Netzkosten: Vermiedene Netz­entgelte vor dem Aus

Das Bundeskabinett hat am 25. Januar 2017 einen Gesetzentwurf zur Modernisierung der Netzentgeltstruktur beschlossen. Der vorgelegte Entwurf  beschränkt sich darauf, vermiedene Netzentgelte sukzessive abzuschaffen. Die in Aussicht gestellte Grundrevision der Entgeltsystematik blieb hingegen aus, die ursprünglich angekündigte Vereinheitlichung der Netzentgelte der vier Übertragungsnetzbetreiber ist ersatzlos gestrichen.

Was sind vermiedene Netzentgelte?

Vermiedene Netzentgelte werden an Verbraucher gezahlt, die dezentral einspeisen und hierdurch Netzkosten vermeiden. Sie erhalten von dem Verteilnetzbetreiber, in dessen Netz sie einspeisen, ein Entgelt, das dem entspricht, was gegenüber den vorgelagerten Netz- oder Umspannebenen durch die lastnahe Einspeisung vermieden wurde.

Zielsetzung des Entwurfs

Diese Grundannahme – Vermeidung von Netzkosten – ist nach Auffassung des BMWi indessen überholt: Mittlerweile sei die Dezentralisierung der Erzeugungsstruktur im Zuge der Energiewende soweit fortgeschritten, dass statt des angestrebten lokalen Verbrauchs oftmals eine Rückspeisung in das vorgelagerte Netz erfolge. Eine netzentlastende Wirkung dezentraler Erzeugung soll hiernach nicht mehr feststellbar sein.

Aus diesem Grund soll der Fördermechanismus nunmehr in drei Schritten abgeschafft werden:

  • Einfrieren auf dem Stand 2015: Für Bestandsanlagen werden ab dem 1. Januar 2017 die Berechnungsgrundlagen angepasst und die vermiedenen Netzentgelte auf dem Niveau vom 31. Dezember 2015 eingefroren. Ab dem 1. Januar 2018 werden zusätzlich die Kosten für die Offshore-Netzanbindung und die Erdverkabelung herausgerechnet, die von vornherein nicht durch dezentrale Einspeisung vermieden werden können. Dies führt zu einer weiteren Absenkung des Ausgangswertes um ca. 30 Prozent.
  • Abschmelzung für Bestandsanlagen: Ebenfalls ab 2018 werden Zahlungen für Anlagen mit volatiler Stromerzeugung (Windenergie- und Solaranlagen) sowie ab 2021 Zahlungen für alle anderen Anlagen über einen Zeitraum von zehn Jahren heruntergefahren. Dabei erfolgt eine Absenkung um einen Betrag von jeweils 10 Prozent des Ausgangswertes.
  • Wegfall für Neuanlagen: Neuanlagen mit volatiler Stromerzeugung erhalten bereits ab dem 1. Januar 2018 keine Förderung mehr. Für alle anderen neuen Stromerzeugungsanlagen werden die vermiedenen Netzentgelte ab dem 1. Januar 2021 abgeschafft.

Unvollkommenes Regelungsziel

Wenngleich die Energiewende die Dezentralisierung der Erzeugungsstruktur wesentlich gefördert hat, gilt der Grundgedanke vermiedener Netzentgelte weiterhin fort: Eine dezentrale Einspeisung hilft, Netzkosten zu vermeiden. Diese Prämisse dürfte jedenfalls für steuerbare dezentrale Einspeiser wie KWK-Anlagen, konventionelle Kraftwerke, Laufwasserkraftwerke und Speicher weiterhin gelten. Der beschlossene Entwurf des BMWi differenziert jedoch nicht nach steuerbaren und nichtsteuerbaren Einspeisern.

Die vom BMWi beabsichtigte Senkung der Netzentgelte dürfte durch eine gestiegene EEG-Umlage jedenfalls zum Teil konterkariert werden. Denn an volatile Einspeiser werden die vermiedenen Netzentgelte bisher ohnehin nicht ausgezahlt, vielmehr werden sie dem EEG-Konto als Einnahme gutgeschrieben. Die Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte für volatile Einspeiser führt somit lediglich zu einer Umverteilung auf die EEG-Umlage, die sich entsprechend erhöht. Insoweit ist die Regelung für die Netznutzer ein Nullsummenspiel.

Bezieher vermiedener Netzentgelte sollten heute schon prüfen, in welchem Zeitraum sie mit einem Auslaufen der Förderung zu rechnen haben. Gerade für steuerbare dezentrale Einspeiser, die bislang von vermiedenen Netzentgelten profitiert haben, kann deren Abschaffung erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen bis zur Gefährdung des Geschäftsmodelles haben. Dieser Effekt wird durch die rückwirkende Reduzierung der vermiedenen Netzentgelte verstärkt. Jedenfalls für das laufende Kalenderjahr 2017 wurde der in diesen Anlagen erzeugte Strom bereits unter Veranschlagung der vermiedenen Netzentgelte vermarktet.

Die Kritik greift die Empfehlung des Wirtschaftsausschusses vom 27. Februar 2017 auf. Steuerbare Einspeiser sollen danach von der Abschaffung der vermiedenen Netzentgelte verschont bleiben. Ob sich dieser Vorschlag durchsetzt, bleibt abzuwarten. Der Bundesrat will hierzu am 10. März 2017 beraten.

(3. März 2017)