Neues zum Pooling: Gute Chancen für Netzkunden auf Rückzahlungen

Das OLG Düsseldorf hat mit einem Beschluss vom 18. Januar 2017 erneut im Interesse der Netzkunden entschieden, die in dem seit Jahren schwelenden Streit über die Rechtmäßigkeit des sogenannten Poolings überhöhte Netzentgelte gezahlt haben (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18. Januar 2017, VI-3 Kart 183/15 (V)).

Was ist Pooling?

Unter Pooling versteht man die Zusammenfassung von mehreren Entnahmepunkten eines Netznutzers bei der Berechnung der Netzentgelte. Die für die Berechnung der Netzentgelte relevante Jahresleistungsspitze richtet sich beim Pooling nach der „zusammengefassten Entnahmestelle“ und nicht nach jedem einzelnen Entnahmepunkt. Ohne Pooling würden die Jahresleistungsspitzen der betroffenen Entnahmepunkte zeitungleich erfasst. Die Betrachtung der „zusammengefassten Entnahmestelle“ führt in der Regel zu geringeren, abrechnungsrelevanten Werten für die Jahreshöchstleistung als bei einer getrennten und damit zeitungleichen Abrechnung der einzelnen Entnahmestellen. Im Ergebnis fallen die von den Netzkunden zu zahlenden Netzentgelte durch das Pooling daher geringer aus.

Der das Pooling betreffende § 17 Abs. 2a StromNEV ist seit dem 1. Januar 2014 in Kraft und bestimmt die Zulässigkeit des Poolings zur Netzentgeltberechnung, wenn die Entnahmestellen technisch

  • entweder Bestandteil desselben Netzknotens sind oder
  • zwischen den Entnahmestellen kundenseitig eine galvanische Verbindung besteht.

Technische Erläuterungen sind hier zu finden.

OLG Düsseldorf erweitert die Plicht der Netzbetreiber zum Pooling bei induktiver Verbindung

In seinem Beschluss legt das OLG Düsseldorf nun den zulässigen Anwendungsbereich des Poolings weiter aus und verpflichtet Netzbetreiber (auch rückwirkend) zur gepoolten Netznutzungsentgeltberechnung, wenn zwischen den betroffenen Entnahmestellen zwar keine galvanische Verbindung, aber eine induktive Verbindung besteht.

Damit bestätigt das OLG Düsseldorf die Auslegung der BNetzA zu § 17 Abs. 2a StromNEV. Der Entscheidung lag nämlich ein Missbrauchsverfahren der BNetzA zu Grunde, das die star.Energiewerke Raststatt gegen die Netze BW angestrengt hatte, da die Netze BW als Netzbetreiberin sich geweigert hatte die Netzentgelte gepoolt zu berechnen (BNetzA, Beschluss  vom 14.10.2015, BK8-15/M0843-01). Kern des Rechtsstreits war die Frage, ob auch eine induktive Verbindung zwischen Entnahmestellen zur gopoolten Netzentgeltberechnung berechtigt. Diese Auffassung hatte die BNetzA bereits in einem Positionspapier zur Auslegung von § 17 Abs. 2a StromNEV vertreten, da „galvanische Verbindung“ nicht im beschränkt technischen Sinne zu verstehen sei (Gemeinsames Positionspapier  der Landesregulierungsbehörden und der Bundesnetzagentur zur Auslegung der §§ 2 Nr. 11 und 17 Abs. 2a StromNEV [Pooling] vom 14.11.2014). Entsprechend entschied die BNetzA zugunsten der star.Energiewerke Raststatt.

Genau diese Auffassung hat das OLG Düsseldorf nun mit seinem Beschluss bestätigt und die Netze BW darüber hinaus verpflichtet, die Entscheidung auch rückwirkend für den gesamten Zeitraum der zu Unrecht erfolgten entpoolten Abrechnungspraxis zu erstrecken. Mit der Auslegung der Vergleichbarkeit von galvanischer und induktiver Verbindung bestätigt das OLG Düsseldorf im Übrigen auch die bereits im Jahr 2015 ergangene Verfügung des LG Offenburg (LG Offenburg, Verfügung v. 22.07.2015, Az.: 5 O 10/15 KfH). Auch die dortigen Richter befanden, dass die streng technische Differenzierung zwischen galvanischer und induktiver Verbindung diskriminierend sei, zogen daraus jedoch den Schluss, dass die Regelung des § 17 Abs. 2a Satz 1 Nr. 4 Alt. 2 StromNEV insgesamt unwirksam sei.

Die Vorgeschichte des OLG Düsseldorf beim Thema Pooling

Die Pooling-Problematik hat beim OLG Düsseldorf bereits eine über mehrere Jahre andauernde Vorgeschichte. Auftakt zu der Auseinandersetzung war die sogenannte Pooling-Festlegung der BNetzA aus dem Jahr 2011 (Beschluss zur Festlegung der Abrechnung mehrerer Entnahmestellen mit zeitgleicher Leistung (Pooling) vom 26. September 2011, Az.: BK8-11/015), in der die BNetzA erstmals Vorgaben zu der bis dahin gesetzlich nicht regulierten Praxis des Poolings getroffen hatte. In einem Hinweisbeschluss vom 5. Juni 2013 zweifelte das OLG Düsseldorf an der Rechtmäßigkeit der Pooling-Festlegung, da es bereits an einer Ermächtigungsgrundlage für die Festlegung fehle und darüber hinaus das bereits bisher praktizierte Pooling entgegen der Auffassung der BNetzA nicht gegen die Vorschriften der StromNEV verstoßen habe (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 05.06.2013, Az.: VI-3 Kart 61/11). Der Gesetzgeber reagierte auf die Kontroverse mit der Einführung des § 17 Abs. 2a StromNEV, der am 1. Januar 2014 in Kraft trat.

Die BNetzA hob die Pooling-Festlegung mit Beschluss vom 25. Juni 2014 wieder auf (Beschluss  zur Rücknahme der Festlegung zur Abrechnung mehrerer Entnahmestellen mit zeitgleicher Leistung (Pooling) in Abweichung von § 17 Abs. 8 StromNEV, 25.06.2014, Az.: BK8-11/015-018, BK8-11/020-022). Sie legte jedoch fest, dass die Rücknahme der Pooling-Festlegung aufgrund des Vertrauensschutzes der betroffenen Netzbetreiber nur ex nunc mit Wirkung ab dem 1. Januar 2014 gelte, mit der Konsequenz, dass die bereits in den Jahren 2012 und 2013 von den Netzbetreibern gegenüber den Netzkunden gestellten „entpoolten“ Netznutzungsentgeltabrechnungen wirksam blieben.

Doch auch diese Festlegung fand beim OLG Düsseldorf wenig Gefallen. In seinem Beschluss vom 9. März 2016 erklärte das Gericht die Rücknahmeregelung der BNetzA aufgrund des ihr eingeräumten Auswahlermessens zwar nicht grundsätzlich als rechtswidrig, machte jedoch seine Sicht zur ursprünglichen Pooling-Festlegung und der späteren Rücknahme mit ex nunc Wirkung mehr als deutlich (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.03.2016, Az.: VI-3 Kart 157/14 (V)):

„Zwar vertritt die Bundesnetzagentur in den Beschlussgründen die unzutreffende Rechtsauffassung, dass die Festlegung erst durch die Rechtsänderung rechtswidrig geworden sei. Diese Bewertung, die der rechtlichen Würdigung des Senats entgegensteht, wie sie in dem Hinweisbeschluss vom 05.06.2013 in dem Beschwerdeverfahren gegen die Pooling-Festlegung (VI-3 Kart 61/1 (V)) zum Ausdruck gekommen ist, war jedoch für die Ausübung des Auswahlermessens nicht maßgeblich.“

Darüber hinaus erklärte das OLG Düsseldorf ausdrücklich, dass trotz der angeordneten ex nunc Wirkung Netzkunden die überhöhten Netzentgelte zurückfordern könnten:

„[…] entfaltet die Pooling-Festlegung keine Bestandskraft zwischen Netznutzern und Netzbetreibern, so dass auch unter der Geltung der Festlegung für die Jahre 2012 und 2013 Netznutzer unter Hinweis auf die materielle Rechtswidrigkeit der Festlegung im Rahmen einer auf § 315 BGB gestützten Klage Rückforderungsansprüche gegen Netzbetreiber geltend machen können.

[…] Macht der Kunde im Rahmen einer auf § 315 BGB gestützten Klage geltend, dass die Netzentgelte unrechtmäßig überhöht seien, steht die Festlegung einem Regress nicht entgegen, denn sie entfaltet im Verhältnis zwischen Netzbetreiber und Kunden keine Rechtswirkung.“

Gute Chancen für Rückforderungsansprüche von Netzkunden

Im Ergebnis sind die Entscheidungen des OLG Düsseldorfs gute Nachrichten für alle Netzkunden, die seit 2012 aufgrund entpoolter Netzentgeltabrechnungen überhöhte Netzentgelte gezahlt haben. Das OLG Düsseldorf hat nicht nur die grundsätzliche Möglichkeit eines Rückforderungsanspruches (auf Grundlage des § 315 BGB) bejaht, sondern mit der aktuellen Entscheidung die materiellen Voraussetzungen des Anspruchs klargestellt und gleichzeitig erweitert. Jeder Netzkunde, dessen Entnahmestellen die technischen Voraussetzungen des § 17 Abs. 2a StromNEV erfüllen (wobei bereits das Vorliegen einer kundenseitigen induktiven Verbindung ausreicht) sollte prüfen, ob er in den Jahren seit 2012 eine entpoolte Netznutzungsentgeltabrechnung erhalten hat. Dies gilt selbst für die Jahre 2012 und 2013, da angesichts der unklaren Rechtslage zur Rechtmäßigkeit des Poolings und seiner Voraussetzungen eine mögliche Verjährung von Rückzahlungsansprüchen gehemmt gewesen sein dürfte.

(9. Februar 2017)