Neue Auslegungs­grundsätze zur Entflechtung (MsbG) weiterhin in der Kritik

Am 9. Juli 2018 hat die BNetzA gemeinsam mit den Regulierungsbehörden der Länder ihre überarbeiteten Auslegungsgrundsätze zu entflechtungsrechtlichen Fragen nach dem MsbG veröffentlicht. Nachdem die erste Fassung der Auslegungsgrundsätze in der Branche teils auf massive Kritik gestoßen ist, haben die Regulierungsbehörden ihre Rechtsauffassung in Teilen abgeschwächt. Aus Praxissicht dürften sich hieraus jedoch kaum Erleichterungen ergeben.

Das MsbG enthält zur Entflechtung nur eine Regelung in § 3 Abs. 4 Satz 2. Danach ist die Unabhängigkeit des grundzuständigen Messstellenbetriebs von anderen Tätigkeiten der Energieversorgung über die buchhalterische Entflechtung sicherzustellen. §§ 6b, 6c und 54 EnWG sind entsprechend anwendbar. Eine Definition des wettbewerblichen Messstellenbetriebs im Gegensatz zu dem grundzuständigen Messstellenbetrieb enthält das MsbG nicht. Grundlage für die Entstehung von Wettbewerb im Messstellenbetrieb ist aber die bereits in der Vorgängerregelung in § 21i EnWG enthaltene Bestimmung in § 5 MsbG, wonach der Anschlussnutzer einen „Dritten“ mit dem Messstellenbetrieb beauftragen kann.

In der ersten Fassung der Auslegungsgrundsätze vom 14. Juli 2017 leiteten die Regulierungsbehörden aus § 3 Abs. 4 Satz 2 und § 5 MsbG im Wesentlichen drei Thesen ab:

  • Der grundzuständige Messstellenbetrieb gehöre zum Netzbetrieb,
  • der wettbewerbliche Messstellenbetrieb sei demgegenüber ein anderer Tätigkeitsbereich der Energieversorgung und
  • der Dritte im Sinne von § 5 MsbG müsse grundsätzlich personenverschieden (also eine andere Gesellschaft) von dem grundzuständigen Messstellenbetreiber sein.

Folge der ersten These ist, dass die Entflechtungsregelungen des § 6 ff. EnWG, auch soweit es um den grundzuständigen Messstellenbetrieb durch den Netzbetreiber geht, anwendbar sind. Dies zieht eine Anstellungspflicht des mit dem grundzuständigen Messstellenbetrieb befassten Personals beim Netzbetreiber nach sich. Auch die Markenpolitik des grundzuständigen Messstellenbetriebs muss Verwechslungen beispielsweise mit Vertriebsaktivitäten ausschließen, § 7a EnWG.

Bereits diese erste These der Regulierungsbehörden ist zweifelhaft. Sie beschränkt den Geltungsbereich von § 3 Abs. 4 Satz 2 MsbG auf das Verhältnis des grundzuständigen Messstellenbetriebs zum Netzbetreiber, sodass als Auffangregelungen §§ 6 ff. EnWG gelten. Eine solche Beschränkung des Anwendungsbereiches ist nach dem MsbG nicht zwingend. Vielmehr wollte der Gesetzgeber durch den expliziten Verweis nur auf die Regelungen zur buchhalterischen Entflechtung die „Einbeziehung des grundzuständigen Messstellenbetreibers in das Entflechtungsregime“ (insgesamt) anordnen (BT-Drs. 18/7555, S. 76).

Auf breites Unverständnis stieß die dritte Annahme der Regulierungsbehörden: § 5 MsbG, wonach der Anschlussnutzer (und unter bestimmten Voraussetzungen der Anschlussnehmer) einen „Dritten“ mit dem Messstellenbetrieb beauftragen kann, mache eine Ausgründung einer weiteren juristischen Person erforderlich. Ansonsten handele es sich nicht um einen „Dritten“ im Sinne des Gesetzes. § 5 MsbG wird damit „durch die Hintertür“ zum Entflechtungstatbestand. Das MsbG enthält hierfür keinerlei Grundlage. Insbesondere für kleinere Stadtwerke unterhalb der de-minimis-Schwelle, die mangels rechtlicher Entflechtung den Bereich des wettbewerblichen Messstellenbetriebs nicht einfach bei einer anderen Gesellschaft des integrierten EVU ansiedeln können, bedeutet die Auslegung der Regulierungsbehörden einen klaren Wettbewerbsnachteil.

Vermutlich als Reaktion auf die Kritik der Branche haben die Regulierungsbehörden nun am 9. Juli 2018 eine überarbeitete Fassung der Auslegungsgrundsätze vorgelegt. Eine Korrektur hat die Auslegung des Begriffs des „Dritten“ im Sinne von § 5 MsbG erhalten. Die Regulierungsbehörden wollen den Begriff des „Dritten“ nunmehr netzbezogen verstehen. Im eigenen Netzgebiet sei der grundzuständige Messstellenbetreiber weiterhin nicht als Dritter anzusehen. Dritter sei er aber sehr wohl im fremden Netzgebiet. Netzbetreiber sowohl oberhalb, als auch unterhalb der de-minimis-Schwelle dürften im fremden Netzgebiet als wettbewerblicher Messstellenbetreiber agieren.

Für kleinere Stadtwerke dürfte diese neue netzbezogene Sichtweise kaum Vorteile bringen. Soweit sie im eigenen Netzgebiet, in dem üblicherweise die Kundenbindung am höchsten ist, nicht als wettbewerblicher Messstellenbetreiber auftreten können, werden sie ohnehin die Ausgründung einer weiteren Gesellschaft erwägen. Schon aus Effizienzgründen wird diese Gesellschaft dann wohl auch die wettbewerblichen Messstellendienstleistungen im fremden Netzgebiet übernehmen.

Umgekehrt verwundert, dass nun Netzbetreiber oberhalb der de-minimis-Schwelle ohne rechtliche Entflechtung als wettbewerblicher Messstellenbetreiber im fremden Netzgebiet auftreten können. Als anderer Tätigkeitsbereich der Energieversorgung wäre dieser vom Netzbetrieb nach § 7 ff. EnWG zu entflechten. Ein netzbezogenes Entflechtungsverständnis kann dem EnWG, schon gar nicht in Verbindung mit § 5 MsbG, entnommen werden.

Die Auslegungsgrundsätze der Regulierungsbehörden sind nicht verbindlich. Soweit sie Grundlage eines entsprechenden Einschreitens der BNetzA werden, ist mit Klagen kleinerer Stadtwerke, gegebenenfalls auch einer Musterklage zu rechnen.

(15. August 2018)