Live-Streams in Zeiten von Corona

Als Reaktion auf die zunehmende Einschränkung der Bewegungsfreiheit und der Absage eines Großteils der Veranstaltungen haben viele Künstler und Privatpersonen angefangen, Werke live im Internet aufzuführen oder Lesungen zu veranstalten. Das Anbieten eines solchen Live-Streams wirft rechtliche Fragen auf, nicht zuletzt nach der rundfunkrechtlichen Zulässigkeit.

1. Rundfunklizenz

Nach dem geltenden Rundfunkstaatsvertrag ist ein Großteil der Live-Streams grundsätzlich als Rundfunk zu behandeln: Die Sendung erfolgt linear, richtet sich an die Allgemeinheit zum zeitgleichen Empfang, wird über elektromagnetische Schwingungen verbreitet und erfolgt oft, damit die Zuschauer überhaupt wissen, wann sie einschalten sollen, anhand eines Sendeplans. Ausgenommen sind Angebote, die u.a. weniger als 500 potenziellen Nutzern zum zeitgleichen Empfang angeboten werden, ausschließlich persönlichen oder familiären Zwecken dienen und die nicht journalistisch-redaktionell gestaltet sind. Die Medienanstalten der Länder haben als Orientierungshilfe eine Checkliste zusammengestellt.

Mehr als 500 potentielle Nutzer dürfte allerdings jedes Live-Video haben, das über Plattformen wie Twitter verbreitet wird. Damit das Angebot journalistisch-redaktionell gestaltet ist, genügt zudem schon die Anmoderation oder Kommentierung des Geschehens, Kameraschwenks, -wechsel oder -zooms. Damit dürfte weiterhin ein Großteil der Angebote grundsätzlich zulassungspflichtig sein. Die Live-Aufnahme der Standkamera beim Spielen der Klavier-Sonate ist zwar noch kein Rundfunk. Anders kann das sein, sobald diese vom Pianisten anmoderiert wird.

Diese Regelung soll durch den neuen Medienstaatsvertrag geändert werden, dessen Entwurf die Ministerpräsidenten der Länder am 5. Dezember 2019 verabschiedet haben und der eigentlich bereits Anfang März hätte unterzeichnet werden sollen (so die Angaben des Landes Berlin). Danach sollen nur noch solche Anbieter eine Zulassung brauchen, die nur geringe Bedeutung für die individuelle und öffentliche Meinungsbildung entfalten oder im Durchschnitt von sechs Monaten weniger als 20.000 gleichzeitige Nutzer erreichen (werden). Insbesondere die neu eingezogene Schwelle an tatsächlichen, nicht potentiellen Zuschauern dürfte einen Großteil der Live-Streams von der Zulassungspflicht befreien.

Um bereits jetzt der Zunahme von Live-Streams im Rahmen der Ausbreitung des Coronavirus und dem mit den staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Virus einhergehenden weitgehenden Stillstand des öffentlichen Lebens gerecht zu werden, haben die Landesmedienanstalten angekündigt, für bestimmte Angebote bis zum 19. April 2020 eine reine Anzeige des Angebots genügen zu lassen. Anbieter von Live-Streams könnten so sofort mit Abgabe der Anzeige rechtssicher auch ohne formelle Lizenz senden. Diese veränderte Praxis gilt aber offenbar nur für das Live-Streaming von kulturellen oder religiösen Veranstaltungen sowie Bildungsangeboten. Der Anzeigende soll dafür Name und Adresse der Einrichtung und die Kontaktdaten des Verantwortlichen nennen, den inhaltlichen Gegenstand des Live-Streams sowie die Darstellungsform, insbesondere, ob eine feste Kamera oder mehrere Kameras geplant sind sowie redaktionelle Elemente wie Anmoderation, Interviews etc.

2. Besonderheiten für Einrichtungen in öffentlicher Hand

Besonderheiten gelten für Theater, Schulen und andere Einrichtungen in öffentlicher Hand, aber auch für die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung und anderer staatlicher Stellen Mit Ausnahme von Kirchen und Hochschulen (nicht aber Schulen!) darf eine Rundfunkzulassung generell nicht an juristische Personen des öffentlichen Rechts und mit diesen verbundenen Unternehmen sowie an politische Parteien und Wählervereinigungen erteilt werden. Damit scheidet auch die Erlaubnis nach Anzeige aus. Das betrifft grundsätzlich auch Theater und Schulen, auch wenn bislang kein Fall bekannt ist, in dem eine Landesmedienanstalt auf dieser Grundlage gegen ein Theater vorgegangen ist. Da nur die journalistisch-redaktionelle Gestaltung des Angebots den Anwendungsbereich des Rundfunkstaatsvertrags eröffnet, wäre also in erster Linie das reine Abfilmen der Bühne oder Pressekonferenz mit Standkamera ohne Schwenk oder Zoom zulässig.

3. Urheberrecht

Selbst bei rundfunkrechtlicher Zulassungsfreiheit können den Anbieter von Live-Streams weitere Pflichten treffen. So hat er im Einzelfall zu überprüfen, ob er urheberrechtliche Werke benutzt und hierzu berechtigt ist. Auch die Aufführung eines Theaterstücks aus dem Wohnzimmer heraus ist eine urheberrechtlich relevante Handlung, für die zudem in der Regel andere Rechte einzuholen sind als für eine eigentlich geplante Live-Aufführung Die GEMA weist darauf hin, dass zwar Live-Streams im Rahmen bestehender Verträge als Ersatz der eigentlich geplanten Veranstaltungen zulässig sind, ansonsten aber ein Nutzungsvertrag mit der GEMA zu schließen ist (siehe hierzu auch unseren Beitrag „Auswirkungen der Covid-19 Pandemie für Verwertungsgesellschaften“.

4. Sonstiges

Unabhängig von der rundfunkrechtlichen Zulässigkeit und der urheberrechtlichen Bewertung haben Anbieter von Live-Streams schließlich auch die weiteren Vorgaben einzuhalten, insbesondere zur Kennzeichnung von Werbung, entspringen sie nun dem Rundfunk- oder dem Lauterkeitsrecht.

(29. März 2020)