Raue auf dem EWeRK Online-Seminar zur Gaspreisexplosion

„Schadensersatzansprüche gegen Gazprom aufgrund überhöhter Preise seien durchaus möglich“ war ein zentrales Statement von Christian von Hammerstein, Partner bei Raue, im Rahmen des Online-Fachseminars „Gaspreisexplosion: Geostrategien-Ursachen-Auswirkungen-Kartellrechtliche Bewertung“ des Instituts für Energie- und Wettbewerbsrecht in der kommunalen Wirtschaft e.V. (Ewerk) an der Humboldt-Universität zu Berlin am 16.11.2021. Er erläuterte die entsprechenden Anspruchsgrundlagen in seinem Vortrag „Sanktionen und Schadensersatz wegen überhöhter Gaspreise“ Dabei könnte zum Beispiel ein Schaden bei Energieversorgern und Endkunden entstanden sein, wenn sie wegen missbräuchlich überhöhter Gaspreise zu diesen Preisen Mengen beschaffen mussten. Von Hammerstein unterstrich dabei, dass sich Schadensersatzansprüche auch ohne ein Kartellverfahren gerichtlich geltend machen ließen. Aus der europäischen Rechtsprechung zu dieser Frage ergebe sich, dass man dazu weder in Moskau noch in Sankt Petersburg gegen Gazprom vorgehen müsse, sondern derartige Ansprüche auch gegen deutsche Gazprom-Gesellschaften wie Wingas oder den Speicherbetreiber Astora richten könnte.

Im Beitrag zur kartellrechtlichen Bewertung der Gaspreisexplosion wurde unterstrichen, dass eine missbräuchliche Nutzung von Marktmacht durchaus vorliegen könnte. Im Jahr 2020 habe Gazprom einen Marktanteil von über 50 Prozent auf dem deutschen Gasimportmarkt gehabt, was die übliche Definition für ein marktbeherrschendes Unternehmen erfülle. Die geläufigen Argumente, die langfristigen Lieferverpflichtungen zu erfüllen und Mengen zur Befüllung der eigenen Speicher zu benötigen, reichen nicht aus, um einen Missbrauch von Marktmacht zu verneinen. Auch bei den Kartellverfahren gegen Stromproduzenten in Deutschland ging es um den Vorwurf, den Verkauf von Mengen in den Handelsmarkt zurückzuhalten. Von Hammerstein ergänzte, dass Gazprom Export mit seiner Electronic Sales Platform (ESP) über einen eigenen Kanal für zusätzliche Verkäufe verfüge, der 2019 und 2020 intensiver genutzt wurde. Und es existierten noch weitere Zugänge zu weiteren zentralen Handelsplattformen.

Auch für die Beratungsgesellschaft LBD ist es offenkundig, dass Gazprom Mengen zurückhält. In ihrem Vortrag „Die wirtschaftlichen Gründe des Gaspreisanstiegs – Rolle der Gazprom“ argumentierten Ben Schlemmermeier, Geschäftsführer und einer der LBD-Gesellschafter, und LBD-Prokurist Ralf Nellen, dass die Gasmengen aus Russland in den ersten acht Monaten 2021 um 19,3 Mrd. Kubikmeter gegenüber 2019 gesunken seien. Zudem nutze Gazprom Export die Transportkapazitäten durch die Ukraine und Polen nur teilweise. Und letztlich deuteten auch die Äußerungen russischer Politiker auf die Zurückhaltung von Mengen hin. So hatte gemäß deutschen Presseberichten der russische Präsident Wladimir Putin wiederholt einen Zusammenhang zwischen möglichen schnellen zusätzlichen Lieferungen und der Inbetriebnahme von Nord Stream 2 geäußert.

Der energate Messenger berichtete ebenfalls ausführlich in einem Artikel über das EWeRK Online-Seminar zur Gaspreisexplosion.

(18. November2021)