Verfassungs­widrigkeit der Konzessions­abgabenverord­nung

Die Konzessionsabgabeverordnung (KAV) von 1992 ist ein Relikt aus Zeiten der Gebietsmonopole. Die KAV regelt die Zulässigkeit und Bemessung von Konzessionsabgaben. Konzessionsabgaben sind privatrechtliche Entgelte für die Einräumung des Rechts zur Verlegung von Gas- und Stromleitungen im öffentlichen Straßenland. Die Entgelte für die Straßennutzung werden mit den Konzessionären in Wegenutzungsverträgen (mehr dazu im Raue LLP-Update „Konzession: Die Novelle der § 46 EnWG“) vereinbart. Spätestens seit der Liberalisierung der Energiemärkte im Jahr 2005 sind die Kernregelungen der KAV verfassungswidrig. Die Regelungssystematik der KAV-Höchstsätze verstößt gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) und das rechtsstaatliche Willkürverbot (ausführlich zu allem: von Hammerstein/Heller, in: Festschrift Schwintowski, Innovatives Denken zwischen Recht und Markt (2018), S. 578 ff.).

Die Verfassungswidrigkeit hat jüngst auch praktische Relevanz erlangt. Das Land Berlin hat die GASAG AG beim Landgericht Berlin auf Nachzahlung von mehr als 100 Millionen Euro Konzessionsabgaben verklagt (mehr dazu im Raue LLP-Update „GASAG AG wehrt mit Raue LLP Klage des Landes Berlin auf Nach­forderung von Konzessions­abgabe ab“). Nach Auffassung des Landes Berlin verstießen die mit der GASAG AG geschlossenen Mengenbandvereinbarungen gegen die Vorgaben der KAV. Das Landgericht Berlin hat die Klage des Landes Berlin vollumfänglich abgewiesen. In den Gründen spricht das Landgericht Berlin auch die Frage an, ob die KAV überhaupt Prüfungsmaßstab sein kann oder verfassungswidrig ist und unangewendet bleiben muss. Das Landgericht Berlin hat die Frage jedoch ohne tiefergehende Auseinandersetzung offen gelassen, weil dem Land Berlin auch bei Berücksichtigung der Vorgaben der KAV kein Zahlungsanspruch zustand.

Um die Strom- und Gaskunden vor überhöhten Konzessionsabgaben zu schützen, regelt die KAV im Wesentlichen ein Höchstpreisrecht. Die Konzessionsabgaben werden in der Lieferkette an die Endkunden durchgereicht. Deswegen gilt: Umso höher die Konzessionsabgaben, desto höher der Energiepreis. Es gibt jedoch – anders als man erwarten könnte – keinen einheitlichen KAV-Höchstsatz, sondern unterschiedliche KAV-Höchstsätze. Die unterschiedlichen KAV-Höchstsätze unterscheiden unter anderem nach Energieträger (Strom oder Gas), Kundengruppe (Tarif- oder Sondervertragskunde), Verwendungszweck (Heizgas oder Koch- und Warmwassergas) sowie Gemeindegröße. Der Verordnungsgeber hat die Differenzierungen mit unterschiedlichen Begründungen gerechtfertigt, die schon im Jahr 1992 höchst fragwürdig waren.

Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Höchstsätzen sind enorm und summieren sich bundesweit auf viele 100 Millionen Euro zulasten der Energieverbraucher, denen Konzessionsabgaben der höchsten Kategorien in Rechnung gestellt werden. Für Gaslieferungen an Tarifkunden in einer großen Gemeinde mit mehr als 500.000 Einwohnern darf zum Beispiel maximal eine Konzessionsabgabe in Höhe von 0,93 ct/kWh vereinbart werden. Wird in der gleichen Gemeinde dagegen ein Sondervertragskunde beliefert, beträgt das höchstzulässige Maximum nur 0,03 ct/kWh. Für den Tarifkunden darf also das 31-fache vereinbart werden. Im Ergebnis folgen aus dem Regelungssystem der KAV massive Ungleichbehandlungen.

Diese Ungleichbehandlungen sind sachlich nicht gerechtfertigt und verstoßen gegen Art. 3 GG. Insbesondere die Ungleichbehandlung von Tarif- und Sondervertragskunden ist auf liberalisierten Energiemärkten nicht mehr begründbar. Nach § 1 Abs. 3 KAV sind Tarifkunden alle Kunden, die auf Grundlage von Verträgen nach § 36 EnWG (Grundversorgung) oder § 38 EnWG (Ersatzversorgung) beliefert werden. Alle anderen Kunden sind hingegen Sondervertragskunden (§ 1 Abs. 4 KAV). Diese Unterscheidung hat jedoch keinerlei Bezug zur Nutzung des öffentlichen Straßenlandes. Das Straßenland wird bei der Belieferung eines Tarifkunden nicht mehr in Anspruch genommen als bei der Belieferung eines Sondervertragskunden. Zudem hat jeder Strom- und Gaskunde – unabhängig von seinem Verbrauch oder dem Belieferungsort – das Recht, einen Sonderkundenvertrag abzuschließen. Nach dem Monitoringbericht der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamtes aus dem Jahr 2016 hatten im Strombereich 68 % und im Gasbereich 76 % der Haushaltskunden Sonderkundenverträge.

(2. März 2018)