Neue Wendung in der Beihilfedis­kussion: EuGH kassiert Einordnung der EEG-Förderung als Beihilfe

Mit Urteil vom 28. März 2019 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die Förderinstrumente des EEG in seiner Fassung vom 17. August 2012 (EEG 2012) von der Kommission und dem Gericht der Europäischen Union (EuG) unzutreffend als Beihilfe im Sinne von Artikel 107 Abs. 1 AEUV eingeordnet wurden. Nachdem weder eine mündliche Verhandlung angesetzt noch ein Generalanwalt mit Schlussanträgen beauftragt wurde, stellt das Urteil durchaus eine Überraschung dar. Bei genauerem Hinsehen ist es allerdings eine konsequente Fortführung der Rechtsprechung des EuGH in Sachen PreussenElektra, die jedoch in der Folgezeit durch Entscheidungen der Kommission und des EuG immer weiter eingeschränkt wurde.

Nach Auffassung des EuGH fehlte bereits das Merkmal einer staatlichen Maßnahme bzw. einer Maßnahme unter Inanspruchnahme staatlicher Mittel; jedenfalls sei dieses nicht nachgewiesen worden. Der EuGH grenzte den Umlagemechanismus des EEG 2012 zum einem gegen die Ausgangskonstellationen ab, die seinem Urteil in der Rechtsache Essent vom 17. Juli 2008 zugrunde lag, zum anderen gegen das Urteil in der Rechtssache Association Vent De Colère! vom 19. Dezember 2013. Im Hinblick auf das Essent-Urteil stellte der EuGH zunächst fest, dass eine gesetzlich festgelegte, parafiskalische Abgabe, die diesem Urteil zugrunde lag, im Hinblick auf die EEG-Umlage fehle – dies bereits deshalb, weil das EEG 2012 die Wälzung der EEG-Umlage auf die Letztverbraucher, sog. 5. Stufe des Wälzungsmechanismus, nicht verbindend vorschrieb. Das Argument der Kommission, in der Praxis würde die EEG-Umlage faktisch durchgängig auf die Letztverbraucher abgewälzt, ließ der Gerichtshof nicht gelten.

Der EuGH prüfte weiter, ob der Einsatz staatlicher Mittel jedenfalls deshalb zu bejahen sei, weil die über die EEG-Umlage erhobenen Gelder ständig unter staatlicher Kontrolle und somit den öffentlichen Stellen zur Verfügung gestanden hätten. Auch dies lehnte er unter Abgrenzung zu seinem Urteil in der Rechtsache Vent De Colère ab. Anders als in diesem Urteil unterlägen die Übertragungsnetzbetreiber im Hinblick auf die Ermittlung und Verwaltung der EEG-Umlage keiner ausreichenden staatlichen Kontrolle. Er verwies dazu auf die entsprechenden Passagen des Urteils in Sachen Vent De Colère, wonach es sich bei der dort die Zahlungsströme verwaltenden Caisse des dépôts et consignations um eine juristische Person des öffentlichen Rechts gehandelt hatte, im Hinblick auf deren Personalzusammensetzung und Überwachung erhebliche staatliche Eingriffsbefugnisse bestanden.  Ferner käme es unter dem EEG 2012 – anders als in der Rechtsache Vent De Colère – nicht zu einer Auffanghaftung durch den Staat, wenn die von den Stromverbrauchern erhobenen Abgaben zur Deckung der durch den Fördermechanismus hervorgerufenen Mehrkosten nicht ausreichten.

In der Sache stellt das Urteil eine wünschenswerte Klarstellung zwischen bloßen Preisregulierungsvorschriften und staatlichen Beihilfesystemen dar. Die Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils des EuG ließen letztlich die Frage unbeantwortet, aufgrund welcher Unterschiede im Regulierungsmechanismus das Stromeinspeisungsgesetz, das in der Rechtssache PreußenElektra auf dem Prüfstand stand, nun in Form des EEG 2012 in eine Beihilfe umgeschlagen sein sollte.

Spannend bleibt, welche Schlussfolgerungen aus dem Urteil für den aktuellen Rechtsrahmen bei der Förderung Erneuerbarer Energien sowie im Hinblick auf andere Umlagemechanismen zu ziehen sind. Sind gesetzlich vorgesehene Umlagen auch hinsichtlich ihrer Höhe bestimmt und separat ausgewiesen, dürfte entscheidend sein, ob der Wälzungsmechanismus auch die 5. Stufe der Weiterbelastung an die Letztverbraucher verbindlich einbezieht. Jedenfalls aber wird die Auffassung der Kommission zur beilhilferechtlichen Einstufung von Netz– und Kapazitätsreserven sowie zur Netzentgeltbefreiung vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils schwerlich aufrecht zu erhalten sein. Soweit es schon an einer gesonderten Ausweisung als Umlage neben dem zu zahlenden Netzentgelt fehlt, wird eine parafiskalische Abgabe in aller Regel nicht vorliegen. Kostenelemente, die über ihren Eingang in die Erlösobergrenzen letztlich die Netzentgelte beeinflussen, sind darüber hinaus mangels ausreichender staatlicher Kontrolle der Zahlungsflüsse nach dem nun ergangen EuGH-Urteil wohl auch nicht als „aus staatlichen Mitteln“ gewährte Zahlungen zu qualifizieren. Den nationalen Gesetzgebern dürfte das Urteil damit künftig größere Spielräume bei der Gestaltung ihrer Energiepolitik eröffnen.

(2. April 2019)