Mindestlohn und arbeits­vertragliche Ausschlussfrist

BAG vom 18. September 2018 – 9 AZR 162/18 –

Das Problem

Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen (Verfallklauseln) sind weithin üblich. Traditionell erfassen sie alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und sehen vor, dass diese verfallen, wenn sie nicht innerhalb bestimmter Fristen geltend gemacht werden.

Am 1. Januar 2015 ist das Mindestlohngesetz in Kraft getreten. Nach § 3 Satz 1 MiLoG sind Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam. Welche Konsequenzen hat diese gesetzliche Regelung auf arbeitsvertragliche Ausschlussfristen?

Der Fall

Gegenstand der Entscheidung war der Fall eines Fußbodenlegers. In seinem Arbeitsvertrag war eine übliche Ausschlussfrist enthalten. Sie regelte, dass alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei geltend gemacht worden sind. Der Kläger beanspruchte Urlaubsabgeltung. Die beklagte Arbeitgeberin wandte ein, dass er diesen Anspruch nicht rechtzeitig innerhalb der Ausschlussfrist geltend gemacht habe.

Inhalt der Entscheidung

Der Neunte Senat stellte die Unwirksamkeit der vertraglichen Ausschlussfrist fest. Da diese alle beiderseitigen Ansprüche, mithin potentiell auch den seit dem 1. Januar 2015 garantierten Mindestlohn, erfasst, verstößt sie gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Unwirksamkeit betreffe die Ausschlussfrist insgesamt, da § 3 Satz 1 MiLoG die Unwirksamkeitsfolge nicht auf den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn beschränke. Wegen der Unwirksamkeit insgesamt sei daher der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht erloschen.

Konsequenzen

Die Entscheidung kommt nicht überraschend. Viele Arbeitgeber haben ihre arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen bereits modernisiert und nehmen darin Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn ausdrücklich aus. Arbeitgeber, die diesem Thema keine Beachtung geschenkt haben, sollten unmittelbar handeln, ihre Arbeitsvertragsformulare entsprechend formulieren und jedenfalls bei Arbeitsverträgen, die nach dem 31. Dezember 2014 abgeschlossen wurden, anpassen. Unklar bleibt einstweilen, ob die Unwirksamkeitsfolge für umfassend formulierte Ausschlussfristen auch für Altverträge gilt.

Zu beachten ist, dass die Unwirksamkeitsfolge sämtliche arbeitsvertraglichen Ausschlussfristen betrifft. Auch in den Arbeitsverträgen von außertariflichen und sogar Leitenden Angestellten muss daher der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn ausdrücklich von der Verfallwirkung ausgenommen werden. Geschieht dies nicht, ist die gesamte arbeitsvertragliche Ausschlussfrist unwirksam.

Was gilt bei tariflichen Ausschlussfristen

Ausschlussfristen in Tarifverträgen unterliegen anders als arbeitsvertraglich in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte nicht der gesetzlichen Transparenzkontrolle. Tarifverträge können daher auch weiterhin pauschal alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfassen. Allerdings ergibt sich auch hier aus dem Mindestlohngesetz eine Einschränkung. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn selbst kann auch durch eine tarifvertragliche Ausschlussfrist nicht in Verfall geraten (BAG vom 20. Juni 2018 – 5 AZR 377/17).

(18. September 2018)