen die Flughafen Berlin-Brandenburg GmbH (FBB) entschieden, dass die Fluggesellschaften kein Klagerecht haben, weil sie nicht in eigenen Rechten verletzt seien (Urteile vom 22. Juni 2016 – OVG 6 A 3.15 und OVG 6 A 16.15). Anders als bei Entgeltgenehmigungen in anderen Regulierungsregimen wie z.B. dem Telekommunikationsrecht sei die Genehmigung der Flughafenentgelte in § 19 b LuftVG nicht privatrechtsgestaltend und betreffe das privatrechtliche Nutzungsverhältnis nicht unmittelbar. Auch die bei der Erteilung der Genehmigung zu berücksichtigenden Kriterien vermittelten den Nutzern keine eigenen Rechte. Das OVG hat jedoch die Revision zugelassen, die aktuell beim BVerwG anhängig ist.

(4. Juli 2017)