OLG Düsseldorf entscheidet zur Vergabe von Wasserkonzes­sionen

Das OLG Düsseldorf hat klargestellt, dass bei der Vergabe von Wasserkonzessionen die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und Transparenz zu beachten sind (Urteil vom 21. März 2018, Az.: VI 2 U (Kart) 6/16 ). Verstöße gegen den Grundsatz einer diskriminierungsfreien und transparenten Vergabe haben im Grundsatz die Nichtigkeit der geschlossenen Verträge zur Folge. Vertragliche Herausgabeansprüche sind bis zur Durchführung eines diskriminierungsfreien und transparenten Auswahlverfahrens nicht durchsetzbar (§ 242 BGB).

Worum ging es im konkreten Fall?

Gegenstand des Rechtsstreits war ein Netzherausgabeanspruch, mit dem die klagende Gemeinde vom Altkonzessionär – der GELSENWASSER AG – die Übereignung des Wassernetzes im Gemeindegebiet verlangte. Rechtsgrundlage war ein sog. Wasserkonzessionsvertrag aus dem Jahr 1978. Unter Wasserkonzessionsverträgen versteht man langfristige Verträge über die Wasserver- und/oder Abwasserentsorgung in einem bestimmten geographischen Gebiet und/oder die Gestattung der Nutzung der öffentlichen Verkehrswege zum Aufbau und Betrieb der notwendigen Versorgungsnetze (vgl. Heller, Wasserkonzessionen nach der Vergaberechtsreform, in: EWeRK 2016, 210 ff. ).

Nach den Regelungen des Konzessionsvertrages hatte die Gemeinde nach Vertragsbeendigung das Recht, die für die Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen käuflich zu erwerben. Die Klägerin kündigte den Konzessionsvertrag im Jahr 2008 fristgemäß und machte die Beendigung im Bundesanzeiger bekannt. In der Bekanntmachung informierte sie weiter über die beabsichtigte Neuausrichtung der Ver- und Entsorgungsstrukturen (Gas, Wasser, Abwasser). Entscheidungskriterien für die Neuvergabe des Konzessionsvertrages wurden nicht veröffentlicht. Im Jahr 2009 gründete die Gemeinde ein Gemeinschaftsunternehmen, das künftig die verschiedenen Bereiche der Ver- und Entsorgung sowie Daseinsvorsorge gebündelt erbringen sollte.

Mit der GELSENWASSER AG wurden in der Folgezeit verschiedene Modelle der Zusammenarbeit verhandelt. Im Ergebnis konnte jedoch keine Einigung erzielt werden. Die GELSENWASSER AG bekundete in diesem Zusammenhang nochmals ihr Interesse am Vertragsschluss. Die Gemeinde schloss im Jahr 2012 dennoch den Wasserkonzessionsvertrag mit dem Gemeinschaftsunternehmen und machte gegenüber dem Altkonzessionär einen Netzherausgabeanspruch geltend. Nach Auffassung des beklagten Altkonzessionärs handelte es sich dabei um eine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB), weil die Auswahlentscheidung nicht in einem diskriminierungsfreien und transparenten Auswahlverfahren getroffen wurde.

Die Entscheidung des OLG Düsseldorfs

Das OLG Düsseldorf lehnte den Herausgabeanspruch der Gemeinde ab.

Das Auswahlverfahren zur Neuvergabe des Wasserkonzessionsvertrages war wegen eines Verstoßes gegen das kartellrechtliche Diskriminierungs- und Behinderungsverbot rechtswidrig und die Auswahlentscheidung unwirksam. Der Durchsetzung des grundsätzlich bestehenden Netzherausgabeanspruchs stand der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen.

Städte und Gemeinden handeln bei dem Abschluss von Konzessionsverträgen als marktbeherrschende Unternehmen. Die Auswahlentscheidung muss deswegen bestimmte verfahrensbezogene und materielle Anforderungen erfüllen. Diese Anforderungen folgen vor allem aus dem kartellrechtlichen Diskriminierungsverbot. Im Fall einer Binnenmarktrelevanz sind zudem die Vorgaben des EU-Primärrechts, insbesondere die allgemeinen Grundsätze der Gleichbehandlung, Transparenz und Verhältnismäßigkeit zu beachten. Eine Binnenmarktrelevanz wurde aufgrund der Grenznähe und dem hohen Auftragswert vom OLG Düsseldorf angenommen.

Nach diesen Grundsätzen muss das Auswahlverfahren so gestaltet werden, dass die an der Konzession interessierten Unternehmen erkennen können, worauf es der Gemeinde ankommt. Die Auswahlkriterien sind – wenn nicht bereits im Rahmen der Bekanntmachung – jedenfalls rechtzeitig vor Angebotsabgabe mitzuteilen. Nur auf diese Weise kann eine an sachgerechten, objektiven Kriterien getroffene, mithin diskriminierungsfreie Auswahlentscheidung sichergestellt werden. Dies hat der BGH bereits im Jahr 2013 für die Vergabe von Stromkonzessionen entschieden (Urteil vom 17. Dezember 2013, Az.: KZR 65/12). Nach Ansicht des OLG Düsseldorfs gibt es keinen Grund, die Wasserkonzessionsvergabe in dieser Hinsicht anders zu behandeln.

Anderes gilt jedoch für den materiellen Inhalt der Auswahlkriterien. Bei der Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen sind die Auswahlkriterien nach der Rechtsprechung des BGH vorrangig an den Zielen des § 1 Abs. 1 EnWG auszurichten (jetzt § 46 Abs. 4 S. 1 EnWG). Mangels entsprechender Regelungen für die Wasserkonzessionsvergabe kommt dem Konzessionsgeber bei der Vergabe von Wasserkonzessionen bei der Aufstellung und Gewichtung der Auswahlkriterien ein weiter Spielraum zu. Die Kriterien müssen jedoch sachbezogen und dürfen nicht willkürlich sein.

Diesen Anforderungen genügte das „Verfahren“ der Gemeinde nicht. Die Gemeinde hatte weder Verfahrensablauf noch Entscheidungskriterien konkretisiert. Stattdessen wurden über mehrere Jahre verschiedene Umsetzungs- und Beteiligungsvarianten erörtert. Erst im Rahmen der Entscheidung des Rates wurde erkennbar, welche Gründe für die Vergabe des Wasserkonzessionsvertrages an das Gemeinschaftsunternehmen maßgeblich waren. Der Verstoß gegen das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot hat eine unbillige Behinderung und die Nichtigkeit des Konzessionsvertrages nach § 134 BGB zur Folge. Ein Betreiberwechsel würde diesen Rechtsverstoß vertiefen (§ 242 BGB).

Auswirkungen der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Düsseldorf hat Signalwirkung für die künftige Vergabe von Wasserkonzessionen. Obwohl es nahe lag, die grundsätzlichen Anforderungen an die Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen im Sinne des § 46 Abs. 2 EnWG zu übertragen, liegt nun die erste obergerichtliche Entscheidung vor. Danach müssen Konzessionsgeber Wasserkonzessionen in einem diskriminierungsfreien und transparenten Auswahlverfahren vergeben.

Diese Anforderungen gelten, obwohl der (Unions-)Gesetzgeber Wasserkonzessionen im Rahmen der EU-Vergaberechtsreform unter den Voraussetzungen des § 149 Nr. 9 GWB von der Anwendung des GWB-Vergaberechts freigestellt hat. Nach der Reform ist auch die Vergabe von Konzessionen im Sinne des § 105 GWB erfasst. Das Verfahren richtet sich nach der KonzVgV, findet aber auf Wasserkonzessionen wegen der Freistellung regelmäßig keine Anwendung.

Das OLG Düsseldorf hat weiterhin im Grundsatz klargestellt, dass eine In-House-Vergabe bei der Vergabe von Wasserkonzessionen möglich ist. Bei der Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen im Sinne des § 46 Abs. 2 EnWG ist die In-House-Vergabe nach der Rechtsprechung des BGH ausgeschlossen. Der BGH stützt dieses Verbot der In-House-Vergabe auf die besonderen Vorgaben des EnWG. Danach soll es – so der BGH – spätestens alle 20 Jahre einen „Wettbewerb um das Netz“ geben.

(14. August 2018)