Aktuelle Rechtsprechung zur Kundenanlage nach § 3 Nr. 24a EnWG

Seit 2011 existiert die Kategorie der Kundenanlage in der Systematik des Energiewirtschaftsgesetzes (§ 3 Nr. 24a und b EnWG). Systematisch endet das regulierte Energieversorgungsnetz (§ 3 Nr. 16 EnWG) an dem Punkt, an dem die unregulierte Kundenanlage sich anschließt (Gesetzesbegründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftlicher Vorschriften, 6. Juni 2011, BT-Drucksache 17/1672, S. 51). Um der umfassenden Netzregulierung zu entgehen, ist es für Energieanlagenbetreiber in den unterschiedlichsten Konstellationen entscheidend, ob die Voraussetzungen der unregulierten Kundenanlage erfüllt sind: Dies betrifft nicht nur einfache Hausverteileranlagen, sondern auch die Energieversorgungsinfrastruktur von Gebäudekomplexen, Gewerbe- und Industriearealen. Relevant ist insbesondere die Regelung des § 3 Nr. 24a EnWG, der anders als § 3 Nr. 24b EnWG nicht eine betriebliche Eigenversorgung über die Anlage voraussetzt.

Kriterien der Kundenanlage nach § 3 Nr. 24a EnWG

§3 Nr. 24a EnWG definiert Kundenanlagen als

„Energieanlagen zur Abgabe von Energie,

a) die sich auf einem räumlich zusammengehörenden Gebiet befinden,

b) mit einem Energieversorgungsnetz oder mit einer Erzeugungsanlage verbunden sind,

c) für die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas unbedeutend sind und

d) jedermann zum Zwecke der Belieferung der angeschlossenen Letztverbraucher im Wege der Durchleitung unabhängig von der Wahl des Energielieferanten diskriminierungsfrei und unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden“.

Der Tatbestand ist geprägt durch unbestimmte Rechtsbegriffe und die Auslegung entsprechend umstritten. In der ersten Jahreshälfte haben sich nun das Oberlandesgericht Frankfurt (Beschl, v. 08.03.2018, Az. 11 W 40/16) und das Oberlandesgericht Düsseldorf (Beschl. v. 13.06.2018, Az. VI-3 Kart 48/17 (V)) zur Konkretisierung der Voraussetzungen einer Kundenanlage geäußert. In beiden Fällen lehnten die Gerichte eine Einstufung als Kundenanlage ab.

Räumlich zusammengehörendes Gebiet

Das OLG Düsseldorf setzte sich intensiv mit dem Kriterium des räumlich zusammengehörenden Gebiets (§ 3 Nr. 24a lit. a EnWG) auseinander. Eine solche räumliche Zusammengehörigkeit setzte eine – aus Sicht eines objektiven Betrachters – wahrnehmbare räumliche Gebietseinheit voraus, die durch eine geringe räumliche Ausdehnung und eine innere Verbundenheit charakterisiert werde (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.06.2018, Az.: VI-3 Kart 48/17 (V), Rn. 76 ff.). In diesem Fall könne sich die Kundenanlage auch über mehrere Grundstücke erstrecken und mehrere Gebäudekomplexe erfassen. Die Verbundenheit könne durch verbindende Elemente hergestellt werden, aber auch durch Straßen, Gleise, Brücken oder Vergleichbares widerlegt werden. Eine reine Anliegerstraße, die hauptsächlich dem Zugang zu den Grundstücken und der Gebietserschließung diene, sei für die Einstufung als Kundenanlage kein Hindernis (so auch schon Gemeinsames Positionspapier der Regulierungsbehörden der Länder und der Bundesnetzagentur zu geschlossenen Verteilernetzen gem. § 110 EnWG, 23.02.2012, S. 6; BNetzA, Beschl. v. 03.04.2017, Az.: BK6-15-166, S. 12; BNetzA, Beschl. v. 27.07.2017, Az.: BK6-16-279, S. 13). Eine räumliche Zusammengehörigkeit liege jedoch nicht mehr vor, wenn der Eindruck der Gebietseinheit durch eine mehrspurige Straße widerlegt werde (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.06.2018, Az.: VI-3 Kart 48/17 (V), Rn. 82).

Unentgeltliche Nutzung

Das OLG Frankfurt beschäftigt sich insbesondere mit dem Kriterium des Rechts zur unentgeltlichen Nutzung der Kundenanlage (§ 3 Nr. 24a lit. d EnWG). Das Kriterium erfordere nicht nur, dass der Betreiber einer Kundenanlage kein Nutzungsentgelt von durchleitenden (externen) Energielieferanten verlangen dürfe, welche an die Kundenanlage angeschlossene Letztverbraucher belieferten. Es bedeute vielmehr, dass er auch von den angeschlossenen Letztverbrauchern kein verbrauchsabhängiges Entgelt für die Nutzung der Kundenanlage fordern dürfe. Zulässig sei hingegen die Zurverfügungstellung der Kundenanlage im Rahmen eines vertraglichen Gesamtpakets (Miete, Pacht) oder eine verbrauchsunabhängige Umlage der mit dem Betrieb der Kundenanlage anfallenden Kosten. In dem zu entscheidenden Fall versorgte die Anlagenbetreiberin die angeschlossenen Letztverbraucher mit Strom, ohne eine Nutzungspauschale für die Energieinfrastruktur zu verlangen. Unter diesen Umständen erachtete das OLG Frankfurt die Strompreise als verhältnismäßig hoch, ohne dass plausibel zu erklären sei, wie genau der Preis zustande komme. Dies lasse die Vermutung zu, dass im Strompreis weitere verbrauchsabhängige Entgelte für den Anlagenbetrieb enthalten seien. Den positiven Nachweis der Unentgeltlichkeit habe die Anlagenbetreiberin nicht zu erbringen vermocht, die auf Grund des Regel-Ausnahme-Verhältnisses von reguliertem Versorgungsnetz und unregulierter Kundenanlage beweisbelastet gewesen sei (OLG Frankfurt, Beschl, v. 08.03.2018, Az. 11 W 40/16, Rn. 40 ff.).

Voraussetzungen der Kundenanlage bleiben konturlos

Beide Entscheidungen zeigen, dass Gerichte die unregulierte Kundenanlage als Ausnahme zum regulierten Netzbetrieb sehen und die Kriterien des § 3 Nr. 24a EnWG entsprechend eng auslegen. Eine abschließende Bestimmung zu den Voraussetzungen der Kundenanlage bieten aber auch die beiden aktuellen Urteile nicht. Dies gilt insbesondere auch für das weitere Kriterium einer fehlenden wettbewerblichen Bedeutung (§ 3 Nr. 24a lit. c EnWG). Diese soll sich aus einer Gesamtschau der Anzahl der angeschlossenen Letztverbraucher, der geografischen Ausdehnung der Kundenanlage sowie der Menge der durchgeleiteten Energie ergeben (Gesetzesbegründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftlicher Vorschriften, 06.06.2011, BT-Drucksache 17/1672, S. 51). Exakte Schwellenwerte finden sich weder in der Gesetzesbegründung oder der bisherigen Rechtsprechung, noch in den beiden aktuellen Urteilen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 13.06.18, Az.: VI-3 Kart 48/17 (V), Rn. 94 ff., OLG Frankfurt, Beschl. v. 08.03.2018, Az.: 11 W 40/16 (Kart), Rn. 96).

Für Anlagenbetreiber folgt daraus, dass die Einstufung als Kundenanlage stets anhand der konkreten Umstände im Einzelfall untersucht werden muss. Diese Unsicherheit stellt angesichts der erheblichen regulatorischen Konsequenzen einer Einordnung als reguliertes Netz eine sehr unbefriedigende Situation dar.

(25. September 2018)