BGH-Urteil: Weitere unwirksame AGB in Architektenverträgen der öffentlichen Hand

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 16. November 2016 eine weitere Regelung in den Standardverträgen der öffentlichen Hand für unwirksam erklärt, weil sie gegen das AGB-Recht verstößt (BGH, Urteil vom 16. November 2016, VII ZR 314/13). Es geht um die Regelung, nach der das Honorar nur auf der Grundlage von anrechenbaren Kosten berechnet werden kann, die der Auftraggeber genehmigt hat. Der BGH hat festgestellt, dass diese Regelung dem Auftraggeber das einseitige Recht einräume, die dem Architekten geschuldete Gegenleistung für seine Planung zu bestimmen. Das ist eine unangemessene Benachteiligung des Architekten; berechtigte Belange des Auftraggebers, die eine solche einseitig zu Lasten des Architekten gehende Klausel rechtfertigen könnten, sind nicht zu erkennen. Die Klauseln sind daher unwirksam.

Dass der Auftraggeber im Zuge der „Genehmigung“ der Kostenberechnung die vom Architekten berechneten Kosten kürzt, gibt es in verschiedenen Fällen; sie sind auch unterschiedlich zu lösen:

  • Ist der Auftraggeber der Auffassung, die Rechenansätze des Architekten seien falsch (Volumina, Leistungen und/oder Preise), kann das eine berechtigte Einwendung gegen die Kostenberechnung sein („baufachliche Prüfung“). Die Kostenberechnung muss zum Entwurf passen und inhaltlich natürlich richtig sein. Allerdings hat der Architekt bei den von ihm angesetzten Preisen eine gewisse Einschätzungsprärogative. Die Kostenberechnung muss aus der Sicht des Architekten verlässlich sein. Sie hat den Zweck, dem Auftraggeber eine Grundlage für die Entscheidung über die Entwurfsplanung zu geben; daher sollte der Architekt nicht knapp kalkulieren und spätere Kostenüberschreitungen riskieren, sondern angemessen und vorausschauend. Schließlich wird der Architekt bei der Platzierung des Vorhabens auf dem Markt an seiner Kostenberechnung gemessen; daher muss er auch die Möglichkeit haben, mit der Kostenberechnung seine eigene Einschätzung der künftigen Marktpreise abzugeben.
  • Der Auftraggeber kann die Kostenberechnung auch mit dem Ziel kürzen, dem Architekten Einsparungen vorzugeben („budgetäre Prüfung“). Darin kann dann allenfalls eine Vorgabe für die künftigen Planungsphasen liegen. Aber eine solche budgetäre Prüfung ändert nichts an der Honorarberechnungsgrundlage für die bis zu dieser (neuen) Vorgabe erbrachten Planungsleistungen. Und wenn die Einsparungen nicht planerisch umgesetzt werden können, ohne in die bereits erbrachten Planungsphasen wieder einzusteigen und diese teilweise zu wiederholen, müssen sich die Parteien über Änderungen dieser Planungsschritte und das dazugehörige Honorar möglicherweise nach der anerkanntermaßen verunglückten Vorschrift des § 10 HOAI (2013) verständigen; für wiederholte Grundleistungen hat der Architekt ohnehin einen Vergütungsanspruch (§ 632 Abs. 2 BGB).
  • Der Auftraggeber kann schließlich auch der Auffassung sein, die Kostenberechnung übersteige unabhängig von ihrer sachlichen Richtigkeit eine vereinbarte Baukostenobergrenze („vertragliche Prüfung“). Dann ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass der Architekt seine Vergütung nicht aus höheren Kosten als der vereinbarten Baukostenobergrenze errechnen kann (BGH, Urteil vom 6. Oktober 2016, VII ZR 185/13); das folgt allerdings nicht aus der Kürzung der Kostenberechnung im Zuge der Genehmigung, sondern aus allgemeinem Vertragsrecht. Auch danach ist die Frage zu beantworten, ob dasselbe für eine einseitig vorgegebene Kostenobergrenze gilt. Das ist regelmäßig nicht der Fall, wenn sich die Planung im Übrigen als fehlerfrei erweist.

Die Entscheidung des BGH ist übrigens nicht überraschend. Schon 1989 hatte das Kammergericht zu einer entsprechenden Klausel in den Musterverträgen des Landes Berlin dasselbe entschieden. Allerdings ist diese Klausel seitdem unverändert weiter verwendet worden. Das liegt daran, dass die Entscheidung des Kammergerichts 1989 Rechtswirkungen nur inter partes entfaltet, also die Unwirksamkeit streng genommen nur im Rechtsverhältnis zu dem dortigen Architekten geklärt ist. Natürlich hätte jeder Auftragnehmer sich darauf berufen können – und das ist auch immer wieder geschehen –, aber verwendet werden konnte die Klausel dennoch. Auch die jetzt vorliegende Entscheidung des BGH verbietet die Klausel nicht im Allgemeinen. Einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch darauf, dass solche unwirksamen Klauseln nicht mehr verwendet werden, haben nur Unternehmensverbände etc. als sogenannte anspruchsberechtigte Stellen im Sinne des Unterlassungsklagegesetzes. Ein Beispiel dafür ist der fairtrag e.V., der die vorformulierten Beschaffenheitsvereinbarungen zu Baukosten bekämpft (ein Raue LLP-Update zu fairtrag, „Initiative gegen unfaire Vertragsmuster“ ist hier zu finden). Erst wenn auf eine solche Klage hin eine allgemeine Geschäftsbedingung für unwirksam erklärt wird, untersagt das Gericht generell dem Verwender der Musterverträge – hier also der öffentlichen Hand – diese Klausel in den Musterverträgen.

(20. Januar 2017)